Erinnert ihr euch noch an das erste Lied, das ihr von Billie Eilish gehört habt? Dieses Gefühl, etwas völlig Neuartiges in eure Gehörgänge eindringen zu spüren, das Bewusstsein, eine neue Ära zu betreten? So etwas schaffen nur wenige Künstler*innen – und vor allem ist dieser eine Moment meist schon beim zweiten Album verpufft. Klar, Superorganism haben für das internationale Musikgeschehen ungefähr 1/100 der Strahlkraft einer Eilish, aber der Sound ihres Debüts “Superorganism” war 2018 trotzdem ein erfrischendes Erlebnis in Zeiten immergleicher Spotify-Klänge. Nun kommt der Nachfolger “World Wide Pop”, nachdem sich die Welt in eine völlig andere verändert hat – und die Begeisterung ist anders als noch beim ersten.
Everything Everywhere All At Once
Geht es in diesem Film eigentlich um die Musik von Superorganism? Wer in den Songs der Band auch nur einen Zeitraum von fünf Sekunden ohne die komplette Reizüberflutung findet, bekommt einen Ehrenorden. Denn genau das hat sich in den letzten Jahren nicht geändert – Superorganism machen immer noch Musik, die viele als anstrengend, wenig zugänglich, sperrig bezeichnen würden. Und vielleicht sogar als albern. Aber sie ist eben auch originell, anders und auf einer ganz abstrusen Ebene verdammt melodisch. Gestartet war das Projekt vor mittlerweile fünf Jahren von acht Musiker*innen, die sich im Internet zusammentaten, um das erste Album zusammenzuzimmern. Es folgte eine kleine aber feine Tour, ein Lockdown – und nun sind nur noch fünf übrig. Macht aber nichts, dann holen sich Orono, Harry, Tucan, B und Soul eben ein paar Gäste an Bord.
Gemeinsam gegen den Abgrund tanzen
Bei vier Songs bekommen die Multiintrumentalist*innen Unterstützung – und die haben es auch alle in sich. “It’s Raining” mit Dylan Cartlidge und Stephen Malkmus etwa taucht in pointierte Hip-Hop-Vibes, bei “Into The Sun” mit Malkmus, Pi Ja Ma und Gen Hoshino fühlt man sich wie auf dem sanftesten Trip ever – und “Teenager” mit CHAI und Pi Ja Ma bringt knallbunte K-Pop-Geburtstags-Töne aufs Parkett. Und von allem dann bitte der absolute Superlativ. Klar, man muss Superorganism wollen und “World Wide Pop” ist vielleicht sogar noch anstrengender als das Debüt. Aber wenn die Band mit “And all the aliens jump” bei “World Wide Pop” zur intergalaktischen Party einlädt und dabei so viel Spielfreude, Weirdness und Enthusiasmus an den Tag legt, ist doch eigentlich alles gut. “Black Hole Baby” mag mit seinen extremen Glitches etwas zu unruhig sein, beim zurückgelehnten “Oh Come On” oder dem hymnenhaften “Don’t Let The Colony Collapse” klappt das schon viel besser.
Und dann gibt es noch zwei Gründe, warum “World Wide Pop” ein ziemlich gelungener Nachfolger ist: Im prägnanten “Flying” schwingt sich plötzlich ein smoothes Saxophon nach vorne – und das große Finale “Everything Falls Apart” ist überraschenderweise ein echter, fast schon analoge Indie-Gänsehaut-Moment. Da singen die Chöre nämlich gemeinsam “Everything falls apart except for us” und ob sie nun das Mikro-, Makro- oder gesamte Universum meinen, ist dann eigentlich auch egal. Mit dieser Platte tanzt man gegen die unfassbarsten Zeiten an.
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