Interview mit FJØRT über „Grand Hotel Van Cleef“ und Massentauglichkeit!

Interview mit FJØRT!

Wir haben uns vor ihrer ausverkauften Show im BLA in Bonn mit der Aachener Post-Hardcore-Truppe FJØRT getroffen, um bei vegetarischem Burger und Pommes über den Labelwechsel, ihre Liebe zu Philipp Poisel und die Offenheit der musikalischen Zukunft ihrer Band zu quatschen. Vor allem Christian Hell (Gitarre, Gesang) und David Frings (Bass, Gesang) standen uns hier Frage und Antwort.

minutenmusik: Ihr seid seit Freitag auf Tour zu eurem zweiten Album „Kontakt“. Wie lief das bis jetzt so?

Chris: Es war bisher auf jeden Fall sehr sehr schön und hat super viel Bock gemacht! Wir hatten bis jetzt zwei Shows – heute ist die Dritte in Bonn, was auch ausverkauft ist. Das ist natürlich großartig. Heute soll es auch extrem heiß und eng werden. Gestern waren wir in unserer Heimat Aachen, wo wir auch echt von den Reaktionen der Leute überwältigt wurden. Damit hatten wir nicht gerechnet. Insgesamt sind wir sehr sehr happy… und fit! (lacht)

minutenmusik: Schön! Seit dem neuen Album seid ihr bei einem neuen Label unter Vertrag, nämlich „Grand Hotel van Cleef“, was ein wenig größer als eurer voriges Label „This Charming Man“ ist. Merkt ihr da große Unterschiede – vielleicht mehr Druck?

David: Grand Hotel ist ja nach wie vor immer noch ein Independent Label. Zustande kam das alles über die neue Platte, die im Januar erschienen ist. Man merkt bei einem Labelwechsel schon, dass je nachdem wie viel Aura das Label hat Leute auf einen aufmerksam werden, die einen sonst nicht auf dem Schirm haben. Kleinere Bands sagen ja oft, dass man ein dickes Label haben muss, damit das funktioniert. Das muss man finde Ich als Band selber über seine Musik schaffen. So ein Label ist dann natürlich immer ein schöner Multiplikator, der deine Musik dann nochmal an Blogs und Zeitschriften schickt, wodurch das alles wächst. Da hat Grand Hotel wirklich einen mega Job für uns gemacht. Die haben dafür natürlich aber auch die Leute – sowas kostet viel Zeit. Man hat uns damals gesagt, dass man Bock hat uns ein wenig mit aufzubauen, was auch funktioniert hat. Das war schön.

minutenmusik: Wie sieht das mit dem auf Tour gehen aus? Früher seid ihr ja schon sehr nach der Do-It-Yourself-Mentalität herumgereist. Hat sich da viel geändert?

David: Die Booking-Agentur, bei der wir sind, hatten wir vor dem Labelwechsel schon. Wir touren auch immer noch DIY-mäßig. Die ganze Band hat eben beispielsweise das Equipment rein und raus getragen. Das machen wir schon noch. Wir haben aber Sachen outgesourced, die uns daran gehindert haben Musik zu machen. Dafür haben wir sehr viel Zeit gebraucht. Den Booker Roman Pitone kannten wir schon länger über die Visions. Der hat dann in eine Booking Agentur gewechselt und uns gesagt, dass er das gerne für uns machen würde. Uns war da nur wichtig, dass es weiterhin günstig bleibt, dass man gewisse Veranstaltungen einfach nicht spielt und nicht über Teufel komm raus diese Band überall zu positionieren. Da macht der Roman einen tollen Job. Wir können unsere Musik machen und er erleichtert uns vieles.

minutenmusik: Achtung – Kontroverses Statement! Man könnte sagen, dass Ihr mit eurem aktuellsten Album schon massentauglicher vom Sound geworden seid, weil die Platte fetter produziert ist und ihr öfter clean singt. Könnt ihr schon sagen, wie FJØRT sich soundmäßig weiterentwickeln wird? Gibt es da jetzt einen Bruch oder wagt ihr vielleicht den Schritt zum Shoegaze, wie viele Post-Hardcore-Bands?

