Wir trafen uns in der vergangenen Woche mit David Frings (Bass, Gesang), Chris Hell (E-Gitarre, Gesang) und Frank Schophaus (Schlagzeug) von FJØRT, einer der wohl größten und spannendsten deutschen Post-Hardcore-Bands, und führten mit den drei sympathischen Herren ein interessantes Gespräch, das sich vor allem um ihre neue, bereits dritte Platte „Couleur“ drehte. Im zweiten Teil unseres umfassenden Interviews erzählte uns das Trio das ein oder andere Detail über den Aufnahmeprozess des Werkes.
minutenmusik: Aufgenommen habt ihr „Couleur“ zusammen mit Philipp Koch von Heisskalt, der in der Vergangenheit ja auch schon das Blackout Problems-Debüt und die Van Holzen-Platte produziert hatte. Warum habt ihr euch für ihn entschieden und wie lief die Zusammenarbeit letzten Endes?
David: Das ist mit Heisskalt und Phil [Philipp Koch] aus Trinkgesprächen entstanden. Phil hat an irgendeinem Punkt den Wunsch geäußert mal eine Platte von uns produzieren zu wollen. Da haben wir uns natürlich sehr geschmeichelt gefühlt – für mich ist Heisskalt in Deutschland momentan die technisch beste Band. Phil ist da für mich immer der Mastermind des Drumherums. Gar nicht so der abgespacete Kreative, sondern eher sehr strukturiert, was nicht heißen soll, dass er nicht kreativ ist. Wir haben dann beschlossen, dass man das irgendwann ja wirklich mal tun könnte. Welcher Sound uns dann aber wirklich vor die Wand gefahren hat, war die Produktion, die er mit Van Holzen gemacht hat – zusammen mit Simon Jäger. Das war so roh und brutal. Als wir dann mit den Demos in der Vorproduktion waren, haben wir beschlossen, dass wir eben nicht wieder so glattgebügelt und perlig klingen wollen.
Chris: Wir wollten uns dann einfach ein Scheibchen von diesem Sound abschneiden.
David: Genau. Das klang bei Van Holzen alles sehr ehrlich. In so eine Art Sound wollten wir gehen. Wir haben uns dann mit ihm [Philipp Koch] getroffen und gesprochen. Er hat sich da super darüber gefreut, was wiederum uns gefreut hat. Ich hab auch nur Lust mit Leuten zusammenzuarbeiten, die auch Bock haben. Wenn du zu einem Top-Produzenten gehst und der keinen Bock auf die Arbeit hat und lieber Fern schaut, dann bringt dich das nicht weiter. Bei ihm war echt Feuer in den Augen. Im ganzen Prozess mit ihm war es sehr schön, dass wir abgetaucht sind in eine musikalische Landschaft und stundenlang an irgendwelchen Effekten rumgedreht haben. Da sind Chris und ich komplett ausgerastet. Er hat dann auch jedes letzte Fünkchen Kraft in diese Platte gelegt. Das waren zwei sehr intensive Wochen. Das hat uns allen sehr viel Spaß gemacht und war mal eine andere Herangehensweise an die Platte, was uns auch sehr wichtig war. Sonst haben wir immer geschrieben, vorproduziert, dann haben wir das engineeren und aufnehmen gelassen. Das war bei ihm jetzt mal ein anderer Prozess, was uns auch gut gefallen hat.
minutenmusik: Die nächsten Platten werden jetzt auch alle bei ihm aufgenommen!
David: Wir haben uns noch nie festgelegt. Man muss sich alles freihalten in dem ganzen Bereich. Manchmal braucht es auch mal Änderung. Ich mein, Clueso hat seine ganze Band rausgeworfen, weil er gesagt hat, er brauche mal ein neues Ding, neue Luft. Da hingen bestimmt auch viele Freundschaften und Bekanntschaften hinter. Das kommt glaube ich ganz drauf an, wonach uns gerade ist. Wir haben gerade ein sehr gutes Team um uns rum. Wir arbeiten sehr gerne mit den Leuten zusammen, die wir sehr gut kennen, aber man weiß nicht, wie die Luft irgendwann mal ist. Vielleicht wollen wir die nächste Platte auch im schottischen Outback ganz alleine aufnehmen oder einen Schlager-Produzenten mitnehmen. Keine Ahnung!
minutenmusik: Letzteres stelle ich mir abenteuerlich vor.
