Interview mit Lygo über “Schwerkraft”!

Lygo Interview Foto Sebastian

Mit Schwerkraft haben Lygo dieses Jahr wohl eines der spannendsten deutschsprachigen Punkrock-Alben veröffentlicht. Daher haben wir uns vor ihrem Konzert in Münster mit Simon (Gesang, Gitarre) und Jan (Gesang, Bass) getroffen und uns über ihr neues Album, die Tour sowie ihre musikalischen Einflüssen unterhalten.

minutenmusik: Gestern war euer Tourauftakt in Oberhausen. Wie war es denn?

Simon: Wir haben uns jetzt sehr lange auf die Tour gefreut, weil die schon sehr lange stand. Man plant so viel und es findet sehr viel im Vorfeld im Internet statt. Das ist dann sehr schön, wenn man das erste Konzert spielt und man sieht da kommen Leute, es ist gut besucht, die Stimmung ist gut und das findet im echten Leben statt. Das war gestern ein guter Auftakt!

minutenmusik: Ihr habt ja vor kurzem euer zweites Album „Schwerkraft“ rausgebracht. Auf welchen Song freut ihr euch am meisten den live zu spielen?

Jan: Gestern haben wir das erste Mal „Keine Leichtigkeit“ live gespielt und ich war positiv überrascht, wie gut das vom Publikum angenommen wurde und dass die Leute schon sehr textsicher waren. Da freue ich mich das noch weiterhin auf der Tour zu spielen.

Simon: Ich würde spontan „Lautlos“ sagen, der ist irgendwie sehr klar und macht Bock. Tatsächlich spielen wir recht viel. Wir spielen jetzt 9 von 12 Songs vom Album, deswegen ist fast alles dabei.

minutenmusik: Ihr habt einmal in einem Interview erzählt, dass ihr noch nicht das beste Konzert gespielt habt. Was müsste denn passieren, damit ihr ein Konzert als perfekt bezeichnen würdet?

Simon: Ich glaube der Gedanke, warum wir gesagt haben, dass es noch nicht passiert ist, war einfach, dass wir noch nicht die eine Show hatten, die so herausgestochen hat und über allen anderen steht. Das wäre jetzt Quatsch eine auszusuchen und zu behaupten, dass das die Beste wäre. Dann fühlen sich die Leute, wenn sie zu einem anderen Konzert gekommen sind und das gut fanden, vor den Kopf gestoßen und da hat ja keiner was von.
Tatsächlich war aber bei der letzten Tour Münster eine Stadt, die aus verschiedenen Gründen rausgestochen ist. Es war Tourabschluss und vor allem da es die am besten besuchte Show letztes Jahr war.

Jan: Ich glaube das war auch das größte eigene Konzert, das wir zu dem Zeitpunkt gespielt hatten.

minutenmusik: Ihr seid eine Band die auch großen Wert auf Text legt und daher habe ich mich gefragt, warum ihr als erstes die Single „Nervenbündel“ veröffentlicht, die ja nur 4 Zeilen Text hat?

Jan: Wie war denn das? Ich glaube wir hatten mehrere Lieder überlegt, aber „Nervenbündel“ fanden wir dann als kurzes einminütiges Video ganz spannend.

Simon: Es hat sich im Studio irgendwie so rausgestellt, dass wir vorher gar nicht genau wussten, was wir von dem halten, aber im Studio hat der uns dann aber sehr zugesagt und wir fanden es einfach sehr interessant mit sowas, wo man noch nicht viel verrät rauszugehen. Und wir hatten eine Videoidee dazu – das spielt natürlich auch immer eine Rolle.
Als zweite Single wollten wir eigentlich „Schraubzwinge“ rausbringen und da war die Idee zu dem Zeitpunkt einfach nicht gut genug. Dann haben wir erst „Festgefahren“ rausgebracht und dann „Schraubzwingen“ nach hinten gestellt. Sowas spielt dann auch eine Rolle.

minutenmusik: Der Song „Gründe“ beschreibt Themen, die leider immer wieder aktuell sind. Glaubt ihr, dass Musik dazu beitragen kann Dinge zu verändern oder ist es nicht eher bei solchen Konzerten eher ein „Preaching To The Choir“?

Jan: Ich glaube, gerade da die Konzerte sich in einer gewissen Szene abspielen, dass die Leute, die auf unsere Konzerte kommen, hoffentlich auch Feingefühl für diese Themen haben, die auch angesprochen werden. Aber gerade als Person, die auf der Bühne steht, hat man auch eine kleine Vorbildsfunktion und wenn man dann auch explizit politische Themen anspricht, kann man da auch bei Leuten einen Gedanken anstoßen. Wie Bands, die im größeren Rahmen, jetzt in Chemnitz mit #wirsindmehr. Bands, die nicht so explizit politisch sind und mehr im Radio gespielt werden, die Leute dann auch abholen können und darüber bewegen können. Ich könnte jetzt Namen nennen, wie Casper oder Marteria. Ich finde es super stark, dass die sich auch so klar positionieren. Bei anderen Bands wie Feine Sahne Fischfilet ist das halt ganz klar. Das war für uns beziehungsweise für mich auch wichtig, dass man da auch eine klare Position auf dem Album hat.

