[English version below!] Es war im Jahr 2006 als die britische Post-Hardcore-Band Reuben gemeinsam mit Billy Talent die Hallen Deutschlands unsicher machte. Erstere um Frontman Jamie Lenman waren kurze Zeit später in ihrer Heimat kleine Szenen-Stars und füllten selber ähnlich große Hallen, wie die Bühnen, die sie jeden Abend auf der Tour betraten. Keine zwei Jahre später löste sich die Band relativ abrupt auf. Lenman betätigte sich einige Jahre als Illustrator, bevor er im Jahr 2013 mit seinem Solodebüt, einem schrägen Doppelalbum, zurück auf die Bühne kehrte. Letztes Jahr erschien der Nachfolger des in der UK durchaus erfolgreichen Debüts, das den Herren mit der sonderbaren Frisur die vergangenen Wochen erstmals seit der Supporttour mit den kanadischen Rockern wieder nach Deutschland führte. „Devolver“ heißt das eindrucksvolle Werk, das irgendwo in der Schnittstelle aus Grunge, Alternative und Folk anzusiedeln ist. Wir trafen uns vor seiner Show mit den britischen Alternative-Rockern Arcane Roots mit Lenman in einem kleinen Backstageraum im Keller des Wiesbadener Schlachthofs und sprachen über seine neue Platte, Erfolg und seine Einstellung zur Schallplatte und CDs.
minutenmusik: Danke, dass du dir die Zeit für uns nimmt. Wir hoffen dir geht es gut und du hattest eine entspannte Reise von der UK nach Wiesbaden. Ihr seid wahrscheinlich gestern schon losgefahren, oder?
Jamie Lenman: Die Fahrt war gar nicht so schlimm! Wir sind gestern mit der Fähre rübergekommen und über Nacht in Belgien geblieben. Als ich heute morgen aufgewacht bin, war alles sogar sehr entspannt. Wir hatten gestern auch tolles chinesisches Essen!
minutenmusik: Klingt echt okay! Letztes Jahr hast du dein zweites Soloalbum, das den Titel „Devolver“ trägt, veröffentlicht. Soundmäßig fühlt sich die Platte für mich an als hättest du die zwei gegensätzlichen Seiten, aus denen sich deine erste Solo-Platte „Muscle Memory“ zusammensetzt – sprich das raue, sehr harte und die ruhige, folkige Seite – vermischt und daraus einen homogeneren Sound geschaffen. Würdest du sagen, dass du bei deinem ersten Album versucht hast deinen eigenen Sound zu finden und jetzt entdeckt hast, wie du wirklich klingen möchtest?
Jamie Lenman: Ich glaube auf der ersten Platte habe ich eher versucht davon wegzukommen, wie ich wirklich klinge. Die neue Platte klingt mehr nach meinem natürlichen Sound. Zu der Zeit als ich mein erstes Album geschrieben habe war mir bewusst, dass ich für eine längere Zeit weg war – es waren ja fünf Jahre oder so vergangen seitdem ich eine Platte gemacht hatte. Ich wollte nicht, dass die Musik, die als erstes unter meinem Namen veröffentlicht wird, meiner alten Musik [Anmerkung: Mit Reuben] zu ähnlich klingt. Also dachte ich der beste Weg dies umzusetzen wäre die Platte zweizuteilen. Ich bin damals also absichtlich von meinem normalen Sound zurückgeschreckt um etwas schräges zu schaffen.
minutenmusik: Diese zwei gegensätzlichen Teile fühlen sich fast wie eine zweigeteilte Persönlichkeit aus einem energetischen, unkontrollierbaren und einem ruhigen und gelassenen Teil an.
Jamie Lenman: Ja, ich bin auf jeden Fall auch ein eher sonderbares Objekt.
minutenmusik: Lass uns etwas über die Entstehung von „Devolver“ quatschen. Ich habe gelesen, dass dein Produzent Space einen großen Einfluss auf den Sound deiner Platte hatte. Kannst du vielleicht diesen Schreibe- und Aufnahme-Prozess mit ihm beschreiben?
