Metallica – S&M2

Metallica - S&m2

Knappe 21 Jahre nachdem die wohl erfolgreichste Metal-Band der Welt ein bei ihrer Hörerschaft durchaus umstrittenes Kollaborationsalbum mit dem San Fransisco Symphony Orchestra veröffentlicht hat, wagen sie das gleiche Unterfangen erneut. „S&M“ hat die Gemüter gespalten, Metallica aber auch eine Vorreiter Rolle in Sachen bombastischer Heavy-Metal-Inszenierung verschafft veröffentlicht hat. „S&M2“ wurde am sechsten und achten September 2019 vor Publikum aufgenommen und lief bereits in Kinos auf der ganzen Welt. Einige Fragen tun sich schon auf, wenn Metallica zwei Dekaden nach dem Erscheinen von „S&M“, sich praktisch an dem gleichen Unterfangen noch einmal versuchen. Wollen sie sich selbst oder ihren Fans etwas beweisen? Sind sie unzufrieden mit dem ursprünglichen Ergebnis? Oder sind Metallica einfach hungrig, sich selbst immer wieder neuen Herausforderungen auszusetzen?

Womöglich haben sie in den vergangenen zwei Dekaden genügend Ideen gesammelt und Songs geschrieben, welche sie einfach mit Unterstützung eines Orchesters umsetzen wollen. Das Ergebnis braucht sich jedenfalls nicht zu verstecken und steckt voller Leidenschaft, Spielfreude und Ehrfurcht. Um es mit den Worten von James Hetfield zu sagen: „Welcome Friends, to S&M2“.

Wenn die Chemie stimmt

Klassischerweise startet „S&M2“ mit Ennio Moricones unerreichtem „The Ecstasy Of Gold”. Was darauf folgt ist eine Setlist, welche sich queer durch Metallicas Studioalben zieht und klassische Stücke der beiden russischen Komponisten Sergei Sergejewitsch Prokofjew und Alexander Mosolov miteinbezieht. Ältere Stücke der Band werden neueren gegenüber nicht bevorzugt, was für ein Liveset von Metallica durchaus ungewöhnlich ist. Wie auf „S&M“ von 1999 ist auch auf ihrer aktuellen Veröffentlichung „The Call Of Ktulu“ der erste reguläre Metallica Song. Weshalb sie sich erneut dagegen entschieden haben, das Set mit „Battery“ oder „Blackened“ zu eröffnen, bleibt ungeklärt, da diese Stücke zu den wohl intensivsten Intros im Heavy Metal überhaupt gehören. Generell fehlen viele Klassiker der Band-Geschichte, was sich als Wermutstropfen entpuppt, dem Album an sich aber nicht schadet.

Musikalisch bewegt sich „S&M2“ mit Ausnahmen auf einem hohen Level. Lars Ulrichs Arbeit am Schlagzeug wirkt überraschend organisch, teilweise aber auch sehr uninspiriert. Kirk Hammet und Robert Trujillo spielen gewohnt souverän und erlauben sich keine Fehler. Am beeindruckendsten ist jedoch James Hetfields gesangliche Leistung. Auch das Orchester gibt sich gekonnt. Selbstverständlich, sind ja Profis. Die Harmonie zwischen Band und Ensemble ist auf „S&M2“ so viel eingespielter und sicherer, als auf seinem großen Bruder. Gelegentlich dominiert Trash Metal das Album, manchmal haben Streich- oder Blasinstrumente ihren großen Auftritt.

Ehrgeiz und die richtigen Arrangements

Band und Orchester lassen sich gegenseitig genug Freiräume. Immer wieder entstehen nahtlose Symbiosen aus Metal und klassischer Musik, die ganz ohne Fremdscham daherkommen. Sie sind so viel besonnener, als auf dem über zwei Dekaden alten „S&M“. Ihre gemeinsame Interpretation von Mosolovs „The Iron Foundry“ steht Pate, für die wunderbare Fusion von Metallica und Ensemble.

Das Orchester lässt viele Stücke in neuem Glanz aufleben: Das Intro von „The Day That Never Comes“ hat noch nie so anmutig geklungen. „One“ und „The Unforgiven III“ profitieren durch eine von dem bombastischen Arrangement hervorgebrachte dichte Atmosphäre. Im Gedenken an Cliff Burton wird „(Anthesia) – Pulling Teeth“ auf dem Cello wiedergegeben und sorgt für den ehrfürchtigsten Moment des Albums. Besonders energisch wirkt „Wherever I May Roam“. Andere Songs hingegen wirken aufgeblasen und kitschig. „Nothing Else Matters“ verliert durch zu viele klassische Elemente seine besinnliche Natur. Ausgerechnet in diesem Stück knickt Hetfields Stimme immer wieder ein, welche sonst so eindrucksvoll auf der Platte ist. Wenn die anwesenden Fans gegen Schluss des Songs den Refrain aus voller Seele mitsingen, ist aber auch dieser kleine Patzer schnell überhört. Sowieso hat es das Album unfassbar gut geschafft, die Live-Atmosphäre seiner Aufnahme einzufangen.

Balance, Bravour und Bares

Die Zeiten, in welchen Metallica sich (versehentlich) zahllose kreative Fehltritte und musikalische Eskapaden erlauben und regelmäßig den Zorn ihrer Hörerschaft auf sich ziehen, sind lange vorbei. Ihre letzten beiden regulären Studioalbum lassen sich als durchaus solide betrachten und Lulu hat sich scheinbar aufgrund fehlender Relevanz von selbst aus dem kollektiven Menschheitsgedächtnis gelöscht. Warum versuchen sie also nochmal ihr Glück mit dem San Francisco Symphony Orchestra? Von Sellout kann nicht die Rede sein, Metallica haben seit Jahrzehnten ausgesorgt. Kurioserweise chartete ihr 1991 erschienener Meilenstein, das „Black Album“, kürzlich wieder in den Billboard-Top-200.

Entweder möchten sie etwas beweisen, sich selbst oder ihren Fans. Oder es ist die Leidenschaft, die künstlerische Ader, welche immer noch in ihnen schlummert. Der Autor des Textes tippt auf letzeres. „S&M2“ ist nicht perfekt, warum sollte es das auch sein? Es hat genügend Stärken und die Höhen und Tiefen lassen es erst zu einem hörenswerten Erlebnis werden. Nahezu alle Fehler, welche sich auf dem ersten Kollaborationsalbum von Metallica und dem San Francisco Symphony Orchestra finden lassen, sind hier ausgemerzt. Als größte Stärke der Platte kristallisiert sich schnell die wunderbare Balance zwischen Band und Ensemble heraus. Auch SkeptikerInnen sollten dem Album eine Chance geben, da Metallica Fehltritte, welche sie in der Vergangenheit unternommen haben, hier vermeiden.

Das Album ist hier erhältlich.*

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Die Rechte am Albumcover liegen bei EMI/Universal.

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