Eigentlich entstehen Regenbögen ja da, wo Sonne und Regen aufeinandertreffen. In der Popkultur hat sich das Naturphänomen derweil längst als Symbol für die LGBTQ*-Community etabliert. Wenn Slothrust nun für ihr fünftes (!) Studioalbum eine quietschend grelle Welt inklusive dem gestreifen Luftspektakel und Luftblasen erschaffen, wirkt das wie ein deutliches Statement. Aber auch wie eins, das doch einige Fragezeichen hinterlässt – bunte, grelle Farben für die Band, die auf “The Pact” zuletzt mit ziemlich abgeklärter Pose gen Empowerment gestiefelt sind? Für die Band, deren Konzerte von Gitarrensoli und impulsiven Soundwechseln getragen werden? Ja, der Lockdown scheint seine Spuren bei Leah Wellbaum und ihren Mitstreitern hinterlassen zu haben. Die zeigen sich aber deutlich anders, als das Cover vermuten lässt.
Von fremden Welten und alten Ufern
Wellbaum selbst begab sich im Schreibprozess für diese Platte bewusst auf Abwege der Realität. Dorthin, wo die Fantasie uns alle in Kindertagen noch öfter hingeführt hatte. So weit erstmal eine plausible Hintergrundgeschichte für das Farbspektakel von Albumcover. Im Sound der zehn Stücke findet sich diese bizarre Gedankenreise aber weniger – auch wenn Titel wie “Strange Astrology” oder “White Rabbits” etwas Esoterik andeuten. Im Vergleich zum Vorgänger fällt auf: Slothrust sind ruhig. Sehr ruhig sogar! Abgesehen vom lässigen 90er Throwback-Sound in “Once More For the Ocean” und dem gigantischen Gitarrensolo von “The Next Curse”, bei dem Lizzy Hale mithilft, dominiert zarte Akustik-Atmosphäre den Raum. Dem Versprechen, ihren bisherigen Sound zu erweitern, macht das Trio dafür auf eine behutsame Art wahr.
Soft-Core in den Gefühlstaumel
“I don’t wanna be addicted to the noise, but when it goes I wanna die” singt Leah Wellbaum mit ihrem Gänsehaut-Serum von Stimme im Opener “Cranium”. Als Zuhörer*in fragt man sich: Ja, warum dann aber so eine absolut nicht noisige Neuausrichtung? Aber das schert Slothrust wenig, lieber lassen sie Black Foxxes-würdige Synthies im Hintergrund wabern. Wabern ist sowieso das Stichwort, denn auf “Parallel Timeline” pluckert und fasert es immer irgendwo herum. Das ist mal elektronisch, wie in “Courtesy”, mal von anmutigen Streichern getragen wie in “Strange Astrology”, das Wellbaum ihrer Partnerin gewidmet hat. Und natürlich dürfen auch sie auf einem ruhigen Album nicht fehlen: Die guten alten Hintergrundchöre (“A Giant Swallow”). Das ist auf Albumlänge alles deutlich weniger aufregend als noch die Vorgänger, aber man möchte Wellbaum trotzdem den lieben langen Tag dabei zuhören, wie sie solche tief betrübten Metaphern wie “I could swallow the whole cage rusting inside me” intoniert. “Parallel Timeline” fühlt sich deswegen vor allem an wie eine kohärente Seelenreise, die aber die Farbintensität des Covers deutlich herunterschraubt. Doch wo Kummer, Angst und ganz unkitschige Liebe aufeinandertreffen, entsteht eben – na ihr wisst schon. Und Queer ist die Platte natürlich auch – also Regenbogentest bestanden!
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