Vor ihrem Konzert im Kölner Yard Club am 12.05.2017 hat sich Gitarristin und Sängerin Joanne Shaw Taylor Zeit genommen, mit uns über ihre Deutschland-Tour, das aktuelle Album “Wild” und mögliche Zukunftspläne zu sprechen!
Auch über ihren Auftritt bei Jools Holland haben wir uns unterhalten.
minutenmusik: Hallo Joanne, bist du heute eigentlich zum ersten Mal in Köln?
Joanne: Da bin ich mir nicht sicher. Ich glaube nicht, aber es ist möglich. Wir sind recht viel durch Deutschland getourt. Mein altes Plattenlabel war deutsch, also haben wir hier ein paar sehr ausgedehnte Tourneen gespielt. Aber es sind immer so Tourneen, bei denen ich das Hotel und den Veranstaltungsort sehe und sonst nichts. Wahrscheinlich habe ich schon mal hier gespielt, denke ich. Ich habe sicher vor, hierhin zurückzukommen, damit ich mir die Stadt selbst ansehen kann, denn sie soll echt toll sein.
minutenmusik: Du wolltest eigentlich schon letztes Jahr im Dezember hier auftreten, aber dann bist du leider krank geworden…
Joanne: Ja, ich hatte eine böse Brustkorbinfektion. Wir haben versucht, weiterzumachen, aber letztlich bin ich auf einer Bühne ohnmächtig geworden. Ich nehme an, da war es an der Zeit, ins Krankenhaus und nach Hause zu gehen. Wir haben es aber geschafft, die ausgefallenen Termine neu zu planen, das war gut.
minutenmusik: Wie ist die neue Tour bisher verlaufen?
Joanne: Es läuft prima! Das Publikum war immer richtig gut. Ich hatte vergessen, wie laut ihr hier seid. Das hat sicher mit dem Weizenbier zu tun… Es läuft echt gut. Es ist auch schön, zur Sommerzeit wieder hier zu sein, im späten Frühling. Denn normalerweise toure ich hier im November oder Dezember, wie zuletzt geplant, oder es wird oft im Januar oder Februar in Deutschland getourt. Es ist schön, den Sonnenschein zu sehen, nicht den Schnee.
minutenmusik: Ja, heute haben wir wirklich schönes Wetter hier in Köln.
Joanne: Das war heute auch eine ziemlich heiße Fahrt im Van hierher, sechs Stunden…
minutenmusik: Du giltst als eines der größten jungen Talente im Bluesrock-Bereich. Wie würdest du deinen Bekanntheitsgrad im UK mit dem in Deutschland vergleichen?
Joanne: Im UK haben wir derzeit wahrscheinlich unseren größten Markt. Da bin ich schon mit 15 auf Tour gegangen, also schon viel länger als in Deutschland… Aber auch hier scheint es wirklich gut einzuschlagen. Ich war hier seit ein oder zwei Jahren nicht mehr richtig auf Tour, somit ist es schön, wieder da zu sein. Für uns scheint es hier voranzugehen, die Fans sind großartig.
minutenmusik: Vor einer Weile bist du in der bekannten Musik-Fernsehsendung „Later with Jools Holland“ aufgetreten. Wie war das für dich?
Joanne: Ziemlich nervenaufreibend. Es war etwas, was ich schon immer tun wollte. Als ich das Spielen lernte, als ich mich wirklich mit der Gitarre vertraut machte, da hatten wir noch kein Internet. Somit wurde es mir hauptsächlich durch „Later with Jools Holland“ ermöglicht, B.B. King oder Bonnie Raitt zu sehen und etwas über Blueskünstler zu lernen. Also habe ich mir das mit meiner Mama und meinem Papa angesehen. Meine Mama ist jetzt nicht mehr unter uns, aber sie wollte mich immer bei Jools sehen, also ist das für mich eine große Sache. Aber mein Papa sieht immer sehr unglücklich aus, wenn er mich spielen sieht, er sieht sehr aufgeregt aus. Ich sagte ihm, er könnte kommen, er war meine Verabredung… Er musste aber superglücklich aussehen! Als ich also hinter die Kamera schaute und ihn sah, machte er immer so…(macht ein sehr freundliches Gesicht nach), und ich so: „Danke, Dad…“. Das machte es ein wenig besser. (lacht) Jools war großartig. Ich bin ein großer Fan von ihm. Er selbst ist wirklich so eine Art Institution. Es war echt toll, dabei zu sein, sich das mal anzusehen und mitzumachen. Ein Punkt auf der bucket list abgehakt!
minutenmusik: In welchem Alter hast du angefangen, Gitarre zu spielen? Und wann hast du deine ersten richtigen Songs geschrieben?
