Wer am Freitag, den 22.11.2019, auf der Suche nach einer unkomplizierten Abendveranstaltung gewesen ist, der war bei Wincent Weiss in der Westfalenhalle Dortmund auf jeden Fall an der falschen Adresse.
Das Chaos fing bereits damit an, dass der Einlass des Konzertes sich zeitlich mit dem Beginn eines Fußballspiels im benachbarten Signal Iduna Park überschnitt und sowohl zahlreiche Musik-, als auch Fußballfans gleichermaßen von der Sperrung einer der meist befahrensten Hauptstraßen Dortmunds betroffen waren. Wer sich seinen Weg dennoch bis zur Westfalenhalle bahnen konnte, der wurde dort vor allem von einem Haufen junger Fans erwartet, die teilweise schon seit Stunden in der Kälte auf den Einlass hingefiebert hatten.
Und damit wären wir auch schon bei dem zweiten Punkt, wieso Wincent Weiss Konzerte leider nie entspannend sind: die anstrengenden Fans. Natürlich kann man hier nicht jeden Besucher über einen Kamm scheren, doch vorab hatten online einige Fangruppen bereits ein paar Regeln für die Besuche der diesjährigen Konzerte aufgestellt: wenn explizit darauf hingewiesen werden muss, dass es nicht in Ordnung ist, sich gegenseitig zu schubsen, zu beleidigen oder Wincent Weiss ins Gesicht zu kreischen, dann spricht das erfahrungsgemäß nicht unbedingt für ein unkompliziertes Miteinander.
Für all das kann aber natürlich der Künstler nichts. Umso gespannter waren wir also zu sehen, wie Wincent Weiss, der vor allem Dank seines Hits “Musik sein” binnen kürzester Zeit vom Newcomer zu einem der erfolgreichsten deutschen Pop-Sänger mutiert ist, ein so riesiges Konzert in der Westfalenhalle meistern würde.
Der 26-Jährige gab auf jeden Fall alles, um sich von anderen Musikern des Genres abzuheben: gleich zu Beginn erwartete die Fans ein stimmiges Intro, das von Konfetti begleitet in den Titeltrack “Irgendwie anders” überging. Es folgten diverse weitere Konfettikanonen, sowie Pyrotechnik und sogar eine Feuershow, bei der der Sänger in einer brennenden Jacke über die Bühne lief. Mit einem Mix aus Songs seiner beiden Alben begeisterte Wincent Weiss alte wie neue Fans der unterschiedlichsten Altersgruppen und bewies erneut seine herausragende Livequalität als Sänger. Gemeinsam mit seiner sympathischen und hervorragend harmonierenden Band spielte er eine insgesamt 19 Songs umfassende Setlist, sowie zwei unterhaltsame Medleys, in denen weitere 19 (!) Songs angeschnitten wurden. Zum einen gab es hier das so genannte “Proberaummedley“, mit dem die Band schon seit längerem aktuelle Chart-Hits in ihrer eigenen Version zum Besten gibt, zum anderen erzählte Wincent, dass seine musikalischen Wurzeln eigentlich im Heavy Metal liegen würden und präsentierte deshalb ein Medley seiner älteren Songs in einem härteren Rockmusik-Gewand. Da fragt man sich doch, wie Metal-Fan Wincent eigentlich zur Pop-Sparte gekommen ist, und wieso er musikalisch nicht häufiger in solch eine Richtung geht, wenn das doch ganz offensichtlich die Art von Musik ist, die er so liebt.