Jamie Lenman: Er ist ein toller Songschreiber und hat auch seine eigenen musikalischen Projekte. Ich liebe die Songs, die er schreibt. Bei meiner Musik geht das Songwriting aber komplett auf mich zurück – das war auch damals schon in der Band [Reuben] so. Wenn ich die Stücke also geschrieben habe, höre ich sie mir mit Space an und spiele sie mit meiner Band, die sich mittlerweile nur noch aus meinem Schlagzeuger Daniel [Kavanagh] zusammensetzt. Erst dann kommt Space ins Spiel und hilft uns mit der Textur und einigen Melodien. Er spielt zum Beispiel ein großartiges Klavier-Solo auf einem der Tracks. Er fügt also noch weitere Schichten hinzu um alles noch schöner zu machen. Der Sound, den du auf der Platte hörst, geht komplett auf seine Kappe. Das Songwriting auf meine.
minutenmusik: Alles klar. Ich habe auch gelesen, dass du die Songs beim Entstehungsprozess der Platte zuerst alleine bei dir zuhause als Demos aufgenommen und später erneut mit Space festgehalten hast. Welcher Song hat sich in diesem Prozess am meisten gewandelt?
Jamie Lenman: Der Song, an dem ich am längsten geschrieben habe, war „Devolver“, das letzte Stück. An dem habe ich Stück für Stück über mehrere Jahre gearbeitet. Als wir ins Studio gegangen sind, war der aber bereits fertig geschrieben.
Das Stück, das sich am meisten im Studio entwickelt hat, war wohl „Body Popping“ und „Comfort Animal“. „Body Popping“ war ein eigenständiger Song, der irgendwann einfach aufgehört hat, aber ich hatte diese Idee, wie er vielleicht noch fortgeführt werden könnte. Ich wollte aber auch nicht, dass der Song zu lang wird. Als wir im Studio waren hatten wir etwas Zeit über, was ich vorher nicht gedacht hätte. Also habe ich mit den Jungs geredet und ihnen gezeigt, wie die Parts gespielt werden und schon war der Song [Anmerkung: Gemeint ist „Comfort Animal“] fertig. „Comfort Animal“ am Ende von „Body Popping“ ist demnach komplett im Studio aus einer Idee, die ich vorher hatte, heraus entstanden. Jetzt ist das Stück ein sehr schöner Platz in der Mitte der Platte um kurz Luft zu holen. Damit bin ich sehr zufrieden.
minutenmusik: Einige dieser Demos hast du auf einer digitalen EP, die den Titel „Evolver“ trägt, für Leute, die dein Album über dein Label Big Scary Monsters vorbestellt haben, veröffentlicht. Planst du in Zukunft mehr solcher Extra-Inhalte herauszubringen?
Jamie Lenman: Das hoffe ich doch! Ich würde sehr gerne mit Big Scary Monsters weiterarbeiten. Die Idee dieser Vorbestellungs-Kampagne, bei der Leute Extra-Inhalte bekommen umso früher sie bestellen, kam von ihnen. Das hat ziemlich gut funktioniert und wurde auch gut von den Leuten aufgenommen.
Ich denke, dass diese Demo-EP sehr interessant war. Ich denke die Fans haben das genossen. Ich finde es gut die Fans in den kreativen Prozess einzubinden und da transparent zu sein. Ich will nichts verstecken. All diese frühen Skizzen sind genauso faszinierend, wie das End-Produkt. Also ja, falls wir eine weitere Platte mit Big Scary Monsters machen und wir eine ähnliche Kampagne haben, würde ich den Leuten gerne wieder einige Demos geben.
Ich selber wäre auch in solche Extrainhalte von einem Künstler, dem ich folge, interessiert. Es macht also Sinn, dass die Leute auch in meine Demos interessiert sind.
minutenmusik: Ich finde es toll zu hören, wie sich Songs entwickelt haben! Einige Tracks auf „Devolver“ bestehen aus vielen, sich wiederholenden Passagen, wie beispielsweise das Stück „All Of England Is A City“. Versuchst du dadurch in den Köpfen deiner Hörer hängen zu bleiben? Was war die Grundidee hinter diesen „einfacheren“ Songstrukturen?
