So wirklich nach „Groll“, also nach unter der Oberfläche brodelndem Zorn, mag das Debüt von WEIL nicht klingen. Dafür sind die ersten musikalischen Schritte von Anton Weil – einigen eventuell bereits als Theater- oder Filmschauspieler bekannt – vielerorts zu melancholisch. Von Verbitterung getriebenen Ärger sucht man in den zehn Titeln zumeist vergeblich.
Kaum ein Moment könnte weniger Verbitterung in sich tragen als die Bridge von „Das Wetter“. Weil‘s Stimme, hier auf dem Kipppunkt zum Brechen tänzelnd, liegt ganz dicht am Ohr, klingt so als würde er seine zwiespältigen Gefühle tief in die Gehörgänge diktieren. Es geht um den Verlust der eigenen Mutter an die Teufelskrankheit Krebs. Und die Frage, ob es doch noch einen Weg zur Heilung gegeben hätte, hätte man sie zur Fortführung der Chemotherapie gedrängt. Die eigentlich unaussprechlichen Gedankenstränge – zu Beginn stoppt sich der 32-Jährige noch mitten im Satz selbst – jedoch transportieren trotz des Was-Wäre-Wenn-Szenarios vor allem eines: Das Gefühl einen Menschen unendlich doll zu vermissen. Dabei überwiegt des nahbaren Vortrags wegen tiefe Trauer die Wut.
Intensiver und besser wird „Groll“ anderorts nicht mehr. Doch das muss es auch nicht, denn die Latte liegt auch so hoch. Und die gefühligen Eigenreflexionen sitzen. „In meinem Kopf“ etwa zeichnet über herbstliches Piano Gastspiele ungebetener Geister im Spukhaus Kopf. „Zu Ende“ schießt Schnappschüsse einer kriselnden Beziehung. „Chaos“ begibt sich auf cineastischem Dystopie-Versatzstück auf die Suche nach angenehmer emotionaler Unordnung und Unruhe. Und „On My Way“ ist ein Stück über den Wunsch den richtigen Weg zu finden – ein bisschen kitschig, zu Beginn nahbar skizzenhaft, aber immer total schön.
WEIL vertont auf seinem Musik-Debüt jedoch nicht ausschließlich lebendig gewordene Dramen. „Fühle“ etwa trägt eine manische Euphorie in sich, die auch die eng-geschnürten Drums und verwaschenen Loops transportieren. Und auch „1000 €uro“, ein Rap-Track über Geld, kann und möchte trotz seiner ungewöhnlichen Perspektive mehr Turnup als Feuerzeug-Moment sein.
Umso tiefer WEIL in sich geht, findet er dann doch noch etwas Frustration in sich. „2. Mai“ wirft bedeutsame Fragen auf: Was bewegt politischer Aktivismus? Und ist es überhaupt möglich aus einem System auszubrechen, das gelernt hat sich immer wieder selbst zu reproduzieren? Der Titelzusatz „Alles bleibt gleich“ schon deutet WEILs eindeutige Antwort an: „Egal wieviel Flaschen wir auch schmeißen – es ändert nichts“. Na gut, da kann man schon mal Ärger schieben. In der Form bleibt die Haltung eine Ausnahme.
So wirklich in den gerade noch zumeist spätsommerlich-himmelblauen September möchte „Groll“ sich also nicht fügen. Ähnlich Wegbereitern wie Trettmann oder Schmyt passen die oft reduziert-skizzenhaften Instrumentals der Tracks sowie die oft in Effekte gelegte Stimme eigentlich perfekt in grau-braune Herbstlaub-Umgebungen. Wirklich lange wird es glücklicherweise nicht mehr dauern, bis die Bäume ihr braun gewordenes Laub gen Boden schmeißen. Und es ist ganz klar, was den Soundtrack dazu bilden wird – auch ganz ohne Wut.
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