Chris: Shoegaze? Das ist aber verrückt!

minutenmusik: Title Fight haben das ja beispielsweise gewagt!

Chris: Grundsätzlich können wir überhaupt nicht sagen, was wir auf dem nächsten Album machen, weil wir einfach immer sehr viele Einflüsse zulassen und auch Bock haben auch neue Dinge zu machen. Das heißt nicht, dass da jetzt schon ein Plan hinter steckt, sondern, dass man sich halt einfach immer weiter entwickelt. Manchmal denkt man sich auch „Geil! Sowas würde Ich auch mal gerne machen!“. Das soll für uns alles möglichst offen und frei sein. Ich möchte mich da in keiner Weise beschränken. Den Begriff Massentauglichkeit ziehst du bei den Clean-Vocals wahrscheinlich daher, dass ich bei dem Album darauf geachtet habe, dass man die Worte, die Ich singe, auch gut versteht. Das war vorher immer ein bisschen zu viel und ein bisschen matschig. Wenn Ich schon so viel Mühe und Liebe in diese Texte stecke möchte Ich auch, dass man versteht, was Ich da singe. Das ist vielleicht ein großer Punkt, der auf diesem Album anders ist, als vorher, was vermutlich ein paar mehr Leute verstehen und somit auch erreicht.

minutenmusik: Ich habe letztens ein Interview mit der britischen Hardcore-Band Departures geführt. Da meinte der Bassist, dass man als Hardcore-Band nur mit Clean-Vocals richtig groß werden und Erfolg haben kann. Seht ihr das auch so?

David: Ich möchte jetzt keinen degradieren, aber das halte Ich für Schwachsinn. Natürlich ist es leichter einen Pop-Song à la Clueso zu schreiben und das über eine große Agentur zu pushen. Die Leute sind das einfach gewohnt – diese Musik kennen die. Bei unserer Musik ist immer noch etwas befremdliches dabei. Ich hab gestern in Aachen noch ein lustiges Gespräch mit einem älteren Mann nach der Show gehabt. Der meinte, dass er überhaupt nicht auf das Geschrei klargekommen sei, als er sich die Platte das erste Mal angehört hat, die Melodien aber wunderschön fand. Dann habe er sie ein zweites mal gehört und erst verstanden warum das so sei und feiere es jetzt. Man muss diesen Schrei-Korken also erstmal überspringen. Erfolg ist auch so eine Sache. Was ist Erfolg? Für uns ist Erfolg, dass wir so einen Laden wie das BLA vollmachen. Oder so ein Abend wie gestern in Aachen, wo so unfassbar viele Leute gekommen sind und unsere Songs feiern. Das sieht man dann als äußeren Erfolg. Für uns ist es auch ein Erfolg einen geilen Song zu schreiben, wenn auch ein innerer Erfolg. Wenn man sagt „Ich brauche jetzt da cleane Vocals oder ein Orchester“, damit andere das hören, dann verarscht man sich irgendwie auch selber. Wenn es passt, ist das ok, aber man muss das selbst wollen. Vielleicht machen wir auf der nächsten Platte ja auch nur noch Akustik-Zupfen oder so. Ich weiß nicht, worauf wir Bock haben. Aber wir werden uns auf gar keinen Fall an Parameter richten. Wenn einem dann die nächste Platte nicht gefällt, dann ist das halt so. Es gibt so viele Bands, die man stattdessen hören kann. Wir versuchen es auf gar keinen Fall es jemandem Recht zu machen.

minutenmusik: Das ist eine gute Einstellung! Chris, du hast jetzt eben schon die Einflüsse erwähnt. Was würdet Ihr so als euren schrägsten musikalischen Einfluss sehen, der vielleicht auch gar nichts mit Post-Hardcore zu tun hat?