Jamie Lenman: Diese Zeile wiederholt sich eine Ewigkeit lang. Als ich den Song meiner Mutter vorgespielt habe, meinte sie nur, dass das sich ja schon oft wiederhole. Das stimmt schon. Ich glaube das ist aber eher, weil die Platte sich sehr auf Rhythmen und Strukturen konzentriert. Ich mag das, wenn man sich auf hypnotische Art in etwas verliert, fast wie bei einem Mantra. Wenn man etwas immer wieder wiederholt kann man darauf aufbauen. Nine Inch Nails machen das sehr oft. Sie haben auch einen großen Einfluss auf die Platte.
Ich mag es sich gesanglich auf eine Sache zu fokussieren und musikalisch immer mehr Elemente hinzukommen zu lassen, sodass alles größer und größer wird. Ich mag es sowas aufzubauen. Diese sich wiederholenden Teile haben also mehr damit zu tun, wie das Album auf Rhythmen zurückgreift. Das habe ich als ich die Platte gemacht habe aber gar nicht realisiert.
minutenmusik: Deutschland war nie wirklich ein Land, in dem deine alte Band Reuben Fuß fassen konnte…
Jamie Lenman: Willst du mich auf den Arm nehmen? Ihr wart unser größtes europäisches Land! Wir waren in Deutschland riesig! (lacht)
minutenmusik: Wirklich? Es gibt tatsächlich nicht viele Leute, die ich kenne und die euch kennen, was eine Schande ist!
Jamie Lenman: Es gibt vielleicht nur 20 Leute in Deutschland, dafür hatten wir nur einen Fan oder so in Frankreich. Deutschland war für uns eine wichtige Sache.
minutenmusik: Ja gut, aber im Vergleich zu eurem Bekanntheitsgrad in der UK wart ihr hier winzig.
Jamie Lenman: Ja, wir waren klein, aber das ist auch ok.
minutenmusik: Macht man sich über solche Unterschiede Gedanken, wenn man in einer Band spielt? Für mich wirkt es immer so, als wäre Rockmusik in der UK viel mehr im Mainstream verankert als hier. Kann das vielleicht ein Grund sein?
Jamie Lenman: Aus meiner Sicht ist Rockmusik in der UK auch nicht so beliebt. Beliebt ist vor allem R ’n’ B, was sich auch in den letzten 20 Jahren nicht geändert hat. Rock war auch bei uns nie cool. Klar, der Untergrund ist stark, aber sobald es in den Mainstream geht… ne. Die Leute hören normalerweise keinen Rock ’n’ Roll. Ich dachte immer, dass Rock in Deutschland einen viel festeren Stand hat. Ich habe hier aber auch noch nicht so viel Zeit verbracht. Das letzte mal war ich auf der Tour mit Billy Talent hier. Auf mich wirkte das damals so, als ginge es Rock in Deutschland ziemlich gut. Billy Talent kommen aus Kanada, aber außerhalb von Kanada war Deutschland ihr größter Markt.
minutenmusik: Ist es noch immer!
Jamie Lenman: Auch die Reaktionen, die wir hier von den Crowds bekommen haben, waren großartig. Wir waren als Band nur zwei mal in Europa. Beide Male haben wir aber fast ausschließlich in Deutschland verbracht, weil wir hier die besten Reaktionen bekommen haben. Für uns hat es sich also so angefühlt als sei Deutschland außerhalb der UK der Ort, an dem wir die meisten Fans haben, obwohl wir nie eigene Shows gespielt haben. Wir haben nie Headline-Konzerte außerhalb der UK gespielt. Hätten wir als Band weitergemacht wären wir aber gerne noch mehr nach Europa gekommen. Das war nur sehr schwierig für uns zu organisieren. Wir brauchten immer eine größere Band, wie Billy Talent, die uns mit sich nimmt. Es hat nun zehn Jahre gebraucht, bis ich wieder nach Deutschland kommen konnte. Das ist auch, warum ich so enthusiastisch bin endlich wieder hier zu sein. Ich bin überglücklich wieder hier zu spielen.
minutenmusik: Wir freuen uns auch sehr auf deine Show! Für die Tour zu „Muscle Memory“ hattest du eine ganze Band, die aus vier bis sieben Mitgliedern bestand, mit dir. Mittlerweile besteht deine „Band“ nur noch aus dir und deinem Schlagzeuger Daniel. Merkst du nun einen großen Unterschied in deinen Liveshows und war diese Entscheidung für dich hart zu treffen?
