Der Songschreiber, Produzent und Musiker Inner Tongue hat Ende Mai sein Debütalbum “Favours” veröffentlicht. Wir haben mit ihm über sein Werk sowie seine Stimmstörung, die sogar eine Operation notwendig machte, gesprochen.
minutenmusik: In der Presseinfo zu deinem kommenden Album heißt es, dass du an einer seltenen Stimmstörung gelitten hast. Wie darf ich mir das vorstellen, bist du eines Morgens aufgewacht, warst heiser und hattest keine Stimme mehr? Oder wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Inner Tongue: Es begann mit normaler Heiserkeit, dann fiel das Singen deutlich schwerer. Wenige Tage später klappte es auch mit dem Sprechen nicht mehr. Ich hab mich zurückgezogen und versucht den Verlust meiner musikalischen Identität auf der Couch zu kompensieren. Danach habe ich mich in Arbeit gestürzt um die OP Kosten bezahlen zu können. Nachdem die OP erfolgreich verlief, musste ich dann einige Wochen schweigen und danach monatelang die Stimme wieder aufbauen. Nach dem langen Schweigen dann die ersten paar Töne meiner neuen Stimme zu hören war extrem spannend.
minutenmusik: Nun hat sich aus genau dieser schwierigen Zeit ein Album entwickelt, das in der Musikpresse bereits bejubelt wird und dich zum „neuen heißen Newcomer aus Wien” macht. Glaubst du, dass du ohne die zwischenzeitlichen Probleme überhaupt derartige Kreativität und Inspiration gefunden hättest? Hatte die Krankheit also auch etwas Gutes?
Inner Tongue: Wenn ich noch Musik machen würde, dann bestimmt auf andere Art und Weise. Es hat mich stark beeinflusst in meiner musikalischen Ausrichtung. Ich entschied damals Musik ohne Gesang zu schreiben, die aber trotzdem im Pop weilen darf. Als es mit der Stimme wieder klappte, sang ich über die Songs die schweigend entstanden waren und es fühlte sich einfach richtig an.
minutenmusik: Wir haben dein neues Album gehört & festgestellt – Genregrenzen sind dir wirklich unbekannt! Da wird alles gemischt, was zusammenpasst und zusammengehört. Gibt es trotzdem musikalische Strömungen, denen du dich bewusst verweigerst, weil dir der Sound überhaupt nicht zusagt?
Inner Tongue: Sowieso, das diktiert mir der persönliche Geschmack und Anspruch. Wenn Künstler sich ständig innerhalb kleiner Genregrenzen bewegen langweilt mich das. Ich wollte den Songs auf diesem Album daher kein vorgefertigtes Kostüm verpassen. Aber was will man nicht alles am Anfang eines langen Prozesses…. Ich sehe mich auf diesem Album als kreativen Arbeiter, der täglich in seiner Werkstätte sitzt und versucht ein paar Werke fertigzubekommen.
minutenmusik: Und wie entwickelt sich ein typischer Inner Tongue Song in deiner Werkstatt? Schreibst du zuerst die Lyrics oder arbeitest du zuerst an den Melodien? Und gibt es bei deiner Arbeit den „WOW”-Effekt, an dem du einfach weißt, dass der Song jetzt perfekt ist und genau so bleiben muss.
Inner Tongue: Ich hab eine Bibliothek an Textideen auf meinem iPhone. Die durchforste ich früh im Prozess und bringe musikalische Passagen mit Textpassagen zusammen. Wenn sich da etwas starkes trifft, dann ist das auf jeden Fall ein Wow Moment.
minutenmusik: Auf deiner Platte befinden sich mit „Dig Deeper” und „Next Life” sehr eingängige Songs, gleichzeitig sind aber auch Stücke enthalten, die man nicht einfach mal so hört. „Catch” hat mich zum Beispiel ehrlich gesagt etwas in Stress versetzt. War das beabsichtigt eine wild durchwürfelte Mischung zu erschaffen oder nimmst du das überhaupt nicht so wahr?
Inner Tongue: Der Pop muss sich wieder mehr trauen. Hip Hop und Rap zeigt eine ganze Palette von Emotionen. Man zeigt Charakter. Es wird Zeit, dass sich auch der Pop wieder zutraut mehr als ein Format zu sein. Genau deshalb zeigt das Album auch mehr als den Soundtrack des Sommers 2018.
minutenmusik: „Favours” ist der Albumtitel. Wem tust du mit diesem Album eigentlich einen Gefallen. Dir selber? Den Fans?
Inner Tongue: Dem Kapitalismus.
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Beitragsbild von Tobias Pichler.
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