Wanda – Ciao [Doppel-Review]

Eine unserer Lieblingsbands aus Österreich wirft ihr viertes Album auf den Markt. Das bewegt uns zu einer unserer beliebten Doppelrezensionen. Andrea und Christopher schauen sich das neuste Wanda-Werk an und sind beide not amused:

Andrea meint:

Hört man sich das neue Wanda-Album an, bleibt vor allem eins hängen: den Österreichern tut immer irgendetwas weh. Und dass vor allem dieser Eindruck hängen bleibt, liegt nicht zuletzt daran, dass das Album aus musikalischer Sicht kaum spannende Momente bietet.

Auf ihrer vierten Platte bleibt die Band ihrem Erfolgskonzept treu: österreichische Rockmusik mit starkem Beatles-Einschlag und einer gehörigen Portion Wiener Schmäh. Es macht schon den Eindruck, als hätten Wanda versucht, den altbewährten Stil an einigen Stellen etwas aufzubrechen, doch so richtig will das nicht funktionieren. Gleich der zweite Track „Nach Hause gehen“ kann mich als Hörerin nach dem Wanda-klassischen Opener „Ciao Baby“ nicht abholen. Dafür wirkt er viel zu hektisch und zu unstimmig. Das darauffolgende „Ein komischer Traum“ schwankt dann gleich in das andere Extrem: langweilig und belanglos plätschert der Song vor sich hin und bringt – wie auch die meisten der anderen Texte – vor allem sich ständig wiederholende Textzeilen.

Lyrische Ergüsse wie „Hat das jemand mal gezählt, wie viel Kilometer fahren alle Autos dieser Stadt insgesamt in einer Nacht“, vorgetragen in der extrem monotonen Strophe des Titels „Vielleicht“, haben auf mich leider keinen unterhaltenden Effekt, sondern eher einen wie das altbekannte Schäfchenzählen zum Einschlafen. Zusammen mit der Art, wie Marco Wanda seine Wörter in die Länge zieht, wird das leider ziemlich schnell nervig. Das mag zwar auch schon bei den früheren Wanda-Werken der Fall gewesen sein, doch vielleicht hat es da einfach besser funktioniert, weil das Konzept noch neuer war. Vielleicht habe ich mich aber auch einfach an ihrem Sound sattgehört.

Eine angenehme Abwechslung bringt „Ein schneller Tod“. Da wird es trotz des bittersüßen Textes, der natürlich wieder aus gebetsmühlenartigen Wiederholungen besteht, tanzbar und leichtfüßig. Sympathiepunkte gibt es von mir außerdem für den Titel „Domian“, denn wer, wenn nicht die gute Seele am Telefon von 1LIVE hat einen eigenen Song verdient? Insgesamt bleibt das Album aber leider sehr schwerfällig und wehleidig. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Textzeilen wie „Manchmal tut´s so weh, weh“ („Ciao Baby”), „Wir zwei tun uns weh“ („Der Erste der aufwacht”) und „Das tut so weh“ („Gerda Rogers”) dominieren das Textbild. Aber wer weiß, vielleicht kann man daraus ein gutes Trinkspiel machen. Und vielleicht wird man mit jedem Shot für die Schmerzen der Wandas dann ähnlich sentimental und liegt sich am Ende doch gefühlsduselig zur Musik der Österreicher in den Armen.

Christopher denkt:

Ciao? Wie jetzt? Schon Schicht im Schacht? Machen Wanda ernst und verabschieden sich mit ihrem vierten Longplayer? Die Fanschar darf durchatmen: nein, tun sie nicht. Stattdessen bleibt das Wiener Quintett ihrem Albumnamenkonzept treu und liefert einen weiteren Titel, der aus einem knappen Wort besteht. Dabei stellt die Dreiviertelstunde tatsächlich einen kleinen Abschied dar, nämlich den von guten Songs. Ciao-Kakao.