Jamie Lenman: Ja, das war hart, weil die Leute sehr in dieser klassischen Bandkonstellation, also Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang, festgefahren sind. Mit Bands, wie Royal Blood oder auch kleinere Acts, wie Frauds, Slaves oder Haggard Cat gibt es wie aus dem Nichts aber auf einmal viele Rock-Duos. Ich fand das ziemlich cool und hatte die Idee eines Tages auch nur noch als Duo zu spielen. Es gab aber keinen wirklichen Grund, warum ich damit warten sollte, weshalb ich das alles dann einfach durchgezogen habe. Ich kann den Bass nämlich selber spielen, was ich auch mache.
Diese Entscheidung hat so viel erleichtert. Das fängt schon bei der Organisation an. Es ist viel komplizierter vier Leute, was die kleinste Anzahl an Leuten ist, die wir als Band waren, zu organisieren als nur zwei. Das sind dann drei andere Menschen, auf die ich achten muss, mit denen ich proben muss, denen ich die Songs beibringen muss. Wenn wir auf der Bühne waren, musste ich für vier Menschen denken. Als Bandleader hörst du immer wenn ein Instrument der anderen Mitglieder verstimmt ist oder jemand sich verspielt. Jetzt muss ich mir nur noch um Daniel Gedanken machen. Weil eh alles bei ihm am Schlagzeug beginnt, lernt er die Stücke bereits bevor jeder andere sie lernen könnte. Die Arbeit war fast schon komplett erledigt, nachdem wir die Platte aufgenommen hatten, weil er fast auf der gesamten Platte Schlagzeug spielt. Er kennt also bereits alle Parts. Wären wir mehr Leute, müsste ich nun noch die anderen einbinden und ihnen die Platte gleich zwei Mal beibringen.
Außerdem kann ich nun viel mehr improvisieren. Wenn Daniel den Beat einfach weiterspielt, kann ich tun, was ich will. Vorher konnte ich das nicht, weil es die anderen Jungs noch gab. Die Entscheidung ist also sehr befreiend und macht Touren sehr viel angenehmer.
minutenmusik: Das kann ich sehr gut verstehen. Vor einigen Monaten hast du in London dein eigenes Festival, die „Lenmania“, debütiert. Wie war diese Erfahrung für dich? Ist das etwas, was du vielleicht nochmal machen möchtest?
Jamie Lenman: Du hast eben „Kein Stress“ gesagt und das war „Viel Stress“! Es gab sehr viel zu erledigen. Das nicht nur für mich, sondern auch für meinen Agenten und meine Manager. Es war so ein großes Event mit vielen Bands, ich habe das ganze mitorganisiert, sollte aber auch selber spielen. Ich war den ganzen Tag in einem Raum, wie diesen hier, gefangen und musste Interviews geben und für Fotoshootings bereitstehen, weil das eine große Sache war und jeder Infos darüber haben wollte.
minutenmusik: Zum Start hast du ja auch ein Akustik-Set gespielt.
Jamie Lenman: Das war tatsächlich das Beste an dem ganzen Tag! Danach hat der ganze Stress gestartet und am Ende war ich ein Nervenwrack. Ich war danach für etwa sechs Wochen krank. Daniel auch! Er hatte eine Art Eiterbeule in seiner Achsel, die immer größer wurde. Es wusste aber niemand, was dort geschieht. Wir sind danach also beide krank geworden. Ich meine, ich bin echt froh, dass der Tag ausverkauft war und jeder eine gute Zeit hatte. Wenn du mich aber nun fragst, wann die nächste Ausgabe stattfindet, kann ich momentan nur sagen: Nie!
