Geschmückt. Verziert. Dekoriert. Scott Matthew hat sich bei seinem neuen Album Adorned einen besonders hübschen Titel ausgesucht. Ein paar nette Eye-Candys schaden ja für gewöhnlich nie. Im Falle des gebürtigen Australiers handelt es sich aber um Ear-Candys. Anstatt zu Corona-Zeiten einen komplett neuartigen Longplayer veröffentlichen zu wollen und diesen dann zu verschieben, entscheidet er sich dazu, eine Art Best of zusammenzustellen. Nur in anders.
Seit 15 Jahren komponiert der unabhängige Musiker mit Wohnsitz in New York, aber auch einer großen Bindung zu Berlin, überwiegend ganz, ganz leise Stücke. Songs, die sich eher für Gedankenreisen eignen als für wilde Momente. Fast zwei Hand voll Alben hat Scott aufgenommen und sich mit seiner fragilen, sympathischen, introvertierten, androgynen Art und einer berührenden und doch souligen Falsettstimme einen Namen gemacht. Oft mit der Gitarre und der Ukulele unterm Arm zog er durch die schönsten Bühnen der Länder und überzeugte unter anderem Peter Plate, der ihn 2011 auf dem letzten Album seiner Band Rosenstolz als Feature für einen Song einlud. Ebenso wäre der Independent-Film „Shortbus“ ohne seine Lieder nur halb so beeindruckend gewesen. Auch wir haben uns schon von ihm live verzaubern lassen (lest HIER nochmal unseren Konzertbericht aus 2018).
Auf Adorned geht Scott Matthew einerseits auf Nummer sicher, andererseits überrascht er jedoch mit ungewohnten Klängen. Quasi das Unerwartete im Erwartbaren. Adorned sind zehn seiner bekanntesten Songs aus fünf Alben und elf Jahren Schaffen. Dabei beachtet er besonders seine beiden LPs „There Is An Ocean That Divides…“ und „Ode To Others“, die zusammen bereits sieben der zehn Titel ausmachen. Soweit so gewöhnlich. Allerdings handelt es sich nicht um ein schlichtes Copy and Paste, sondern um zwar etwas kurze, dafür aber äußerst aufregende 33 Minuten, bestehend aus ausschließlich neuen Versionen. Songs neuaufzunehmen ist ein alter Hut und bei etlichen Künstlern gegen die Wand gefahren. Doch hier ist dieses wenig kreative Konzept außergewöhnlich gelungen umgesetzt worden.
Wie bereits erwähnt, suhlt sich Scott gerne mal in Melancholie, fast schon in Depression. Auf Albumlänge schleppt sich der Zuhörer doch ab und an ein wenig durch. Dosiert ist das immer ganz vorzüglich und schmackhaft, in Massen aber etwas monoton. Wo sich die meisten Künstler bei dem Konzept dazu entscheiden, eine reduzierte Akustikversion zu machen, geht Scott nun den anderen Weg, sind seine Stücke ja bereits bis aufs Mark reduziert. Adorned probiert mutig, etwas kantig und nicht zu leicht zu sein und ist damit genau richtig. Scott mischt seinen minimalistischen Singer/Songwriter mit großen Streichern, tiefen Bläsern, viel Hall auf der Stimme, groovigen Jazz-Sounds und – obacht – sogar leichten Elektrobeats. Da wird einem fast schon schwindelig an Abwechslung im Matthew-Universe.
Unter die Tracklist mischen sich viele seiner beliebten Titel wie „Abandoned“, „This Here Defeat“, „The Wish“ und auch das durch Rosenstolz gesamplete „German“. Alle Songs wurden einer Frischzellenkur unterzogen und klingen überwiegend wirklich besser, weil etwas fordernder. Fans, die Scott am liebsten als Begleitung zum Rotwein hören, werden wohl weiterhin auf seine früheren Alben zurückgreifen – offene Zuhörer und auch Neuentdecker dürften aber Spaß daran haben, wenn „End Of Days“ mit einer sphärischen Underwater-Kulisse beginnt, „This Here Defeat“ als schwerer Walzer im Bond-Klang erstrahlt, leichter Fusion in „White Horse“ durchsickert und „The Wonder Of Falling In Love“ nach Chillout auf einer Frühlingswiese klingt. „Abandoned“ schielt dank Clapbeat ein wenig Richtung James Blake und London Grammar und ist echt ein Highlight für Dark-Pop-Fans.
Eine Kombination aus Remix-Album und Best Of. Scott Matthew macht erstmalig einen Spaziergang außerhalb seiner Comfort-Zone, der ihm dazu auch noch rundum gelingt, bleibt im Kern aber genug erkenntlich und verliert sich nicht. Große Anhänger dürfen also durchatmen und sollten demnach unbedingt reinhören. Aber das sollten auch noch ein paar mehr.
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