Stellt man sich die Hörer*innen unterschiedlicher Musikgenres vor, so denkt man oft direkt an einige klischeehafte Bilder: Heavy Metal Fans in Jeans-Kutten, Country-Hörer*innen mit Cowboyboots oder schwarzer Eyeliner bei Gothic-Shows. Aber wie stellt man sich die Hörer*innen von Singer/Songwriter-Musik vor? Was für ein Typ Mensch ist man, wenn man Künstler*innen hört, die mit Gitarre oder Klavier und einer außergewöhnlichen Stimme überzeugen?
In meiner Vorstellung sind es vor allem junge Mädchen und Frauen, die gerne spazieren, picknicken oder kreativen Hobbys nachgehen, zeichnen und gerne romantische Bücher lesen. Und tatsächlich war es genau diese Art von klischeehaften Fans, die Alex Warren unerwarteterweise über Nacht zum Erfolg brachte. Denn ja, zu den Fans von Singer/Songwriter-Musik zählen tatsächlich auch Leserinnen – und diese Leserinnen assoziierten seine neueste Single auf Social Media sogleich mit einer der aktuell größten und gehyptesten Romantasy-Buchreihen der letzten Jahre. Kein Song beschrieb für sie die Liebesgeschichte zwischen den zwei Hauptcharakteren Violet und Xaden im spannenden Drachen-Epos “Fourth Wing” so perfekt wie Alex Warrens Song “Ordinary”.
Ob auch die restlichen Songs des 24-jährigen Amerikaners so gefühlvoll und episch klingen, haben wir versucht beim Konzert des Sängers am 16.03.2025 im Kölner E-Werk herauszufinden.
Zumindest in einem Punkt lagen wir richtig: Fans von Singer/Songwritern – oder in diesem speziellen Fall Fans von Alex Warren – sind tatsächlich überwiegend weiblich. Doch der restliche Abend verlief tatsächlich ganz anders als erwartet. Zunächst eröffnete Support Act und TikToker Michael Sanzone den Abend und performte eine Mischung seiner Pop-Songs, die leider nicht immer ganz so live zu sein schien.
Im Anschluss trat Alex Warren auf die Bühne, die mit gemütlichen Sofas dekoriert war, und startete sein Set mit dem gefühlvollen Opener “Burning Down”. Dieser Song, den er gemeinsam mit Joe Jonas von den Jonas Brothers veröffentlicht hatte, hatte dafür gesorgt, dass Alex erstmals größere mediale Aufmerksamkeit erhalten hatte. Schnell stellte sich heraus, dass der Hype um Alex Warren aber auch mehr als gerechtfertigt ist. Mit seiner warmen, leicht rauen Stimme gelang es ihm, sämtliche Emotionen in den Raum zu transportieren und die Menge in seinen Bann zu ziehen.
Das Überraschende waren dann aber die Ansagen zwischen den Songs. Diese waren durchweg humorvoll und zeugten von einer beeindruckenden Publikumsnähe. Alex interagierte lebhaft mit den Fans, las zahlreiche, selbstgebastelte Schilder vor (“If you want another dog, I can bark.”) und witzelte, ohne den Faden zum nächsten, ernsten Song zu verlieren. Ein Beispiel: “Speaking of friends, the next song is about my dead parents.” Seine aktuelle Tour trägt den Titel “Cheaper Than Therapy”, doch an diesem Abend musste Alex lernen, dass Therapie in Deutschland kostenlos ist und versprach, seinen Tournamen künftig nochmal zu überdenken. In seinem Interaktionsstil erinnerte er an die Bühnenpräsenz von Lewis Capaldi und musste sich auch von seinen Gesangsqualitäten her nicht vor dem berühmten Singer-/Songwriter verstecken.
Ehrlicherweise stellten die hektischen, humorvollen Ansagen den musikalischen Teil des Abends ein wenig in den Hintergrund. Das große Highlight des Abends war dann aber selbstverständlich der Song “Ordinary”, der für Alex den Durchbruch bedeutet hatte und den die Fans im Kölner E-Werk begeistert mitsangen. Generell zeigte das Publikum den ganzen Abend über eine bemerkenswerte Textsicherheit. Bei einem neuen, unveröffentlichten Song holte Alex sogar drei weibliche Fans aus dem Publikum auf die Bühne, die auf einem Schild geschrieben hatten, sie würden dazu gerne mit ihm tanzen. Dieses süße kleine Highlight verdeutlichte einmal mehr, wie große Verbindungen – auch unter Fans – bei Konzerten geschaffen werden können.
Seine stimmliche Performance blieb durchweg stabil, die Töne saßen, und trotz der lebhaften Publikumsinteraktionen nahm man ihm seine emotionalen Texte ab. Alex Warren strahlte eine unglaubliche Authentizität aus, die den ganzen Abend über spürbar war. Die Geschichte des Sängers, die wir an diesem Abend erfuhren, macht seinen Erfolg umso bemerkenswerter: er hatte in der Vergangenheit mit Obdachlosigkeit gekämpft und seine Eltern verloren. Seinen neu gewonnenen Erfolg gönnen wir ihm daher erst Recht von ganzem Herzen!
Entsprach das Konzert meiner klischeehaften Vorstellung von einer Singer-/Songwriter-Show? Nein, absolut nicht. Konnte uns Alex Warren dennoch überzeugen? Ganz klar – absolut!
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