Es ist das Phänomen eines jeden Menschen: Unsere Lieblingsmusik ist und bleibt die, die wir in unserer Kindheit hörten! Quasi jeder behauptet von „seinem“ Jahrzehnt, dass es musikalisch das beste war und „seine“ Stars nie getoppt werden können von dem ganzen gegenwärtigen Klamauk. So scheint es auch 2000 Leuten in Oberhausens König Pilsener-Arena zu gehen, die am Mittwochabend einen der letzten übrigen 80s- und 90s-Showmaker abfeiern: David Hasselhoff.
Der Typ hat ja gefühlt alles durch. Von Nr. 1-Hits über deutsche Schlagereskapaden bis hin zu 78 Comebackversuchen. Dazwischen allseits bekannte Schauspielrollen in US-Erfolgsserien, einige Alkoholmissbräuche und Gastauftritte in B-Movies. The Hoff ist einfach eine Marke, die zwar eher belächelt als ernst genommen wird, aber irgendwo findet man ihn dann doch halt ganz nice.
Ziemlich genau so sieht das offensichtlich auch das Publikum, das sich zum größten Teil aus männlichen Gästen zusammensetzt. Die meisten sind hier Mitte 30, dazwischen geht es mal rauf bis an die 60 – unter 30 Jahren ist wohl kaum jemand. Der Merchstand explodiert bereits vor dem Auftritt. Jeder will eins der kultigen Shirts mit kreativen Printideen, um zusätzlich optisch vorbereitet zu sein. Einige tragen sogar „Baywatch“-Kostüme.
Der Oberrang bleibt geschlossen, der Unterrang ist nur zu zweidrittel besetzt und im Innenraum stehen Stühle – so schnell kann eine Halle, die bis zu 12.000 Leute beheimaten kann, schrumpfen! Wer nun aber denkt, dass The Hoff einfach ausgedient hat, sei gewarnt: Der Gute macht immerhin auf seiner “30 Years Looking For Freedom”-Jubiläumstournee 19 (!) Konzerte in knapp vier Wochen. Wenn also 19x 2000 Leute kommen, ist das für einen Künstler, der seit einem Vierteljahrhundert keinen großen Hit mehr hatte, schon beachtlich.
Der Crowd scheint das wirklich auch alles ziemlich egal zu sein. Stattdessen wird ordentlich (König) Pils(ener) geschüttet, Leuchtstäbe hochgehalten und bereits vor dem ersten Erscheinen „David Hasselhoff – shalalalala!“ gegrölt. Hier hat jeder seinen Alltagsstress zuhause und sich von dem Retrofeeling anstecken lassen. Mit nur zehn Minuten Verspätung und ohne Vorgruppe geht es dann um 20:10 los.
Dass David keine 30 mehr ist, merkt man schnell. Das Tanzen wird auf einige Moves reduziert, Choreografien bleiben aus. Gesanglich läuft es zu 80% recht gut, selbst wenn es rhythmisch häufiger zu Problemen kommt und The Hoff gerne mal einen Schlag im Takt zu schnell ist. Bei einem Song vertut er sich sogar textlich in der Strophe. Das zeigt aber zumindest, dass hier das meiste Live abläuft, was wieder sympathisch ist. Und da sind wir schon beim wichtigsten Schlagwort: Sympathie!
Keiner ist hierhergekommen, um einen guten Sänger oder guten Tänzer zu sehen. Alle sind hier, weil The Hoff halt einfach The Hoff ist – und das ist er mit Leib und Seele! David erzählt zwischendrin lustige Anekdoten, wie die Songs entstanden sind, nimmt sich keine Sekunde zu ernst, zeigt stolz bei „Hooked On A Feeling“ das Video, das zum schlechtesten Musikclip aller Zeiten gewählt wurde und feiert sich selbst nur in Maßen. Wenn die Meute fanatisch jubelt und „David! David!“ ruft, ist er kurzzeitig immer verunsichert, lacht etwas beschämt und leitet zum nächsten Song über. Ein Promi, der wohl so oft im Fokus stand und sich dabei gerne mal blamierte, scheint es zu schätzen zu wissen, dass so viele Leute noch kommen, um ihn zu sehen – und das bei Ticketpreisen bis zu 85€!
Statt einer Vorband wird nach 45 Minuten eine Pause dazwischengeschoben, die die beiden Akte teilt. Die zweite Hälfte geht mit 65 Minuten wesentlich länger und funktioniert in allem besser: Jeder ist bereits ordentlich in Laune, hier kommen Klassiker am laufenden Band und bei den meisten Besuchern stimmt nun auch der Alkoholpegel. Einige Songs auf der Setlist sprengen den guten Geschmack definitiv. Coverversionen von „It’s A Real Good Feeling“, „Sweet Caroline“ oder „Country Roads“ rutschen in die Musikantenstadl-Ecke ab und erwecken das Fremdschämgefühl, das man bei gewissen Szenen mit Herrn Hasselhoff beim Burgeressen zuletzt hatte.
Der Rest der 24 Tracks umfassenden Setlist bleibt aber so, wie es gewünscht wird: ein purer Nostalgieabend mit coolem Trash und unfassbar viel Spaß! „Crazy For You“, „Lonely Is The Night“ und „Flying On The Wings Of Tenderness“ feuern die textsicheren Zuschauer zum Mitmachen an, die „Baywatch“- und „Knight Rider“-Themes dürfen nach unzähligen Durchläufen auf 90s-Partys nun endlich Live gehört werden und bei „Wir Zwei Allein“ kann The Hoff nach Ewigkeiten mal wieder auf Deutsch singen, unterstützt von einer seiner drei Backgroundladies. Zu „Do The Limbo Dance“ zieht unerlaubterweise eine riesige Polonaise durch den Innenraum und im Finale bei „Looking For Freedom“ (seht einen Ausschnitt HIER auf unserem Instagram-Profil) ist eh alles vorbei. Leider fehlt „Hands Up For Rock’n’Roll“, obwohl es mehrmals in der mit 30 Minuten etwas zu langen Pause läuft. Außerdem gerät der Opener der zweiten Hälfte – „This Is The Moment“ aus dem Musical „Jekyll & Hyde“, bei dem David einige Zeit die Hauptrolle spielte (kein Witz!) – schrecklich ins Wanken. Das mag daran liegen, dass er höchstpersönlich durch den Innenraum stolziert und mehr mit dem Publikum und den Reaktionen beschäftigt ist als mit den Tönen. Auch showtechnisch reduziert sich die Bühne nur auf einen großen Bildschirm mit Videoeinspielern, einigen Konfettibomben, einer leuchtenden Showtreppe und Rauchmaschinen. Die sechsköpfige Band sieht optisch so aus, als ob sie ansonsten in Metalformationen verkehrt.
Irgendwie ist alles ein wenig What The Fuck, jedoch nimmt hier jeder das Gleiche mit, nämlich Momente, die es auf Konzerten häufig zu selten gibt: Pure Ausgelassenheit und das Über-Bord-Schmeißen von Prinzipien. Stattdessen haben einfach alle einen geilen Abend und machen danach noch euphorisch einige Selfies vor dem K.I.T.T.-Auto im Foyer.
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Foto von Christopher F.
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