Aber ja, „Lenmania“ hat den Trubel ausgelöst, den wir haben wollten. Es hatte jeder, außer mir, eine großartige Zeit. (lacht)
minutenmusik: Schaut man sich so das Line-Up an, wirkt das ein wenig wie ein Showcase der Underground-Rock-Szene der UK. Da fallen mir vor allem Bands, wie Bad Sign oder In Dynamics, auf. Auch Arcane Roots, mit denen ihr heute unterwegs seid, gehören zu dieser britischen Rock-Szene, die momentan echt stark ist. Fühlst du dich nach all diesen Jahren zu dieser Szene zugehörig?
Jamie Lenman: Tue ich! Da sind in letzter Zeit einige nette Dinge geschehen. Kennt man das Kerrang! Magazine in Deutschland?
minutenmusik: Ja!
Jamie Lenman: Als ich ein Kind war, hat jeder Kerrang! gelesen. Das war der Ort, von dem du deine Rock-News bezogen hast. Letztes Jahr haben sie mich gefragt, ob ich nicht zu ihrem Kerrang!-Weihnachtsessen kommen will. Dort laden sie immer einige Mitglieder von momentan angesagten Bands ein. Das war eine große Sache für mich, weil meine Band vor zehn Jahren aktuell war. Ich bin ein alter Kerl! Da saßen also ich und all diese Mitglieder dieser coolen Bands und ich realisierte, dass ich vielleicht doch Teil einer Szene bin. Als die Leute von Kerrang! mich und die anderen in einen Topf warfen, haben sie mir eine Idee davon vermittelt, wo ich in der UK-Szene stehe.
Arcane Roots, Black Peaks, Rolo Tomassi und ich teilen uns auch ein Management. Wir sind also auch irgendwie Teil einer gemeinsamen Szene. Ich fühle mich also schon zugehörig, was toll ist. Als ich mit „Muscle Memory“ zurückkam wusste ich nicht, wo ich stehe und wohin ich gehen werde. Das war sehr komisch. Ich glaube damals war ich auch nicht wirklich Teil einer Szene. Mittlerweile fühle ich mich mit Big Scary Monsters und meinem Management aber viel mehr in dieser britischen Rock-Szene verankert.
minutenmusik: Das ist doch schön. Als eine letzte Frage: Im letzten Jahr habt ihr eine Reissue von „In Nothing We Trust“ deiner alten Band Reuben auf Schallplatte veröffentlicht. In den letzten 25 Jahren hat sich sehr viel darin geändert, wie Leute Musik hören und konsumieren. Willst du in Zukunft weiterhin den klassischen Formaten Album und EP treu bleiben oder willst du eher neuere Formate, wie einzelne, unabhängige Songs sobald sie fertig aufgenommen sind zu veröffentlichen, nutzen?
Jamie Lenman: Das ist eine interessante Frage, weil ich immer geglaubt habe, dass physikalische Medien tot sind. Als ich an „Devolver“ gearbeitet habe, habe ich überhaupt nicht daran gedacht das Album auch auf Vinyl oder CD zu veröffentlichen. Arcane Roots haben aber sogar Tapes mit auf Tour!
minutenmusik: Ich glaube Tapes sind, genauso wie Schallplatten, ein Format, das vor allem Musikliebhaber kaufen.
Jamie Lenman: Ja, das ist so ein Fetisch! Es klingt aber super schlecht.
Ich denke wir sollten diese ganzen physikalischen Formate vergessen. Ich hatte mich darauf vorbereitet mein Album nur digital zu veröffentlichen. Big Scary Monsters haben aber gesagt, dass sie am meisten Geld durch den Verkauf von physischen Produkten machen. Also ist das so schon in Ordnung!
Im Bezug auf die Art und Weise, wie man Songs veröffentlicht, also als Album oder einzeln, habe ich „Mississippi“ zuerst als eigenständige Single veröffentlicht. Ich dachte, dass die Leute einfach die neue Musik genießen würden und sich nicht um das Format scheren würden. Die erste Frage, die jeder gestellt hatte, war dann aber, wann das Album denn rauskomme. Die Leute denken also immer noch in Alben. Als Künstler habe ich mich gefragt, warum das so ist. Ich war also an einem Punkt bereit dem Album als Konzept den Rücken zuzudrehen und nur noch einzelne Songs zu veröffentlichen, mittlerweile denke ich aber, dass das Album noch für einige Zeit bleiben wird, was ich auch präferiere.
