Lana Del Rey – Norman Fucking Rockwell

Achtung, es folgt ein erschreckender Fakt: acht Jahre ist es genau her. Vor acht Jahren veröffentlichte Lana Del Rey „Video Games“ und entschleunigte mit einem vollkommen neuen Sound für einen Moment die mainstreamige Poplandschaft. Der Song, der eine Wirkung hatte wie ein Sog und gleichzeitig den perfekten Soundtrack für den bevorstehenden Winter stellte.

Bis heute verkaufte sich die Single über 2,1 Millionen Mal. Das dazugehörige Album „Born To Die“, welches sogar bereits ihren zweiten Longplayer darstellte (der erste blieb unbeachtet), konnte fünf Millionen Mal unter die Leute gebracht werden, blieb unglaubliche 140 (!) Wochen in den UK-Charts und sackte auch bei uns Vierfachplatin ein. Übertrumpft wurde dieser Erfolg nur noch durch die dritte Single „Summertime Sadness“ mit 6,4 Millionen Verkäufen.

Kein schlechter Einstieg für einen Durchbruch. Umso erschreckender und problematischer, wie schnell dann auch schon die Luft raus war. Das lag einerseits daran, dass das Album ganz anders klang als man erwarten konnte; so gab es unglaublich viel Trip-Hop zu hören und viel zu wenig Dream-Pop wie in den Vorabtracks. Außerdem ließen die Livequalitäten der Künstlerin eher zu wünschen übrig. Die beiden Nachfolgealben brachten zwar den Trip-Hop wieder dahin zurück, wo er hingehört, entschieden sich aber stattdessen eine Art Narkosemittel in Musikform zu werden. Trotz der hervorragenden Single „West Coast“ gab es ansonsten quasi eine Nullbilanz. Ganz besonders das dritte Werk „Honeymoon“ macht es dem Zuhörer in der Entscheidung schwer, ob sich die entstehenden Mordgedanken in den Flitterwochen gegen ihn selbst oder den Partner richten. My Baby Shot Me Down.

Dass das zu viel des Guten war, scheint auch Elizabeth Woolridge Grant – so ihr gebürtiger Name – verstanden zu haben. „Lust For Life“ nahm mal wieder etwas mehr Fahrt auf und wagte sogar einige Features. Doch es soll schließlich um Lanas aktuellsten Output gehen. Norman Fucking Rockwell ist bereits ihr fünftes Album unter einem Majorlabel und geht endlich ein Stück zurück zu den wirklichen Wurzeln.

Man muss kein Sherlock sein, um zu erkennen, dass sich der Albumtitel an dem US-Maler Norman Rockwell orientiert. Ein Zeitgenosse, der stets düstere Bilder malte und grade in der Ära der Popart keinen wirklichen Platz fand. Stattdessen erlebte er Abwertung. Heute gilt er als einer der einflussreichsten Künstler Amerikas. Del Rey zieht Verbindungen zu ihrem Produzenten Jack Antonoff, den sie für einen Meister hält, er sich selbst jedoch weniger. Der Gitarrist der Band fun. – „We Are Young“ könnte dem einen oder anderen noch im Ohr liegen – hat neben Del Rey grade auch die neue Taylor Swift produziert. So schlecht sollte er also wirklich nicht sein.

Ganz besonders der Einstieg in das neue Werk gelingt unglaublich gut. Leicht bekömmliche Pianomelodien mit Del Reys betörend-verträumten Gesang. Der Titeltrack lässt kurze Erinnerungen an eben jene Songs aus 2011 und 2012 aufblitzen – hören wir da etwa den ersten Charthit seit Ewigkeiten? Immerhin gab es seit „West Coast“ keinen Top 30-Song mehr, und zwar nirgendwo. Aber Lana Del Rey hat sich bereits vor Ewigkeiten vom Mainstream verabschiedet. Das hat einerseits definitiv Applaus fürs Durchhaltevermögen verdient, andererseits erschwert es dem Zuhörer aber auch eindeutig das Zuhören. Schließlich stehen nach dem vierminütigen Intro, welches wirklich eine angenehme Atmo zaubert, noch 63 weitere Minuten an.

Auch „Mariners Apartment Complex“ (was ein Titel) groovt mit der typischen sommerlichen Traurigkeit (knickknack) ordentlich und sollte Fans der ersten Stunde begeistern. Instrumental traut sich das Album mal mit Crescendo und Decrescendo zu arbeiten und schafft einige Momente, die an Tarantino-Soundtracks und lange Cabriofahrten erinnern. Selbst das fast zehnminütige „Venice Bitch“ ist dank geilen Instrumentalsoli und „Crimson & Clover“-Sample (Tommy James & The Shondells) im Mittelteil abwechslungsreicher als zunächst gedacht. „Doin‘ Time“ covert ein paar Phrasen aus dem Evergreen „Summertime“ und geht auch klar.

Und dennoch ist zum wiederholten Male mehr als eine Stunde einfach viel zu viel zu viel. Denn komischerweise kippt ungefähr ab der Mitte der positive erste Eindruck. Nämlich spätestens dann, wenn man sich wieder eingestehen muss: Lana Del Rey hatte damals EINE gute Idee. Eine, die nun in leicht variierter Variante bis aufs Letzte ausgeschlachtet wird. Trotz verspieltem und ästhetisch hochwertvollem Albumcover dient auch Norman Fucking Rockwell besser als Hintergrundlala zum Nappen als zum bewussten Hören. Das entspannt zweifellos, nur hat es einfach nicht genug Variation, ganz besonders nicht im Gesang oder in der BPM-Zahl. Zwischen „Cinnamon Girl“ (Track 7) und „Bartender“ (Track 12) entsteht mehrmals der Anschein, dass man den Song bereits gehört hätte. Songs, die gerne die Fünfminuten-Marke knacken, zeigen zwar dem Trend, Lieder immer kürzer zu schreiben, gekonnt den Mittelfinger, sorgen aber gleichzeitig für einen enormen Hang zum Skippen.

Mit etwas mehr Intimität und berührender Fragilität schickt uns Del Rey raus aus ihrer Monotonie. „hope is a dangerous thing for a woman like me to have – but I have it“, ein Songtitel, der wie ein Motto klingt und auch von uns so gerne unterschrieben wird. Die Hoffnung, dass es doch nochmal ein wirklich gutes Del Rey-Album gibt. Die Ansätze stimmen immer. Mehr als eine mittelprächtige Platte ist es letztendlich aber erneut nicht.

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