Joanne: Ich habe angefangen, auf der Klassischen zu spielen, als ich acht war. Zu meinem dreizehnten Geburtstag bekam ich aber eine Strat, nachdem ich gerade Stevie Ray Vaughan entdeckt hatte. Ich versuchte, Songs zu schreiben, als ich so um die 18 war. Aber erst im Alter von ungefähr 21 machte es klick. Ich schrieb meinen ersten Song, das war „Going Home“, der erste Song auf dem ersten Album. Das kam also ein bisschen später. Aber ich war immer noch relativ jung.
minutenmusik: Deinen ersten Song spielst du nach wie vor live.
Joanne: Ja, den spielen wir sogar heute. Ich denke, das ist immer noch einer meiner Favoriten. Ich spiele meine Lieblingssongs.
minutenmusik: „Wild“, dein neuestes Studioalbum, hast du in Nashville mit dem Produzenten Kevin Sherley aufgenommen, der auch mit Joe Bonamassa gearbeitet hat.
Joanne: Ich habe Kevin vor ein paar Jahren über Joe kennen gelernt, wir sind gute Freunde. Wir wollten immer mal irgendwie zusammenarbeiten. Jetzt passte es zeitlich und es hat gut funktioniert.
minutenmusik: Wusstest du, dass Joe Bonamassa jetzt gerade auch in Deutschland unterwegs ist?
Joanne: Ich habe es vor zwei Tagen herausgefunden. Ich habe ihm zum Geburtstag eine Nachricht geschickt. Dann bemerkte ich, wo er sich aufhielt – und dass wir ihm gewissermaßen folgen. Wahrscheinlich schlechtes Timing, jede Menge lauter Bluesrock für euch hier…
minutenmusik: Heute spielt er sogar in Düsseldorf, nur eine halbe Stunde von hier entfernt.
Joanne: Das ist perfektes Timing für uns! (lacht)
minutenmusik: Wie sieht es eigentlich mit dem kreativen Prozess aus, wenn du mit anderen Musikern ein Album aufnimmst? Stammen alle wesentlichen musikalischen Ideen von dir oder lässt du die anderen da mitmischen?
Joanne: Bei diesem Album war es ein wenig anders. Zuvor habe ich immer alles selbst gemacht, also alles geschrieben und dann zu Jim Gaines gebracht, welcher in der Regel der Produzent war. Die Jungs, Steven und Dave und Rick, die auf diesen Aufnahmen gespielt haben, und Jim hatten dann gewisse Ideen fürs Arrangement, aber im Grunde habe ich alles irgendwie kontrolliert. Diesmal ist es also ein wenig anders. Ich bin einfach auf Songwriter zugegangen, ich hatte wohl irgendwie Lust auf frische Inspiration. Manchmal übernehme ich eine Text-Idee. So hatte ich den Gitarrenteil für „Dyin’ To Know”, aber wir konnten keinen Text finden. Oder ich hatte “Heart’s Got A Mind“ immer im Kopf, und da holten wir uns Leon Russel, der dann die Musik dazu fand. Also war es auf dem neuen Album so halb und halb, was irgendwie eine nette Erfahrung war. Ich glaube, das hat es zu einem anderen Album werden lassen… Vier selbständig gemachte Alben in sechs Jahren, das war dann erstmal genug. Es war an der Zeit für ein wenig Hilfe und frische Inspiration.
Aktuelles Album “Wild”.
minutenmusik: Wie wichtig ist der Produzent für dich bei der Suche nach dem Sound für ein neues Album?