Ich arbeite also immer an zehn oder zwölf Songs, die dann ein Album bilden. Das ist dann ein bisschen wie eine Ausstellung von Gemälden. Wenn man mehrere auf einmal hat, bilden sie zusammen ein größeres Statement ab als alleine. Das ist bei einem Album ähnlich.
minutenmusik: Yeah!
Jamie Lenman: Das stimmt? (auf Deutsch)
minutenmusik: Ich denke schon! Vielen Dank für das Interview.
Hier kannst du dir das Album “Devolver” von Jamie Lenman kaufen!
Und so hört sich das an:
English version:
minutenmusik: Thank you for taking your time. We hope you are fine and had a relaxed trip to Wiesbaden. You possibly started driving from the UK yesterday, right?
Jamie Lenman: Yeah, it was not too bad. We came over yesterday and stayed the night in Belgium. When we woke up this morning, it was all pretty easy actually. We had a nice Chinese meal last night.
minutenmusik: Sounds good! In the last year you released you second solo album called „Devolver“. To me it feels like you melted together those two pretty contrary halves, that made up your first record „Muscle Memory“. Would you say, that on your first one you were trying to find your sound and on your second one found out how you really wanna sound like?
Jamie Lenman: I think it was more, that on the first record I was trying to get away from how I really sounded like. This new record – „Devolver“ – is more my natural sound. Back for my first record I knew I was away for a long time – five years or what it was since I made a record – and I did not want, whatever came out first, to be too similar to what I have done before. You never want to make any record sound similar to your last one. So I thought the best way to do that, would be to split this thing in two. On purpose I shied away from my normal sound in order to make a weird object.
minutenmusik: Those two opposite parts really feel like a personality, thats been split up into a energetic, raw part and a quit, calm one.
Jamie Lenman: Yeah, I am a weird object anyway.
minutenmusik: I read, that you producer Space had a huge influence on how the record, „Devolver“, now sounds. Could you please describe that writing- and recording-process with him?
Jamie Lenman: He is a great writer and he does his own musical projects. I love the songs, that he writes. But in terms of the writing it is always all me – even back in the band [Reuben]. Then we take the song to him and I would play it with the band, which basically is Daniel [Kavanagh], my drummer. Then he [Space] would come in and would help us with textures and some melodies. For example he does a lovely piano-solo on one of the tracks. He would just add layers on top, to make everything even more beautiful. So, that sound you here on the record, that is all down to him. The writing is all me.
minutenmusik: Ok. While making that record – I read – that you first demoed the songs at home and then recorded and produced them in the studio. Which song developed most in that process?
Jamie Lenman: The one, that took the longest to write, was „Devolver“, the last track. That took a couple of years to write bit by bit. But by the time we went to the studio I had it all finished.
I think the one, that came out in the studio most, was „Body Popping“ and then „Comfort Animal“. „Body Popping“ was its own song and it stopped, where it stopped, but I had this idea about how it possibly could carry on. I did not wanted it to be too long. Then when we were in the studio we had a bit of time I thought we would not have, so I talked to the guys and showed them how to play some parts and this was it. So that song – „Comfort Animal“ on the end of „Body Popping“ – was purely made in the studio out of the idea, that I previously had. Now it is a really nice space in the middle of the album to take a bit of a breath. I was pretty pleased on how it came out.
minutenmusik: You released some of that demos on a digital EP called „Evolver“ for people preordering your record through your label Big Scary Monsters. Can we expect more exclusive stuff like that in the future? Is that something you wanna dive deeper into?
Jamie Lenman: I hope so! I would love to continue working with Big Scary Monsters. It was their idea to come up with a preorder-campaign, where people could receive extra content for getting involved earlier and earlier. It worked really well and people received it well.
I think this EP of demos was interesting to listen to. I think people enjoyed it. I am all for people getting involved in the creative process and see the creative process. I do not like to hide anything. All those early scatches are just as fascinating as the end-product. So yeah, if we do another record with Big Scary Monsters and if we have a similar campaign I would love people to hear the demos.