Nach ziemlich genau zwei Jahren gibt es also das neue Album der Volks-Rock’n’Roller! Wobei… Moment… das war ja jemand anderes… allerdings trifft die Bezeichnung ordentlich gut auf die Band zu, immerhin bieten Wanda seit fünf Jahren Rock’n’Roll für die breite Masse, der wenig glattgebügelt wirkt, gerne mal aneckt und ein gewisses Old-Schooliges-Flair mit sich trägt. Grade Live funktioniert der treibende Sound der Band, das anstößige Verhalten des Frontmanns Marco Michael Wanda und das Mitschwingen der Zuschauerschar in Kombination. Dass eine Nische gefunden wurde, beweist der übernatürlich große Erfolg des Debüts „Amore“ (2014), das bei den österreichischen Nachbarn fast drei Jahre in den Charts anzutreffen war und genauso wie das Nachfolgewerk „Bussi“ (2015) Doppelplatin einsackte.

Doch wie es gehäuft bei Künstlern vorzufinden ist, die mit ihrem eigenen Sound neue Wellen schlagen, ist auch bei Wanda spätestens jetzt einfach klar: den Jungs fällt nix mehr ein. Was in Form von „Amore“ einem Kleinod für Mitt- und Endzwanziger gleicht und dank hoher Hitdichte nahezu jeden begeistern konnte, gelang in einer Kopie namens „Bussi“ noch gut, war man für eine Wiederholung durchaus bereit. Aber „Niente“ (2017) lieferte schon nur noch maximal eine Hand voll guter Songs, allen voran den österreichischen Nr.1-Hit „Columbo“. 2019 geht diese Entwicklung konsequent weiter. Das heißt in Zahlen: zwei brauchbare Tracks und ansonsten Titel nach Schema F.

Mit „Bologna“, „Meine beiden Schwestern“, „Luzia“, „Bussi Baby“, „1, 2, 3, 4“ oder eben auch „Columbo“ haben die Wandas wirklich kultiges Material geliefert, das auf keiner guten Party fehlen sollte. Musik für gute Laune, Feiereien mit Bierflasche in der Hand, Autofahrten auf dem Weg zur Arbeit oder lange Sommernächte unter Sternenhimmel. Geht immer. „Ciao“ geht gar nicht. Textlich drehen sich die Österreicher komplett im Kreis und kommen über sinnfreie Beschreibungen von schönen Menschen und Sufferlebnissen nicht hinaus. Konkret wird es nie, zitierfähige Lines sucht man vergeblich. Musikalisch gibt es immerhin mit „Nach Hause gehen“ groovige Gitarrenriffs, die zum Tanzen anregen und einen Hauch von Neuigkeit liefern. „Ein schneller Tod“ versucht es mit Claps und Countryanleihen. „Ciao Baby“ als Opening kann dank Ohrwurmrefrain immerhin Alt-Fans kurz hinterm Ofen hervorlocken – aber das war’s dann auch schon.

Peinliche Ergüsse wie „Swing Shit Slide Show“ sollen womöglich edgy sein, nerven aber dank endlosen Wiederholungen. „Der Erste, der aufwacht“ erzählt von Drogentrips, was auf „Amore“ schon genügte. „S.O.S“ oder „Nix reparieren“ könnten mit leicht verändertem Text Copy and Paste-Ergebnisse von Songs der Vorgängeralben sein. „Vielleicht“ sorgt dank eines Minimaltonvorrats fürs Drücken der Skip-Taste. Wanda haben kaum Ideen, trauen sich nicht und auch im Gesang bleibt alles wie gehabt. Natürlich könnte man argumentieren, dass das eben der Wanda-Sound ist – aber wenn man diesen Sound eben hören mag, kann man getrost auf die beiden wirklich sehr guten ersten Alben zurückgreifen und braucht kein Neues, weil es defacto nichts Neues gibt. Auch nicht unerwähnt sollten grammatikalische Gewaltverbrechen wie in „Ein komischer Traum“ bleiben: „Alles außer Du“. Und das mehrmals wie bei einem Mantra. Autsch.

Achtung! Die Konkurrenz ist vorrätig. Andere Bands, die häufig im direkten Vergleich genannt werden wie AnnenMayKantereit oder Bilderbuch, beweisen, dass sie fähig sind, neue Dinge auszuprobieren und damit auch landen können. Trotzdem lohnt es sich mit Sicherheit die anstehende Wanda-Tour zu besuchen, die mit großer Sicherheit sich auf die großen Hits konzentriert und den neuen Output überwiegend ausspart. Klingt aber 2021 der Nachfolger wiederholt so, wird’s schwierig. Ein langweiliges Album mit 14 Titeln, die nahezu alle nicht der Rede wert sind. Deswegen bitte alle wieder: „Tante Ceccarelli hat…“

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