Joanne: Sehr! Das Bedeutendste für mich an einem Produzenten ist, dass es jemand ist, dem man vertrauen muss. Ich könnte zehn Lieder zu irgendeinem Produzenten bringen und das Album wäre anders als das, was Kevin daraus machen würde. Gewissermaßen muss man sich ihm aushändigen und ihm überlassen, was für ein Joanne Shaw Taylor – Album er daraus machen will. Daher muss es ein gutes Vertrauensverhältnis geben. Damit [die Produzenten] dir zuhören, wenn dir etwas nicht gefällt. Damit du auch ihnen vertraust, wenn sie ihre Vision haben. Ich bin begeistert, wenn sie „Wild Is The Wind“ oder „Summertime“ als ein Cover vorschlagen. Ich vertraue Kevin und ich weiß, dass ich am Ende des Tages, wenn mir nicht gefiele, was dabei herauskommt, meine Spielzeuge auch aus dem Wagen schmeißen könnte, weißt du? (lacht)
minutenmusik: Schreibst du Lieder eher spontan oder ist das vielmehr ein ausgeklügelter, langwieriger Prozess?
Joanne: Nichts, was ich mache, ist ausgeklügelt. (lacht) Das kommt drauf an. Normalerweise mache ich es ziemlich spontan, weil ich bei dem vielen Touren in den letzten Jahren gar nicht so viel Zeit habe. Und wenn ich mal frei habe, dann will ich Zeit mit meiner Familie oder mit Freunden verbringen, oder einfach die Tür schließen und alles ignorieren. Üblicherweise nehme ich mir vor geplanten Aufnahmen ein paar Wochen Zeit, um ein bisschen runterzukommen. Ich werde mir im Sommer ein wenig mehr Freizeit gönnen. Dieses Jahr werde ich im Laufe des Sommers ein bisschen was schreiben, vielleicht.
minutenmusik: Isolierst du dich während der Aufnahmen im Studio oder gehst du vielleicht auch mal aus? Dein letztes Album wurde zum Beispiel in Nashville aufgenommen, wo ja sicher viele Konzerte stattfinden.
Joanne: Ich bin nicht allzu viel unterwegs gewesen, aber ein wenig schon, weil ich mal etwas länger da war. Normalerweise nehmen wir in etwa zehn Tagen auf, aber ich war eher da. Ich habe einige Freunde, die in Nashville leben, also kam ich raus und sah ein paar Jams, aber die Zeit vergeht schnell. Im Wesentlichen schreibt man innerhalb von zwei Wochen das ganze Album, man muss es lernen, damit man zum Aufnehmen ins Studio kann… Als ich wieder im Hotelzimmer war, hatte ich entweder noch Hausarbeit zu erledigen… oder ging einfach schlafen, um am nächsten Tag wieder bereit zu sein.
minutenmusik: Die Rival Sons nehmen übrigens auch regelmäßig in Nashville auf. Du standest ja schon mal vor ihnen auf der Bühne…
Joanne: Ja, beim Rockstock! Ich glaube, wir spielen auch dieses Jahr wieder auf einem Festival mit ihnen. Sie sind richtig nette Jungs. Ich glaube, sie haben in Nashville mit Dave Cobb aufgenommen. Er hat gerade das Studio gekauft, in dem wir „Wild“ aufgenommen haben, es ist also eine ziemlich kleine Welt… Sie sind gute Jungs, eine großartige Band.
minutenmusik: Wenn ein Album fertig ist, führt dich der Weg irgendwann auch immer in die Konzertsäle. Wie bereitest du dich für eine anstehende Tournee vor? Probst du die Lieder vorher intensiv oder steckt viel Improvisation dahinter?
Joanne: Es kommt darauf an, ob wir neue Songs ins Set aufnehmen. Das machen wir gerne, um Abwechslung reinzubringen. Einige Songs spielen wir seit zehn bis fünfzehn Jahren. Bei manchen Songs will man sich die Inspiration offen halten, will man sich selbst etwas Neues bieten. So gehen wir normalerweise für ein paar Tage in die Vorproduktion, schreiben eine Setlist und konkretisieren die Dinge.
minutenmusik: Wie verändern sich die Auftritte im Verlauf einer Tournee? Werden die erste und letzte Show verschieden sein?
Joanne: Hoffentlich ist es am Ende um einiges tighter. (lacht) Wenn wir unseren Job richtig machen… Ich denke, dass diese Tour etwas anders ist. Wenn wir derart lange unterwegs sind – wir haben gewissermaßen zwei vierwöchige Touren gleich hintereinander gespielt, wir hatten kurz frei, aber nicht lange… Wir haben angefangen, neue Nummern aufzunehmen, weil wir uns sonst irgendwie selbst langweilen. Und wenn wir auf die Setlist schauen und sagen: „Oh, der Song schon wieder“, dann wird es auch dem Publikum nicht gefallen. Also mischen wir es ein bisschen.