And with that kind of extra-content I would be interested, if that would be an artist I follow. So it makes sense, that people are interested in my demos. That is great, if they enjoyed it!
minutenmusik: I love hearing how the songs developed! Some of the songs on „Devolver“ feature quite repetitive parts, like „All Of England Is A City“. Is this you trying to get stuck in the listeners head? What was the idea behind that more easier song structure?
Jamie Lenman: That line goes on for ages. When I played that to my mum she said, that it repeats itself for a long time. That is true. I think that is more because this album is much more about rhythms and patterns and getting locked into it. I quite like the hypnotic idea of getting locked into it – almost like a mantra. If you repeat the same thing you can build on that. Nine Inch Nails do this a lot. They are a big influence on this record. So I like, that if you are singing the same thing, you can concentrate on that and other bits come in and it gets bigger and bigger. I like to build things. So I think these repetitive parts have more to do how the record relies on rhythms. But I did not realize that while making the record.
minutenmusik: Germany never was a country in which your old band Reuben could gain traction…
Jamie Lenman: You are kidding? This was our biggest European country! We were huge in Germany. (laughs)
minutenmusik: Was it? There are really not that many people I know, who also know them, which is a shame! And I know a lot people, who listen to similar music.
Jamie Lenman: There are maybe only 20 people in Germany, but there is like one person in France. For us Germany was a big deal.
minutenmusik: But in comparison to your popularity in the UK you were a small band. The gap was and still is pretty big.
Jamie Lenman: Yeah, we were tiny, but that is ok.
minutenmusik: While being in a band, do you sometimes thing of the reasons for this huge difference? For me it sometimes feels like rock-music is far more grounded in the mainstream in the UK, than it is over here.
Jamie Lenman: To me it feels like in the UK rock-music is not that popular. It is mostly R ’n’ B and it has been like this for the last 20 years. Rock has never been cool in the UK. I mean, the underground is strong, but as far as the mainstream is concerned: no. People do not usually listen to Rock ’n’ Roll. I always thought, that in Germany Rock had a bigger foothold. Having said that, I have not spend a lot of time in Germany. The last time I was here was on the tour with Billy Talent. As far as I could see, Rock was pretty healthy in Germany. They [Billy Talent] are from Canada, but outside from Canada Germany was their biggest market.
minutenmusik: It still is!
Jamie Lenman: The reactions, that we got from audiences when we came to Germany, were just huge. We only came to Europe twice. Both times we mostly spend in Germany. We got the best reactions over here. So we felt like outside the UK Germany is probably the place, where we got the most following, even though we never did our own shows. We never did headline-shows outside the UK. But if we carried on, we would have liked to come to Europe more. It was just tough for us to organize. We had to get a bigger band, like Billy Talent, to take us with them, before we could do our own shows, but we then split up before we could. But we were really excited about doing more touring in Germany and it has taken me ten years. That is why I am so excited to be here, because I always wanted to come back. So I am over the moon to be here.
minutenmusik: We are looking forward to your show too! Touring your first solo record you had a backing band with you, which consisted of four to seven members. Now your “band“ only consists of you and your drummer Daniel. Is playing live now totally different for you? Was it a hard decision for you to make?
Jamie Lenman: Yeah, it was hard, because people are so locked into the formation of a band – guitar, bass, drums, vocals. With people like Royal Blood and also smaller bands, like Frauds, Slaves and Haggard Cat and other great bands, there all of the sudden seem to be a lot of two-pieces. I thought, that this is pretty cool and had the idea to one day do the same. So I asked myself: “Why not now?“, because you sort of dismiss things like that. I realized, that there actually is no reason, why I cannot do that, so I just did it. I can play the bass myself, which I know do.
When I made the decision, it made everything so much easier. Straight away it is way more complicated to organize – lets say – four people, which was the minimum I had, than just two. That is three other people I had to look out for, rehearsing with them, teaching them the parts, when we were on stage I had to think for four people. When one of them fucks up or was out of tune, I always hear it, because I am the bandleader. So now all I have to worry about is me and Daniel. Because everything starts with Daniel anyway on the drums, he learns things before anyone else would. The work was almost done after recording the record, because he played them on the whole record. So he knows all the parts. Not being a two-piece I would now have to bring in the other guys and teach them the record again twice.