Ebenso unstimmig zeigten sich aber auch die Herzschmerz-Momente des Abends: einerseits schmachtete Wincent Weiss in unzähligen Songs einer vergangenen Beziehung hinterher, andererseits erzählte er völlig ausgelassen Anekdoten eines One Night Stands, den er gehabt hat. Dass die größtenteils minderjährigen Fans hier nicht unbedingt die richtige Zielgruppe sind, sei mal dahin gestellt. Aber bleiben wir ruhig noch einmal beim Thema Fans, denn obwohl bekannt ist, dass diese nicht immer einfach sind, zeigte Wincent Weiss sich auch in der Westfalenhalle weiterhin nahbar:
Der Sänger verschenkte seinen Pullover an einen Fan, der an diesem Abend Geburtstag hatte, und kletterte dafür kurzerhand mit einem waghalsigen Sprung vom Innenraum auf die Tribüne. Die ältere Dame nahm das Geschenk dankend entgegen und erhielt natürlich auch noch ein Geburtstagsständchen. Auf dem Weg zurück zur Bühne versuchte dann allerdings eine andere Zuschauerin die Aufmerksamkeit des Sängers auf sich zu lenken und schmiss ihm dazu kurzerhand ein bisschen Konfetti in den Mund. Ja, genau – IN den Mund. Da fragt man sich echt, was in den Köpfen mancher Leute vor sich geht.
Zurück auf der Bühne forderte Wincent Weiss die Fans wenig später auf, ihn während seines Songs “Frische Luft” beim Crowdsurfen auf Händen durch die Halle zu tragen. Doch statt sich durch die Menge zu bewegen, verharrte der Sänger die meiste Zeit an einer Stelle, da die jungen Fans ihn lieber festhalten statt weitertragen wollten. Uff. Stattdessen zeigten sich die Fans anderweitig passioniert und steckten viel Herzblut in diverse Fan-Aktionen, unter anderem als sie die gesamte Halle mit bunten Lichtern für einen Song zum Leuchten brachten oder bei Hits wie “Musik sein” oder “An Wunder” lautstark mitsangen. Trotz allem blieb Wincent den ganzen Abend über höflich, gut gelaunt und dankbar, da er sichtlich davon ergriffen schien, dass er Dank seiner Fans solch eine große Halle füllen konnte.
Der Abend endete schließlich in vielerlei Hinsicht mit einem Feuerwerk: zum einen bildete eben dieser Song den Höhepunkt des Konzertes, zum anderen wurden noch einmal allerhand Konfetti, Pyrotechnik und Feuershow gezündet. Zu einem Heavy-Metal-Wincent hätte das sicherlich sehr gut gepasst – zu den Pop-Hymnen des Sängers wirkte das Ganze leider alles etwas fehl am Platz.
Insgesamt schaffte Wincent Weiss ein gelungenes Konzert mit einer sehr beeindruckenden Länge von fast zwei Stunden. Dass er sich den Erfolg und ausverkaufte Locations wie die Westfalenhalle hart erarbeitet hat, bewies er mit seiner Performance an diesem Abend allemal. Dennoch wirkte die Bühnenshow in unseren Augen nicht stimmig und einfach viel zu überladen. Ein bisschen so, als sei Wincent selbst noch auf der Suche, nach dem richtigen Genre oder einer passenden Balance für sich und seine Musik.
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Sommertour 2020
06.06.20 – Rostock, IGA Parkbühne
25.06.20 – Bietigheim-Bissingen, Festplatz am Viadukt
04.07.20 – Mainz, Volksbühne
11.07.20 – Zwickau, Freilichtbühne
17.07.20 – Ulm, Münsterplatz
23.07.20 – Tettnang, Regionalwerk Bodensee-Schlossgarten Open Air
30.07.20 – Schwetzingen, Schlossgarten
31.07.20 – Erfurt, Kulturbühne am Wasserturm
02.08.20 – Braunschweig, Volksbank BraWo Bühne
10.08.20 – Bonn, Kunstrasen Bonn Gronau
13.08.20 – Fulda, Universitätsplatz (Zusatztermin)
14.08.20 – Fulda, Universitätsplatz
15.08.20 – Halle/Westfalen, Gerry Weber Stadion
16.08.20 – Kamenz, Hutbergbühne
21.08.20 – Lingen (Ems), OpenAir-Platz Emslandarena
23.08.20 – Giessen, Gießener Kultursommer
30.08.20 – Gelsenkirchen, Amphitheater
Festivals 2020
20.06.20 – Olpe, Biggesee Open Air
26.06.20 – Künzelsau, Würth Open Air
01.08.20 – Damp, R.SH Pop am Strand
12.09.20 – Beverungen, Weser Open Air 2020
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