Simon: Ich denke, dass hat immer zwei Seiten. Einerseits muss man sehr realistisch sein, dass man mit einem Song nicht allzu viel bewirken wird. Andererseits kenne ich das auch von mir und weiß wie sehr mich, vor allem als ich angefangen habe Punkrock und artverwandte Musik zu hören, die Themen und die Inhalte beeindruckt haben und wie ernst ich das genommen habe. Und wie ich auch ohne es zu hinterfragen vieles einfach übernommen habe. Deswegen einerseits nicht zu viel Hoffnung reinstecken, dass man damit die Welt rettet, und andererseits schon bewusst sein, dass man damit auch eine Reaktion auslösen kann.

minutenmusk: Mein aktueller Favorit auf dem Album ist „Keine Leichtigkeit“, da er sich gerade durch den Chor von den restlichen Songs abhebt. Mögt ihr ein bisschen erzählen, wie es zu diesem Song in dieser Art gekommen ist?

Simon: Der Text ist von mir – also wir schreiben beide Texte. Generell ist unsere Herangehensweise so, dass wir meistens Themen aus dem eigenen Leben nehmen. In dem Falle eben Herzschmerz. Das ist das dann nicht eins zu eins aus dem eigenen Leben erzählt, aber das Thema wird halt genommen und dann in manchen Richtungen zugespitzt, um am Ende eben ein Gefühl zu erzeugen, was so schon tatsächlich da ist. Und so war das da auch… Was war die Frage?

Jan: Dieser Chor, der „Leck mich doch am Arsch“-Chor.

Simon: Wir haben viel darüber diskutiert, da das natürlich so ein bisschen anders ist und das auch unterschiedlich zu deuten ist. Ich war zum Beispiel der Meinung, dass das ganze schon eine Humorebene hat und sehr selbstironisch ist. Und ich kann mich erinnern, dass da Jan zum Beispiel Schwierigkeiten mit hatte.

Jan: Genau. Ich hatte da mehr Probleme, weil doch eine sehr direkte Wortwahl gewählt wurde, wo ich dann auch erst dachte, dass ich mich damit nicht anfreunden kann. Dann kam aber die Idee dieses über den Chor wieder zu entfremden und dann auch überspitzt und nicht ganz so ernst zu sehen. Das war dann der gute Kompromiss.

Simon: Ich glaube über den Song habe ich jetzt auch mit den meisten Leuten diskutiert und geredet. Ursprünglich gab es auch zwei Zeilen in dem Song, wo mir klar wurde, dass das an weibliche Personen gerichtet ist. Dann ging es auch darum, was das für Rollenbilder bestätigt und da gibt es durchaus Möglichkeiten, wie man das lesen kann, die dann nicht ganz in unserem Sinne sind. Deswegen haben wir dann auch noch ein bisschen was geändert und haben so in der Form, wie wir ihn jetzt veröffentlicht haben, überwiegend sehr gute Rückmeldungen zum Inhalt bekommen. Das ist glaube ich so der interessanteste Song, was das angeht.

Jan: Viele sagen auch, dass sie sich gerade in dieser Aussage oder mit diesem Gefühl sehr gut identifizieren können. Das hat jeder schon irgendwie so erlebt. Gestern kam auch noch einmal einer am Merch-Tisch und meinte, dass dieser Song gerade genau sein Leben ist.

minutenmusik: Und wie läuft das generell bei euch, wenn ihr Songs schreibt? Da ihr ja beide singt, schreibt ihr dann zusammen oder doch jeder für sich alleine?

Jan: Meistens ist das so, dass jeder seinen Teil im Großen und Ganzen selber schreibt. Man schreibt etwas für eine neue Song Idee und gibt dann auch dem anderen in dem Lied so mehr oder weniger vor, was er singen kann. Wir diskutieren natürlich über die Texte, wie man die machen kann oder helfen uns gegenseitig bei Ideen, die man dann nicht so schön ausformuliert bekommt.

minutenmusik: Auf eurem Albumcover ist ein Amboss zu sehen, der ja auch in den Musikvideos immer wieder auftaucht. Wie seid ihr gerade auf den Amboss gekommen? Es ist ja nicht gerade ein alltäglicher Gegenstand.

Jan: Wir haben eine Freundin gefragt, ob sie das Artwork für uns machen möchte und wir haben ihr recht wenige Vorgaben für das Artwork gegeben. Sie hat uns dann mehrere Entwürfe gezeigt und der Amboss ist uns dann hängen geblieben und den fanden wir ganz cool. Es gab es verschiedene Versionen und dann haben wir das zusammen mit ihr mit diesen Schnüren und dass das so hängt erarbeitet.