Chris: Es gibt diesen Alexander Marcus… ne Spaß! Im Tourbus läuft auf jeden Fall keine Musik mit Breakdowns. Da läuft dann eher so Philipp Poisel.

David: Frank und Ich sind große Philipp Poisel Fans! Das hören wir gerne. Sonst läuft bei uns immer ein Mischmasch aus Allem.

Chris: Wirklich alles mögliche. Das muss auch nicht nur auf Gitarrenmusik ausgelegt sein. Wir ziehen uns auch gerne gute Hip-Hop-Musik oder auch elektronische Sachen rein. Es gibt überall Perlen und Musik ist ein echt breites Feld. Das ist, wie David schon meinte, auch ein bisschen wie eine Krankheit, dass man sich vor irgendwelchen Sachen verschließt, weil es ein anderes Genre ist. Ich finde es gibt in jedem Genre, wenn man sich drauf einlässt, bisschen was draus zu ziehen.

minutenmusik: Ihr habt vor paar Jahren im Interview mit meinem Kollegen Melvin mal gesagt, dass das Reeperbahnfestival eines eurer Highlights des Sommers war. Dieses Jahr habt ihr erneut dort gespielt. Konnte das mit dem letzten mal mithalten?

David: Das erste mal war das halt so „Krass wir dürfen das Reeperbahnfestival spielen!“. Das war dann in einem kleinen Club, dem Rockcafe St. Pauli – 150 Mann Fassung – als erste Band um 18 Uhr. Das war krass – dieses dabei sein. Als wir dieses Jahr gefragt wurden, war das das Grünspan. Das ist ein fucking 900er Laden. Dann auch noch um kurz vor 12, der WDR Rockpalast hatte sich angekündigt das mitzufilmen und dann ist es gelogen, dass man sich „Ich spiel jetzt das Konzert runter.“ denkt, wenn man auf die Bühne rausgeht. Es ist dann nicht mehr diese Underdog Position, bei der keiner was von dir erwartet, sondern da kommen Menschen, die von dir weggefegt werden wollen. Dann haben wir immer eigentlich nur Schiss, ob die Technik funktioniert oder zum Beispiel die Akkus von den Gitarren voll sind. Man denkt also an viel mehr Sachen, als wenn man vor 100 Mann spielt und nichts zu verlieren hat. Der Anspruch wird professioneller, weil man natürlich nicht auf der Bühne stehen möchte und irgendwas dummes passiert. Sobald man dann auf die Bühne geht, vergisst man das aber auch wieder.

minutenmusik: Das klingt auf jeden Fall nach einer Erfahrung. Gibt es irgendetwas, was ihr schon immer mal tun wolltet, aber noch nie getan habt?

Chris: Ich hätte gerne ein Orchester im Proberaum.

David: Ich auch!

Chris: Das ist aber leider sowohl platz- als auch finanziellmäßig ein bisschen schwierig. Aber das wäre eine Sache, die Ich feiern würde. (lacht) Dann müsste Ich aber so einen Stock kaufen und ein bisschen dirigieren. Das kann Ich leider auch noch nicht. Aber gibt ja Youtube-Videos dafür.

Mittlerweile ist der erste Burger angekommen. Drummer Frank hat sich einen XXL-Burger bestellt und ist zur Belustigung der restlichen Band und Crew minimal mit der Größe seines Burgers überfordert. Dieser ist aber auch wirklich übergroß. Die restliche Zeit des Interviews wird vor allem von Gesprächen über das fettige Essen, was in riesigen Portionen gebracht wird, dominiert. Trotzdem können wir den Jungs noch ein zwei interessante Antworten entlocken.

minutenmusik: Habt ihr eigentlich einen Lieblingsclub in Deutschland?

