Kylie Minogue – Infinite DISCO, Streaming-Konzert, 07.11.2020

Corona macht nicht nur krank – es verändert auch die komplette Wirtschaft und beeinflusst erheblich die Kulturindustrie. Das sollte mittlerweile jede*r mitbekommen haben. Erinnert ihr euch noch, als Mitte März die ersten Konzerte und Shows abgesagt und manche davon knapp drei Monate nach hinten verschoben wurden? Ganze acht Monate später kann man darüber nur noch auf bittersüße Art lachen.

Viel besser sieht es im November 2020 also auch nicht aus. Trotzdem blieben die Veranstalter*innen nicht schmollend in der Ecke, sondern entwickelten unzählige Wege, um irgendwie doch Zuschauer*innen akquirieren zu können. Einiges wurde in Autokinogigs umgewandelt, anderes auf eine Minimalanzahl an Teilnehmer*innen reduziert, weiteres nach draußen verlegt. Letztendlich musste dennoch vieles seine Federn lassen und abermals spontan gecancelt werden. Peu à peu hat sich aber eine Methode herauskristallisiert, die man definitiv nicht kurzerhand umzuverlegen hat und zu jeder Corona-Hochphase risikofrei durchgeführt werden kann: die Streaming-Konzerte. Ganz praktisch von der heimeligen Couch, ob allein oder mit Freund*innen. Viele Künstler*innen promoten gerade in Form von Onlineshows ihr Albumrelease. Solche Veranstaltungen können äußerst unterschiedlich ausfallen. Wir möchten euch unsere Eindrücke am Beispiel der Infinite DISCO von Kylie Minogue schildern:

Über das Album haben wir vor wenigen Tagen bereits ausführlich berichtet (lest HIER nochmal unsere Review). Kylie ballert auf ihrem 15. Studioalbum 41 Minuten lang durch einen 70s-Club-Meets-2020s-Sounds-Mix und liefert zwar ein homogenes, grooviges Klangbild, aber auch nur wenige richtige catchy Hooks. Insgesamt dennoch eine recht solide Platte. Nur einen Tag nach dem Release, am Samstag, dem 07.11.2020, lädt die 52-jährige Australierin auf ihren virtuellen Dancefloor ein – und zwar weltweit, egal, wo man sich gerade so befindet. Das einmalige Event nennt sich Infinite DISCO und ist ausschließlich zu dem Termin abrufbar, für den man sich entscheidet. Möglich sind vier ausgewählte Zeitzonen, anfangend um 20 Uhr nach ostaustralischer Sommerzeit. Die letzte Option ist 19 Stunden später zur Pazifik Zeit, zur deutschen Primetime um 21 Uhr am Samstagabend geht’s sogar auch. Welcher Show man zuschauen mag, muss vorab mit einem Ticketkauf entschieden werden. Das gleicht in der Tat einem Konzert: wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben.

Wir schauen uns den ersten, verfügbaren Stream an, der bei uns in Deutschland morgens um 10 Uhr startet und passend das ausführliche Samstagsfrühstück untermalt. Zuständig ist das Eventunternehmen Dice, das einen nach einem erfolgreich eingegebenen Code frühestens eine halbe Stunde vor Start auf ein Youtube-Video weiterleitet, auf dem man letzten Endes bis drei Minuten nach 10 warten darf. Eine Verspätung, die wohl zu verschmerzen ist. Kurze Werbeeinblendung für exklusives Merch, dann geht’s ab.

Kylie präsentiert sich im abgedunkelten Raum. Ihre Silhouette macht wie eh und je einen vorzüglichen Eindruck. Als Opening fungiert die aktuelle Single „Magic“ in einer atmosphärischen, heruntergefahrenen Version, in der sich Snippets von „Come Into My World“ verloren haben. Danach sind aber Beats angesagt, die auch bis zum finalen Ton voll hochgefahren bleiben. Die Location, in der Infinite DISCO stattfindet, ist eine Kulisse, die einem Club ähnelt. In einigen Szenen ist Kylie allein, in vielen wird sie jedoch von gut zwei Händen voller Tänzer*innen unterstützt, die – so wie es sich für eine klassische LGBTQ-Ikone gehört – mal aus Mann & Frau-, dann mal aus Mann & Mann- und auch aus Frau & Frau-Konstellationen bestehen. In einigen Songs wird die Frau, die bereits über 80 Millionen Tonträger verkaufen konnte, von einem 8-köpfigen Chor unterstützt.

Jedes Lied, der 15 Tracks starken Setlist, wird ein wenig anders inszeniert. Bunt ausgeleuchtet, teilweise mit Stroboskopeffekten, ausnahmslos durchchoreografiert. Mühe wurde sich allemal gegeben. Trotzdem ist das Erlebnis am Ende des Tages ein wenig wie ein McDonalds-Menü. Schmeckt ganz gut, macht aber maximal eine Stunde satt. Zunächst fällt negativ ins Gewicht, dass der Gesang arg bearbeitet wurde. Vieles klingt nach Studioversion, über die Kylie ein wenig drüber singt. Eindeutig vorabaufgenommen oder zu feingeschliffen. Dass Frau Minogue singen kann, ist in genügend Videos zu sehen – da wäre hier eindeutig mehr gegangen. Gleiches gilt für das Bildmaterial, das ebenso vorab aufgezeichnet und professionell geschnitten wurde. Nach dem Beenden eines Songs, dauert es nur wenige Sekunden bis der neue beginnt. Ein Kameraschwenk und die Szenerie ist ausgetauscht. Schade. Auch hier wäre ein One-Take wünschenswert gewesen, um eben mehr Liveatmosphäre zu kreieren. Dass kein Publikum vor Ort ist, ist zwar vorherzusehen, aber auch ein wenig befremdlich, da Kylie und ihre Crew eben für die Kameras performen und nicht für Menschen.

