Wenn man seit 39 Jahren zusammen Musik macht, hat man das eine oder andere bereits hinter sich gebracht. Sänger Hartmut Engler und Bassist Joe Crawford sind tatsächlich nächstes Jahr vier Dekaden lang in der gleichen Band am Start und haben immer noch Spaß an ihrem Beruf. Leider fehlt der an Krebs erkrankte Keyboarder Ingo Reidl, der 2019 bereits 44 Jahre dabei wäre. Er soll aber im Sommer auf die Open Air-Bühnen zurückkehren. Drei der Gründungsmitglieder der deutschen Dauerbrenner-Band Pur sind also schon fürs nächste Jahr gewappnet. Dieses Jahr gibt es aber Indoor 13 Termine, bevor 2018 Adieu sagt. An gleich zwei Tagen bringen Pur in einer Besetzung mit sieben Personen auch die Dortmunder Westfalenhalle zum Beben. minutenmusik war beim ersten Termin für euch dabei.

Eine runde Bühne im Herzen der Halle, nämlich in der Mitte des Innenraums. Zwar keine neue Idee, aber eine stets effektive. So wird der Abstand auch zu den Fans in der letzten Reihe verkleinert und alle haben das Gefühl, ganz nah dabei sein zu dürfen. So wie die Band ist natürlich auch das Publikum ein wenig mitgealtert – dabei handelt es sich bei Pur stets um eine Generationen-übergreifende Band, sodass auch einige Kinder anzutreffen sind. Oder auch Eltern mit ihren Eltern. Die Stehplätze sind eingenommen, der Unter- und Oberrang bis auf wenige Plätze voll. 14.000 Leute werden hier jeweils an zwei Abenden Platz nehmen. Mit sieben Nummer 1-Alben und knapp sieben Millionen verkauften Tonträgern ist das Interesse stets groß genug geblieben. Um 20:05 und somit fast pünktlich dringt die Stimme Englers durch die Boxen, er grüßt aus der Umkleide und weist darauf hin, dass in wenigen Sekunden das Konzert losgeht. Und in der Tat dauert es nur noch ein paar Augenblicke. Engler betritt als erster die Bühne, stellt sich auf das leicht angehobene Podest in der Mitte der Bühne und beginnt mit den berühmt-berüchtigten Zeilen: „Du bist nicht hart im Nehmen, du bist beruhigend weich…“! Ein A-cappella-Einstieg? Warum nicht! Eine schöne Idee. Nach und nach bekommt die Bühne mehr Bandmitglieder zu sehen und der Song „Freunde“ mehr Instrumentierung, sodass zum Finale das Lied wunderbar aufgeht und ein stimmiges Opening darstellt.

Pur war nie eine Gruppe, die sich leicht in eine Schublade stecken lässt. Für Schlager stets zu Rockig, für deutschen Singlecharts-Pop irgendwie zu unkommerziell, für Singer/Songwriter zu mitsingtauglich. Auch in den Zeiten, in denen Deutsch-Pop alles andere als im Trend war, sind sie stets ihrer Muttersprache treugeblieben. Nur so ist auch nach einer derartig langen Bandgeschichte dieses Publikum erklärbar. Mit knapp 30 Songs ist die Setlist vollgepackt bis obenhin, gleich 150 Minuten lang wird gespielt. Acht Lieder sind von dem neuen Album „Zwischen den Welten“, das auch optisch als zentrale Figur dient. Über der Bühne gibt es zwei ebenfalls kreisförmige Leinwände, auf denen Galaxien und Sternenhimmel abgebildet werden. Zwischenzeitlich sehen wir Liveübertragungen von der Bühne, Bildaufnahmen aus der Studiosession oder auch politische Messages auf technisch anspruchsvollem Niveau, eingehüllt in warmen Farben.

Gerade die Sozialkritik ist ein Bestandteil, der nicht fehlen darf. Frontmann Engler betont, dass kritische Songs wie „Bis der Wind sich dreht“ und „Neue Brücken“ seit 20 Jahren von ihnen gespielt werden und es schade ist, dass sie selten so aktuell waren. Er verkleidet sich für diese und einige andere Songs, trägt bei „Indianer“ den bekannten Kopfschmuck, bei „Abenteuerland“ den Mantel aus der passenden Zeit. Außerdem wird viel mit den restlichen Bandleuten agiert, fast jeder Song anmoderiert und stets Raum fürs Publikum gelassen. Nicht selten darf dies die Leadstimme übernehmen, teilweise minutenlang.

Erstaunlich, welch eine Hitquote die Show zu bieten hat. „Wenn du da bist“, „Ein graues Haar“, „Ich lieb‘ dich (egal wie das klingt)“, „Lena“, „Herzbeben“, „Hab‘ mich wieder mal an dir betrunken“, „Funkelperlenaugen“ – alle sind dabei und werden mit lauten Fanchören zu Highlights. Hier und da funkeln einige Augen tatsächlich vor Freude. Menschen liegen sich in den Armen und scheinen emotional sehr ergriffen zu sein. Natürlich handelt es sich bei Pur nicht um die intellektuellste und anspruchsvollste Musik des Landes, aber zumindest um Musik, die Massen irgendwie berührt. Da kommen bei den besonders intimen Momenten, in denen jeder im Raum ein paar Worte mitsingt, definitiv Schauer auf, die wohlig den Rücken herunterlaufen. „Wenn sie diesen Tango hört“ ist Englers Mutter gewidmet, die mit 91 Jahren von ihm ging, „Geweint vor Glück“ geht mit Pianosounds besonders tief. Somit fällt der Fakt, dass viele Songs um einige Töne nach unten transponiert wurden, nicht mehr so stark ins Gewicht – aber mit 57 singt man eben auch nicht mehr so wie in den 90ern. Das ist schon ok.

Abgerundet wird das gut-tuende Konzert durch zwei Konfettibomben, einem Handylichterhimmel und gleich sechs Zugaben. Die Band bedankt sich mehrmals für das aufmerksame Publikum und verspricht jetzt schon, im Sommer ähnliches wieder zu bieten. Da scheinen sich sehr viele drauf zu freuen. Eine Band der alten Schule, die sich aufs Wesentliche konzentriert und ihre Crowd im Griff hat. Da sind bestimmt mindestens zehn weitere Jahre drin.

Und so hört sich das an:

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Foto von Christopher.

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