Junge Menschen treibt vieles umher. Der Klima-Wandel, Rechtsruck-Tendenzen, hinzu kommen das Zurechtfinden in scheinbar erwachsenen Lebenssituationen, zerbröselnde Liebesbeziehungen sowie die Planung der eigenen Zukunft. „Sorry For The Late Reply“, das zweite Studioalbum der Indie-Punker Sløtface, schnappt sich für seinen Titel nicht nur eine Phrase, die den Zeitgeist junger Erwachsene griffiger nicht fassen könnte, sondern reißt in gleichem Zuge eben jene Themenbereiche an, die diese Gesellschaftsgruppe scheinbar in den Wahnsinn zu treiben scheinen. Das alles packt die Band aus der norwegischen Küsten-Stadt Stavanger in eingängigen Indie-Punk-Rock, der sich nahezu befreiend anfühlt und den Wunsch hervorruft. tanzen zu wollen: Das perfekte Album für die Generation Y.
Von Pop und Punk
Der Sound, den das Quartett auffährt, ist vielschichtig und zumeist poppig. Das liegt zu großen Anteilen an Odd Martin, der bereits an Sigrids Hit-Single „Don’t Kill My Vibe“ werkelte und der Band als Produzent zur Seite stand. Gleich das Eröffnungs-Trio aus „S.U.C.C.E.S.S.“, „Telepathetic“ und „Stuff“ setzt auf drei so schmissige Refrains, dass es fast schon frech erscheint, wie sehr sich die Songs bereits nach wenigen Durchgängen in den eigenen Kopf fressen. Die auf Hit getrimmte Ausarbeitung der Aufnahmen kommt gerade in den Strophen „Stuff“s zur Geltung: Der Beat klingt nahezu programmiert, der Bass übernimmt in leicht angespactem Sound das Ruder und die Gitarre steuert zumeist nur kleine Blues-Licks bei. Solche Spielereien sind so banal, dass sie erst im Zusammenwirken mit den anderen drei Instrumenten ihre volle Durchschlagkraft entfalten.
Trotz all der Eingängigkeit sind die Songs im Kern immer Punk. Das spiegelt sich zum einen in den flotteren Stücken wieder. So wird „Crying In Amsterdam“ von einem elektrifizierenden „Yeah“-Ausruf eingeleitet und zieht das Tempo mit seiner knarzenden Bass-Line und flottem Beat dann entsprechend an. Der niedliche Garage-Rocker „Tap The Pack“ treibt wenige Minuten zuvor mit angecrunchten, in den richtigen Momenten aber knarzenden Gitarren befreiend nach vorne.
Die Themen, die junge Erwachsene herumtreiben
Auch die Texte von Sløtface verankern sich tief im Punk Sub-Genre, sind zwar selten direkt politisch, dafür stets politisiert. So zieht Frontfrau Haley Shea mal über den Leistungsdruck westlicher Gesellschaften her („S.U.C.C.E.S.S.“), seziert später die monotone Natur der Routine („Telepathetic“) und behandelt schlussendlich auch den mensch-gemachten Wandel unserer Umwelt („Sink Or Swim“). Gerade letztgenannter Song könnte mit Zeilen wie „It’s not politics, it’s sink or swim“ und seinem eingängigen Sound fast schon zu der neuen Hymne der Fridays For Future-Bewegung mutieren.
Die entspannte Indie-Ballade „New Year, New Me“ wendet sich wiederum mehr dem „Ich“ als Objekt zu und reflektiert jene Neujahrsvorsätze, die eh niemals eingehalten werden. In Sheas Worten heißt das dann: „New year, new me is the greatest lie I always tell myself.“ „Laugh At Funerals“ nähert sich dahingegen einer anderen unangenehmen Situation, nämlich dem Zusammentreffen von Verwandten und Freunden, wenn Familienmitglieder versterben. Zum Schluss entlässt der Song seine Spannung passend zu seiner emotional aufgeladenen Thematik in einem instrumentalen Ausbruch. Im Anschluss nimmt „Static“ einen jedoch schon wieder bei der Hand und schleppt einen samt unverschämt tighter Bass-Linie auf den Dancefloor.
All diese Erlebnisse machen viele junge Menschen im Laufe des Erwachsen-Werdens durch. Diese Sorgen – die Angst vor den Folgen der Klima-Katastrophe, dem gesellschaftlichen Druck einem gewissen Standard entsprechen zu wollen – scheinen mittlerweile ein fester Teil dieses Prozesses geworden zu sein. Sløtface bieten auf ihrem Zweitling gerade diesen Gedanken eine Plattform. Bei der Nähe zum alltäglichen Leben überrascht es nicht, dass die Band bereits in der phänomenalen Coming Of Age-Serie „Sex Education“ Erwähnung fand. Gerade solche Themen treiben junge Erwachsene nämlich umher.
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Und so hört sich das an:
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Sløtface live 2020:
03.04. – Hamburg, Bahnhof Pauli
04.04. – Berlin, Badehaus
05.04. – München, Feierwerk / Sunny Red
06.04. – Köln, Helios 37
Die Rechte für das Albumcover liegen bei Propeller Recordings.
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