Björk, Barclays Arena Hamburg, 21.11.2023

[DISCLAIMER: Als Autorin dieses Texts distanziere ich mich explizit vom verheerenden Verbreiten von Falsch-Informationen über die aktuelle Lage in Israel durch die Künstlerin. Derartige Aussagen fallen zwar unter die Meinungsfreiheit, sind durch ihre Fehldarstellung jedoch insbesondere in der aktuellen Zeit gefährlich.]

58 Jahre Björk. Und diesen Geburtstag feiert die isländische Ikone eben kurzerhand mit Tausenden ihrer Fans in Hamburg, umgeben von einer imposanten, eigentümlichen und kreativen Show. Mehr Björk geht eigentlich nicht. Fotos und Videos von der großen Fete soll es aber nicht geben – das wünscht sich die Musikerin ganz bewusst. Die meisten Publikumsgäste erfüllen ihr diesen Wunsch.

Um 20:05 wird dann die gesamte Arena aus Hamburg raus und in eine bizarre Zukunfts-Parallelwelt gebeamt. Und das durch den gezielten Einsatz von einer Licht- und Bühnenshow, die selbst leidenschaftlichen Konzertgänger*innen überwältigen wird. Wie die riesigen Vorhänge per Beamer mit undefinierbaren Pflanzen gesprenkelt werden, die im Takt der Musik winden, wachsen und wuchern, ist eins von vielen Spektakeln, die das Publikum heute erwartet.

Dazu spendiert Björks eigenes Flöten-Septett Viibra eine weirde Choreographie, die im Einklang mit ihren elfenhaften Kostümen und der schlichten aber doch irgendwie magischen Bühnendeko endgültig jede Erinnerung an die kühle Hansestadt vergessen lassen. Das hier ist Atmosphäre und Weltenkreation in Bestform.

Inmitten des ganzen Trubels steht Björk selbst, die große Musikerin, die die Massen bis heute mit Non-Konformität, einer ganz eigenwilligen Musikalität und einer starken künstlerischen Vision begeistert. Heute wird sie selbst Teil der Szenerie, ist durch ihr Outfit fast unkenntlich. Doch da ist nunmal diese Stimme, dieses unverkennbare Timbre, das nun wirklich niemand auf dieser Welt nachahmen könnte.

Die Show am heutigen Abend gehört zur großen Cornucopia-Tour, in der Björk ihre Residency-Show im New Yorker „The Shed“ aufgreift. Dabei werden vor allem ihre aktuellsten Alben „UTOPIA“ und „Fossora“ aufgeführt, aber auch je ein Lied aus „Debut“, „Medúlla“, „Post“, „Vulnicura“ und „Vespertine“.  Musikalisch ist diese knapp 90-minütige Show von vorne bis hinten auf dem Weltklasse-Niveau, das man auch irgendwie erwartet hat. Von der reduzierten Aufführung des großen Erfolgs „Venus as a Boy“ über das dramatisch große „Future Forever“ bis zum rhythmischen und verschachtelten „Fossora“ ist die Atmosphäre wasserdicht. Das Thema der großen Tour zieht sich dabei ebenfalls stringent durch: Es geht um die Lösungssuche nach einem Einklang aus Natur und Technik für eine nachhaltigere Lebensweise.

Wie von selbst verwachsen die Flöten-Arrangements mit den Stücken, dazu bieten der Grammy nominierte Musikdirektor Berug Bórisson, sowie Multi-Instrumentalisten Manu Delago und Katie Buckely auf der Bühne die weiteren Songschichten. Während des Konzerts wird dann auch mal nur mit dem Auskippen von Wasserkübeln in einen Behälter eine Klangwelt erschaffen, um die kleine Hütte auf der Bühne eine bedrückende, dunkle Aura geboten oder ein gigantischer Vogel über die ganze Bildschirmfläche angeflogen.

Nichts scheint an diesem Abend unmöglich. Außer vielleicht, dass die so absolut jeglicher strikten Melodieführung entkommenden Songs der neuen Alben einen auf Dauer doch auch überfordern können. Aber mit Überforderung muss bei Björk gerechnet werden. Genauso wie mit Statements. Die kommen heute zwar nicht aus Björks Mund, dafür aber ausgerechnet aus Greta Thunbergs. Diese wird mit einem zweifellos löblichen Statement für Klimaschutz vor der Zugabe eingespielt. Dass beide Personen sich seit Jahren in großem Maß für das Thema starkmachen, in allen Ehren. Dass nun beide durch ihre äußerst problematischen Aussagen zur Lage in Israel aber auch negativ auffallen, macht den Abend dann doch irgendwie schwer verdaulich.

Wer darüber hinweggucken kann und möchte, bekommt hier ein kreatives musikalisches Meisterwerk geboten. Dieses fühlt sich stets mehr wie der Besuch einer kühlen Vernissage denn wie ein warmes, nahbares Konzert an. Das bricht nur einmal: Wenn die Band kurzerhand in der Zugabe „Happy Birthday“ anstimmt. Björk ist gerührt, geht aber schnurstracks zurück ins Programm. Schade.

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