It also means, that I can improvise. If he just keeps the drums going, I can do what I want. Before I could not do that, because there were to other guys. It is very freeing and makes touring much more enjoyable.
minutenmusik: I can totally understand that! A few months a go you hosted your own festival in London, called “Lenmania“. How was that experience for you and is this something you wanna do again? (12:20)
Jamie Lenman: You said „Kein Stress“, and it was „Viel Stress“! There was a lot to do. not just for me, but for my agent,, my managers all worked really hard to put it together. It was such a big event with many bands and I was sort of organizing it, but I was also supposed to be playing. I was trapped in a room like this for all day doing interviews and photoshoots, because it was a big event and everyone wanted to know about it.
minutenmusik: You also played an acoustic-gig at the start of the festival.
Jamie Lenman: That was actually the best bit! Then the day started and at the end I was a nerves wrack. I was ill for about six weeks afterwards. Daniel got ill too. He had like a boil in his armpit, which kept on growing and we did not know, what was happening. So we both got sick. I mean, I am glad, that it sold out and everyone did enjoy it. When you ask me, when the next one is, I am like: NEVER!
But yeah, it created the big noise, that we wanted it to. So everyone had a great time apart from me, but that is fine. (laughs)
minutenmusik: To me it felt like a showcase of the rock underground-scene in the UK, with bands like Bad Sign or In Dynamics playing. Also with bands like Arcane Roots, who you are touring with right now, the scene in the UK feels quite big to me. Do you – after all those years – feel like you belong to that scene?
Jamie Lenman: I do! A couple of nice things happened around that. Do you know Kerrang!-Magazine in Germany?
minutenmusik: Yes!
Jamie Lenman: When I was a kid everyone read Kerrang!. It was were you got your rock-news. They asked me to come to their Kerrang!-christmas-dinner, which is where they have a couple of members of the current bands, the hot bands come together. For them to ask me – my band was around ten years ago. I am an old guy! – was a big deal. So there was me and all those members of those cool bands and I realized, that maybe I am part of an scene. For them for putting us all in the same pot, they gave me an idea of where I stood in the UK-Scene, because you are never quite sure.
Arcane Roots, Black Peaks, Rolo Tomassi and I share the same management, so we are also part of a scene anyway. So I do feel like a part of a scene, which is really great. When I came back with „Muscle Memory“ I did not know where I was, where I stood and where I was going. That was weird for me. I am not sure I was part of a scene at that point. But now with Big Scary Monsters, the management I feel much more plugged into the UK-Scene. I feel like I have a place.
minutenmusik: As a last question: In the last year you released a reissue of „In Nothing We Trust“ by your old band Reuben on vinyl. In the last 25 years a lot changed how people listen to music and consume it. Do you want to continue using “classic“ music formats, like album or EP, or do you want to explore newer formats in the future, like releasing single songs as soon as you finished working on them?
Jamie Lenman: This is an interesting question, because I thought, that physical media was dead. When I did „Devolver“I never thought about releasing it on vinyl or CD. Arcane Roots have got tapes with them!
minutemusik: I think tape is like vinyl a format only “music lovers“ buy.
Jamie Lenman: Yeah, it is just a fetish! But it sounds crap.
I think we should get rid of these physical formats. I was looking forward to be doing a digital-only album. Anywhere Big Scary Monsters said, that selling a physical product is how they make the most money. So fair enough!
As for releasing just tracks for a time or doing it on a record, I thought that would work and released „Mississippi“ just on its own as a single. I thought people would just enjoy the new music and not think about what the format was. But the first question everyone asked, was when the album is gonna come out. So people still think in terms of an album. As an artist I asked myself „Why?“. So one point I was thinking about saying goodbye to the album as a concept and just releasing a string of songs, but now I think the album will stay for a little bit and that is how I prefer to work.
So I always work on ten or twelve songs, that are an album and are great in some of their parts. It is a bit like putting on an exhibition of paintings. You have one painting, but if you have a series they can make a bigger statement. I think that is like the album.
minutenmusik: Yeah!
Jamie Lenman: Das stimmt? (laughs)
minutenmusik: I think so! Thank you very much for the interview.
Foto von Scott Chalmers.
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