Simon: Das war ihre Idee und wir haben das zusammen weiter entwickelt, aber im Grunde war das nicht unser Gedanke und das mit den Musikvideos haben wir dann so weitergedacht.

Jan: Wir haben im Proberaum sogar noch überlegt, ob wir den Amboss mit auf Tour nehmen. Dieses kleine Ding im Video wiegt einfach 20 Kilo und wir haben keine Lust das jeden Abend wieder irgendwo hinzustellen.

Simon: Wir hatten den beim Release Konzert im Bla in Bonn dabei und das war an dem Abend schon so nervig. Ich habe den im car2go gefahren, um den dann in dem Bus zu laden und dann in den Laden… und nee das war dann nicht drin. Deswegen kein Amboss beim Konzert. Wir haben aber einen Backdrop mit Amboss drauf! Das war aber leider zu groß, um es heute aufzuhängen.

minutenmusik: Wen man eure Musik beschreibt, kommt man schnell zu Vergleichen mit Bands wie Love A, Pascow oder Heisskalt. Sind das auch Bands die euch inspirieren?

Jan: Das sind auf jeden Fall Bands, die wir alle auch privat hören und durch die Jahre, die wir Musik machen, natürlich auch immer ein musikalischer Einfluss waren. Das kann man nicht leugnen.

Simon: Gleichzeitig ist es ein bisschen nervig, dass es gewisse Bands, wie zum Beispiel Turbostaat, gibt, die so für diese ganze Szene als Stellvertreter genommen werden, dass sie in fast jedem Review auftauchen. Wir sehen auf jeden Fall, dass wir bei denen gewisse Sachen kennengelernt haben und mit Sicherheit auch übernommen haben. So funktioniert Kunst und Musik machen halt. Man nimmt Einflüsse, die einem gefallen, und macht etwas Neues daraus. Aber das ist manchmal doch ein bisschen ideenlos, dass immer die gleichen Referenzen auftauchen und es eigentlich schon fast reicht, dass man ein bisschen kryptische Texte hat und auf Deutsch singt, dann ist man direkt Turbostaat. Das ist immer ein bisschen schade, auch wenn wir die Bands alle super finden.

minutenmusik: Was waren denn so die Bands, die euch dazu gebracht haben ein Instrument zu spielen, beziehungsweise in einer Band zu spielen?

Jan: Ein großer Einfluss, was uns gerade in diese musikalische Richtung sehr geprägt hat, war auf jeden Fall Muff Potter. Deswegen freuen wir uns, dass sie wieder auf Tour gehen!

Simon: Dann waren glaub ich Turbostaat und Frau Potz die beiden größten Namen und sonst hören wir so das Meiste von diesen ganzen deutschsprachigen Sachen. Wir hören aber auch noch andere Sachen…

Jan: Green Day! Wir haben angefangen mit Green Day Covern!

minutenmusik: Und was war das erste Konzert, das ihr besucht habt?

Jan: Genau kann ich mich nicht erinnern, aber ich war mit 14 das erste Mal in Bonn im Bla. Das ist ein Kneipenladen, wo es immer Konzerte gibt und  wo wir auch unsere Release Show hatten. Da war ich zusammen mit Daniel auf einem Agrotóxico Konzert, das ist eine brasilianische Punkband. Und dann auch 2006 auf einem Muff Potter Konzert im Underground, das war auch sehr prägend.

Simon: Also eines der ersten großen Rock-Konzerte, die ich gesehen hab waren glaub ich 2007 die Donots auf der Rheinkultur. So ganz weiß ich es nicht mehr, aber ich weiß, dass das schon so eine Erleuchtung war und ich weiß, dass ich diese Art von Bühnenshow da das erste Mal so in echt gesehen habe.

minutenmusik: Zum Abschluss: Habt ihr Musik Tipps, beziehungsweise Bands die man sich unbedingt anhören sollte?

Jan: Unsere Supportband Havarii!

Simon: Also ich habe in letzter Zeit ziemlich viel Cloud Nothings gehört, die kommen glaub ich aus den USA. Das hat jetzt nicht so viel mit uns zu tun… Mount Kimbie finde ich sehr cool!

Jan: Bei mir liegt gerade auf dem Plattenspieler City Light Thief. Was gibt es denn noch?  Was ich gerade höre sind City Light Thief, Blut Hirn Schranke und Havarii.

Simon: Der Song „Verdamp lang her“ von BAP ist sehr gut! Den kennen natürlich die meisten, aber wer ihn noch nicht kennt, der sollte ihn mal auswendig lernen!

Das Album “Schwerkraft” kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Lygo live 2018:

24.10.2018 Sunny Red München
25.10.2018 Chemiefabrik Dresden
26.10.2018 Badehaus Berlin
27.10.2018 Reil 78 Halle / Saale
28.10.2018 Artheater Köln

Die Rechte am Titelfoto liegen bei Sebastian Igel.

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