Positiv hervorzuheben ist neben der sich immer noch toll bewegenden und nett aussehenden Akteurin das Arrangement der Titel. Knapp Zweidrittel der Setlist besteht aus Songs von dem gerade erschienenen DISCO, was bei einem Promo-Auftritt auch völlig ok so ist. Auch hier fällt die Hitqualität von „Say Something“ (eine Aufzeichnung findet ihr am Ende des Berichts) auf, „Where Does The DJ Go“ und „Monday Blues“ sind ebenso mit der Lebensfreude und einfach immer überzeugenden Energie der Sympathieträgerin Kylie weitere Höhepunkte. Aus dem Klassikermaterial ist mit „In Your Eyes“, „All The Lovers“, „Love At First Sight“ und „Slow“ eine gute Auswahl getroffen wurden. Jeder der Kylie-All-Time-Favorites ist in ein an dem Album orientiertes Gewand gepackt und macht aus der Show besonders fürs Ohr eine runde Sache. Vieles geht nahtlos ineinander über und unterstreicht das niemals enden wollende Disco-Feeling.

50 Minuten später ist dann der Spaß auch schon vorbei. Ein kleines Tschüss und Auf Wiedersehen im Abschluss „Magic“ und die Credits laufen. Eine persönliche Ansage, die sich direkt an die Zuschauer*innen wendet, fehlt gänzlich. Irgendwie hat man das Gefühl eine Musikclip-DVD geguckt zu haben. 15 Musikvideos, die sich aneinanderreihen und in der gleichen, hübschen Disse-Kulisse gefilmt wurden. Das wäre als Zugabe auf dem aktuellen Album auch ein schicker Fanbonus gewesen, aber als einmaliger Stream für knapp 20€ von den deutschen Liebhaber*innen? Well…

Wie man für sich die Wertigkeit dieser Infinite DISCO beurteilt, ist eine Frage der Sichtweise. Keinesfalls lässt sich ein derartiges Konzept mit einem Liveerlebnis in einer Konzerthalle vergleichen. Das war aber vorab klar. Wenn jedoch eigentlich kein richtiges Konzert gezeigt wird, sondern stattdessen ein Halbplayback mit hübschen Outfits und Tanzeinlagen, das aber eben einem mittelprächtig gelungenen Musikclip ohne allzu dickes Budget und Rücksichtnahme auf die Leute vor den Bildschirmen gleicht, ist die Motivation aufzustehen und mitzumachen überschaubar, dafür die Verlockung nebenbei etwas anderes zu machen groß. Etwas mehr Individualität, Eventcharakter und Nahbarkeit in der Umsetzung hätte der Infinite DISCO nicht geschadet. Da wäre mehr drin gewesen.

Aber das Ganze steckt ja noch in den Kinderschuhen. Wer weiß, wann Kylie das nächste Mal auf einer ihr würdigen Bühne stehen wird. 2021? 2022? Bis dahin lässt sich bestimmt noch an der lieb gemeinten Idee, aber etwas ernüchternden Umsetzung feilen. Ist so eine Veranstaltung immer noch besser als gar nichts? Vielleicht sogar eine zukunftsorientierte Alternative auf Dauer? Was meint ihr? Wir sind zwiegespalten.

Und so sah das aus:

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2 Kommentare zu „Kylie Minogue – Infinite DISCO, Streaming-Konzert, 07.11.2020“

  1. Danke fur diese Rezension, die jedoch einige Fehler enthält.
    Erstens wurden am Ende persönliche Worte an die Zuschauer gerichtet, zweitens kostete der Stream 17,50 € und nicht Knapp 30. Und das fehlende Publikum zu kritisieren, halte ich in Pandemie-Zeiten für unangebracht.

    Ich persönlich fand’s mega – besonders auch die Licht- und Lasershow (die hier mit keinem Wort erwähnt wird) und natürlich Kylie’s einmalige Bühnenpräsenz. Ein galaktischer Lichtblick in diesen düsteren Zeiten.

    1. Hey Jan 🙂 Danke für dein Feedback!

      Die Worte am Ende habe ich erwähnt. Finde ich aber trotzdem entschieden zu wenig. Eine “richtige” Ansage ohne Musik im Hintergrund, die vielleicht auch eine Minute gegangen wäre, wäre schön gewesen.
      Gut, dass du das mit den Kosten erwähnst. Ich habe nicht alle Preise einsehen können, in manchen Ländern war der Stream aber definitiv teurer.
      So oder so – schön, dass du es genossen hast! Schlecht fand ich’s auch nicht, aber eben nur naja…
      Das haben andere Künstler*innen mit einem Streamkonzert schon etwas besser hinbekommen.

      Viele Grüße & bleib gesund
      Christopher

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