Joanne: Ja, ich bin eine unabhängige Künstlerin. Ich habe meine eigene Plattenfirma. Zum Glück habe ich mit der Verwaltung nichts mehr zu tun, denn dazu habe ich offen gesagt einfach nicht die Zeit und Energie. Das habe ich mal gemacht, ich habe meinen Beitrag geleistet. Ich bin gerne daran beteiligt, wenn es darum geht, wo und wann wir auf Tour gehen, weil ich diejenige bin, die dann raus muss.
minutenmusik: Gibt es in der Musikindustrie Dinge, die du gerne ändern würdest?
Joanne: Ich würde gerne einen Teleporter erfinden, damit ich nicht mehr sieben Stunden am Tag in einem heißen Van verbringen muss, wenn ich zu einem Gig gelangen will. Das wäre schön. Ich glaube, wir alle – ich und die Jungs – werden der Sache zu diesem Tour-Zeitpunkt überdrüssig. Aber so ist es halt. Ich weiß nicht, was ich ändern würde. Ich habe wirklich Glück, ich arbeite für niemand anders, ich arbeite für mich selbst – und so wollte ich es. Ich wollte die Kontrolle über meine Karriere und meine Aktivitäten… In der Hinsicht kann ich mich glücklich schätzen. Es gibt viele Leute, die solch ein Glück nicht haben können. Daher weiß ich nicht, was ich ändern würde. Ich bin ziemlich zufrieden damit, wo ich jetzt stehe.
minutenmusik: Freiheit und Unabhängigkeit sind dir also sehr wichtig.
Joanne: Ja, das passt zu meiner Persönlichkeit. Ich war nie sehr gut darin, mir Dinge befehlen zu lassen. Das läuft nicht sehr gut: Leute, die mir etwas auftragen wollen… (lacht)
minutenmusik: Gibt es Träume, die für dich wahr geworden sind? Hast du Wünsche für die Zukunft – Dinge, an denen du noch arbeitest?
Joanne: Es gab da gewisse Gigs. Mit Dave Stewart aufzutreten oder bei Jools Holland, beim Glastonbury, internationale Tourneen… Mein Hauptziel war es, Alben zu machen, mit denen ich glücklich sein und auf Tour gehen kann. Und davon leben zu können. Es ist eine Industrie, in der man schwer nachhaltig Fuß fassen kann. Da habe ich Glück, dass ich das machen kann. Aber ich würde gerne noch mehr machen. In diesem Moment bin ich mir nicht ganz sicher, was die Ziele sind. Jetzt gerade liegt mein Fokus auf dem Gitarrenspiel, weil ich da in jüngster Zeit nicht ganz so viel gemacht habe. Ich denke, dass ich mehr mit anderen Künstlern kollaborieren will, um andere Alben zu machen. Ich habe noch kein richtig traditionelles Blues-Album gemacht, das würde ich gerne mal. Ich wollte immer so eine Art Soul-Album in Detroit machen. Es sind wohl eher kreative Ziele, die ich erreichen will!
minutenmusik: Viel Erfolg dabei! Ich freue mich schon auf das Konzert heute Abend, das wird sicher richtig gut. Den Kölnern wird es bestimmt gefallen.
Joanne: Ich hoffe es! (lacht)
Der gut besuchte Auftritt überzeugte voll und ganz! Zusammen mit ihrer mehr als soliden Band zauberte Joanne nach einem kurzen und knackigen Start (“Dyin’ To Know”) viele abwechslungsreiche Stücke mit spannenden und mitunter sehr langen Gitarrensolos auf die Bühne. Ihr Gesang wirkte live etwas kräftiger als auf den Aufnahmen. Der Coversong “Wild Is The Wind” war sicherlich ein Highlight des Abends – neben einigen grandiosen Songs ihrer früheren Alben, darunter “Diamonds In The Dirt”, dessen einprägsamer Refrain für den Dauerohrwurm am nächsten Tag sorgen sollte… Letzte Nummer des Abends war natürlich “Going Home”.
Joanne Shaw Taylor live:
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.