David: Molotow in Hamburg war stark! Das war schon extrem intensiv für uns als Band, weil die Bühne einfach nur 20 Centimeter hoch ist. Ich glaub fürs Publikum ist das aber nicht so geil, weil man ab der 10. Reihe nichts mehr sieht. Trotzdem ist das Molotow ein geiler Club. Es gibt an sich aber eigentlich keine scheiß Clubs. Es gibt Clubs da ist der Sound geiler, es gibt Clubs da sind die Bühnen schmaler, aber wir haben jetzt keinen absoluten Favoriten, wo wir sagen, dass das der Oberwahnsinn war. Es kommt halt auch auf die Show an.

Chris: Es ist echt so, dass jeder Club so seinen eigenen Charme hat. Im BLA ist es halt komplett wie in einem Schmelztigel. Da werden hundert Leute drin stehen und es wird hundert Grad heiß sein. Morgen im FZW in Dortmund ist dann die Bühne ein bisschen größer, dafür hat man dann den fettesten Sound. Das macht alles Bock!

minutenmusik: Wir sind jetzt auch schon fast am Ende des Fragenkataloges angekommen! Abschließend hätte Ich noch ein paar „Entweder-Oder“-Fragen. Also, was präferiert Ihr: WG oder alleine Leben?

Chris: Plymo auf der Straße!

David: Poah! Vor zwei Jahren hätte Ich noch „Definitiv WG!“ gesagt. Jetzt würde Ich sagen, dass alleine sein schon einen Vorteil hat, nämlich man stört keinen. Also Ich habe manchmal so Geflechts, dass Ich um halb drei Uhr morgens Mucke machen möchte. Das wäre nicht so cool, wenn der Mitbewohner nebenan am nächsten Tag früh raus muss. Ich glaub nur um niemanden zu stören wäre gerade alleine besser, aber vom drumherum find Ich WG besser. Ich bin da zwiegespalten. Ein schalldichtes WG-Zimmer wäre was!

minutenmusik: Alkohol oder Musik?

Chris: Eindeutig Musik!

minutenmusik: Musik ohne Texte oder Texte ohne Musik?

David: Harte Frage.

Chris: Das ist echt schwierig.

David: Ich glaub Musik. Also Texte sind sehr sehr wichtig, aber Musik fesselt mich nochmal auf einer emotionalen Ebene.

Chris: Ich glaube auch. Wir sind dann doch eher die Zuhörer, als die Leser.

David: Genau. Also, wenn du mir jetzt sagen würdest, dass Ich mich zwischen einem geilen Song von Russian Circles und einer Kurzgeschichte entscheiden müsste, dann würde Ich den Song von Russian Circles nehmen.

minutenmusik: Jetzt noch als abschließende Frage: Heißt es „Fjort“ oder „Fjört“? Das durchgestrichene „o“ wird auf Deutsch ja eigentlich als „ö“ ausgesprochen.

David: Fjort! Wir wussten nicht, dass da irgendeiner mal auf die Idee kommt und dieses „o“ als „ö“ nennt. Das ist einfach eine Parodie auf den norwegischen Fjord mit „t“. Das durchgestrichene „o“ haben wir hauptsächlich genommen, weil es geil aussah. Aber die Leute können uns natürlich nennen, wie sie wollen.

minutenmusik: Vielen Dank für das Interview und noch guten Hunger!

David: Danke, dir auch!

So sah das auf der Tour im Frühjahr aus:

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https://www.youtube.com/watch?v=ONGMwIpDvKk

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FJØRT befinden sich momentan noch auf Tour durch Deutschland. Zu bewundern unter anderem hier:

28.10. – Potsdam, Waschhaus
29.10. – Leipzig, Felsenkeller
30.10. – Wiesbaden, Schlachthof
31.10. – Karlsruhe, Jubez (Halloween Dude Fest)
01.11 – CH – Zürich, Dynamo
02.11. – Augsburg, Kantine
03.11. – A – Wien, Arena 3Raum
04.11. – Würzburg, Cairo
05.11. – Ravensburg, Jugendhaus

Foto von Andreas Hornhoff.

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