David: Ja! Wonach uns eben die Luft ist. Das war diesmal halt so, dass wir dachten wir können mit Phil gut und das wird eine gute Zeit. Phil hat auch von dem Genre eine unglaubliche Ahnung, von Melodieführung. Noch eine andere Meinung zu hören von jemandem, der auch in dem Bereich ist, ist geil. Wenn der dann noch dieses technische Know-How hat, ist das auch geil.
minutenmusik: Ihr habt jetzt ja auch erstmals wirklich mit einem Produzenten zusammengearbeitet.
David: Genau, davor war das eher immer ein Engineer. Wir sind ins Studio gegangen und haben da halt die Platte aufgenommen. Jetzt war das das erste Mal, dass man überhaupt im Detail nochmal über Songs diskutiert hat. Derjenige, wo wir das vorher immer aufgenommen haben, hat die Platte diesmal dann gemischt.
minutenmusik: Das war für eure ersten beiden Alben und die EP dann ja immer Phil Hillen von den Su2-Studios nahe Saarbrücken. Das neue Album habt ihr jetzt in den Toolhouse Studios in Rothenburg an der Fulda aufgenommen. Das war jetzt ja auch wieder neu für euch. Warum habt ihr da aufgenommen und wie waren die Aufnahmen letzten Endes?
David: Wir hatten uns zu der „Kontakt“ schonmal das Toolhouse angesehen. Man muss dazu aber auch sagen, dass das schon so ein Nashville [Anmerkung: Bekannt für seine antiken Studios] von Deutschland ist, wegen dieses unfassbaren Equipments, was da drin steht. Das bezahlst du nicht einfach mal aus deinen Ersparnissen von Zuhause. Bei der „Kontakt“ hätten wir das machen können, konnten uns das finanziell aber nicht leisten und brauchten auch nicht unbedingt einen Tapetenwechsel.
Diesmal war das von uns ein Wunsch da aufzunehmen, weil der Drumsound da einfach genial ist. (Frank nickt im Hintergrund zustimmend) Du gehst da vor allem wegen des Schlagzeugs hin. Dann haben wir erst gesagt, dass wir da das Schlagzeug machen und den Rest woanders. Für uns als Band ist aber immer das Gemeinschaftsgefühl sehr sehr wichtig. Für uns war es wichtig, dass wir alle für 14 Tage an einem Ort sind und jede Minute mit Musik verbracht wird. Das ging da super.
Das ist ja nicht nur das Studio da – da ist ein kleiner Fußballplatz dran, dann war Sommer, es war warm – wir hatten da eine sehr gute Zeit. Dadurch ist das da einfach so gewachsen. Ich sag ja, vielleicht nehmen wir das nächste [Album] in Schottland auf. Ich glaube wir ziehen uns schon sehr gerne zurück. Wenn man uns sagen würde, dass wir Geld kriegen würden und einfach mal nach Skandinavien oder so raus dürften, um eine Platte aufzunehmen, würden wir alle direkt ja sagen. Das wäre das richtige für uns. Ich glaube ich könnte nicht gut hier in Köln eine Platte aufnehmen.
Das ist alles leider immer finanziell abhängig. Das ist sehr schön, dass sich momentan sehr viele Leute für unsere Musik interessieren und viele Leute so eine Platte käuflich erwerben. Das gibt einem dann natürlich die Möglichkeit, dass man in ein Studio kann, in dem man seinen Sound bestmöglich einfangen kann. Das ist ja immer eine Spirale, die man dann weitergeht. Das werden wir auch immer so machen. Wer nochmal 17 Euro für eine Vinyl hinlegt, dem bin ich das schuldig, dass ich mich in einem geilen Studio intensiv mit meinen Songs beschäftige.
minutenmusik: Musikalisch wagt ihr auf „Couleur“ schon einige Experimente, wie zum Beispiel den Synthie, der bei „Eden“ über das Riff gelegt wird. Fällt es euch schwer aus eurer Komfortzone herauszukommen?
Chris: Eigentlich fällt das gar nicht schwer. Solche Sachen auszuprobieren macht sehr viel Spaß. Wir haben auch eigentlich immer Bock Dinge auszuprobieren. Du hast nur manchmal das Gefühl, dass das nicht in einen Song passt. Bei „Kontakt“ haben wir ja auch zwei, drei Stellen, bei denen auch ein Piano eingespielt ist. Das passte da perfekt und die Idee ein Piano einzubauen hatten wir schon länger. Das war bei den neuen Elementen schon wieder so. Wir sind sehr offen für solche Ideen. Bei „Eden“ haben wir diesen Chorus gehört und David hatte dann diese Melodie im Kopf.
David: Wir nehmen die Demos immer im Proberaum auf und nehmen das dann mit nach Hause. Ich habe diese Melodie permanent gehört, wenn das Riff lief. Auch, als die noch gar nicht drin war. Dann habe ich Chris gesagt, wie geil ich das finde, wie er auf der Gitarre diese Melodie spielt. Chris hat dann ein wenig verwirrt reagiert und meinte nur, er spiele doch Akkorde. Ich hab diese Melodie aber immer in meinem Kopf gehört. Die lief bei mir mit. Dann hab ich das irgendwann so programmiert, wie ich das gehört habe und die Beiden haben verstanden, was ich meinte. (lacht)
Wir haben im Studio sehr lange versucht das nachzubauen. Zuhause haben wir ja nicht die größten Möglichkeiten mit Synthies zu arbeiten. Irgendwann hatten wir das dann im Studio so weit, dass wir das ok fanden, im Mix klang das aber doof. Dann haben wir einfach das Demo-Sample genommen, das jetzt auf der Platte auch drauf ist.
minutenmusik: Ich glaube, wenn man sowas geil hat, das dann nochmal genauso gut oder sogar besser zu reproduzieren, ist auch sehr schwierig.
David: War bei Madsen ja auch so! Die haben auch mal eine Platte als Demos im Proberaum aufgenommen, die sie dann im Studio nochmal richtig recorden wollten. Das war aber nicht so, wie sie es haben wollten, also haben sie die roughe Version aus dem Proberaum genommen. Manchmal hast du das Feeling dann viel mehr da drin.
Vielleicht wird das nächste FJØRT-Album ja reinster Schlager, wenn die Band wirklich keine Angst davor hat neues zu wagen. Wir sind gespannt. Wenn das Trio in dem Tempo weiterarbeitet, dürften wir ja schon Anfang 2019 das vierte Album der Band in den Händen halten können. Vorher gibt es hier aber erstmal den dritten Teil unseres Interviews mit den Jungs, bei dem sich Bassist David mal so richtig über sogenannte „besorgte Bürger“ in Rage reden darf.
Den ersten Teil des Interviews gibt es hier.
“Couleur” erscheint am 17.11 über Grand Hotel Van Cleef und kann hier & hier* vorbestellt werden.
Und so hört sich das an:
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FJØRT live 2018:
18.01.18 – Münster, Gleis 22 (Zusatzshow!)
19.01.18 – Münster, Gleis 22 (Ausverkauft!)
20.01.18 – Hannover, Musikzentrum
21.01.18 – Berlin, Lido
22.01.18 – Dresden, Beatpol
23.01.18 – Leipzig, Werk 2
24.01.18 – AT – Wien, Chelsea
25.01.18 – München, Strom
26.01.18 – Stuttgart, Universam
27.01.18 – Saabrücken, JUZ Försterstraße
28.01.18 – Wiesbaden, Schlachthof
29.01.18 – Köln, Gebäude 9
30.01.18 – Hamburg, Knust
Foto von Andreas Hornoff.
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