Donnerstagabend, ausverkaufte Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf. Einlass im strömenden Regen, doch davon lassen sich die aufgeregten Konzertbesucher*innen nicht abschrecken. Das Publikum ist fast ausschließlich weiblich und wirkt größtenteils noch nicht ganz volljährig – Grund für ihre Euphorie ist niemand geringes als Dean Lewis. Der australische Singer-Songwriter, der einst mit „Be Alright“ seinen ersten Hit landete, ist zurück in Deutschland. War er im vergangenen Jahr noch in kleiner, intimer Club-Atmosphäre unterwegs (unser Bericht aus Köln), so hat es Dean Lewis in diesem Jahr nun in die größten deutschen Hallen seiner bisherigen Karriere geschafft.
Als Opener gab es aber erstmal Sofia Camara. Die junge Singer-Songwriterin und Multi-Instrumentalistin hatte ihren Durchbruch über Social Media geschafft, nachdem ihre Single „Who Do I Call Now? (Hellbent)“ dort viral gegangen war. Begleitet von ihrer zweiköpfigen Band und einer unfassbar starken, ehrlichen Stimme präsentierte die 22-jährige Kanadierin eine Mischung aus eigenen und noch unveröffentlichten Songs, sowie eine großartige Cover-Version des Chappel Roan Hits „Good Luck, Babe!“ bei der sie das Publikum erfolgreich zum Mitsingen animieren konnte. Oft sind Support Acts etwas, was man über sich ergehen lässt und hofft, dass sie bald vom Hauptact abgelöst werden – doch Sofia Camara hätten wir noch stundenlang zuhören können! Am 21. März wird die Sängerin ihre nächste EP veröffentlichen und wir werden auf jeden Fall reinhören.
Im Anschluss war es an der Zeit für den Hauptact des Abends: den australischen Sänger, Songwriter und Popstar Dean Lewis. Ein aufwendiges Bühnenbild, an dessen Decke wallende Tücher mit geschriebenen Notizen hingen, hüllten die Mitsubishi Electric Halle in eine mystische Atmosphäre. Mit eigener Akustik-Gitarre und Liveband im Gepäck eröffnete der 37-Jährige sein Set mit der noch recht aktuellen Single „Empire“ – einem Song, der durch Lyrics wie „I feel so alone“ sogleich die Stimmung des restlichen Abends vorgab: traurige Texte eines „sad, depressed man“ (Zitat Dean!) für seine ebenso depressive Fangemeinde. Doch von Traurigkeit an diesem Abend keine Spur – in der Halle sah mal vor allem strahlende Gesichter und junge, glückliche Fans, die sich die Songzeilen gegenseitig aus tiefstem Herzen entgegen sangen. Zumindest bei den meisten Fans war dies der Fall – leider beobachteten wir auch viele jungen Mädchen, die den Großteil des Konzertes auf Snapchat und BeReal verbrachten und vom Konzert nicht allzu viel mitzuerleben schienen. Schade – vor allem weil die Tickets mit 67 Euro nicht gerade ein Schnäppchen gewesen sind, das man sich mal eben so von seinem Taschengeld erlauben kann.
Aber zurück zu Dean – in über 90 Minuten sang er sich durch seine gesamte Diskografie: angefangen bei seinem Debütalbum „A Place We Knew“ bis hin zu seinem aktuellsten Release „The Epilogue“, das im vergangenen Jahr erschienen war. Dabei wechselte er ab und zu von der Gitarre ans Klavier oder gesellte sich zu den Fans der ersten Reihe um sie kurzfristig als Mikrofon-Ständer zu benutzen. In kurzweiligen Ansagen zwischen den Liedern zeigte er sich nahbar und sympathisch, freute sich über zufliegende Fan-Geschenke und las einige Schilder vor, die in die Höhe gehalten wurden. Für seinen aktuellen Hit „With You“ holte Dean Lewis sich dann noch einmal Sofia Camara zurück auf die Bühne und performte die aktuelle Single in einem wunderschönen, herzzerreißenden Duett, das in dieser Form bald auch nochmal veröffentlicht wird.
Auch Dean ließ es sich nicht nehmen, einen aktuellen Radio-Hit zu covern und performte eine eigene Version des Gracie Abrams‘ Songs „That’s So True“ – der vermutlich der glücklichste Song an diesem Abend war. Im Anschluss flitzte der Sänger einmal durch die gesamte, prall gefüllte Mitsubishi Electric Halle und spielte einen Teil des Sets auf einer B-Stage am FOH. Hier gab es unteranderem „Half A Man“ zu hören, ein Lied des ersten Albums, das kürzlich Dank einer gehypten Buchreihe auf Social Media noch einmal viral gegangen war. Auf Fanwunsch gab es außerdem Deans vermutlich traurigsten Song „Trust Me Mate“, in dem er die Hilflosigkeit besingt, wenn eine geliebte Person mit Suchtproblemen zu kämpfen hat.
Für das Finale seines Sets gab Dean Lewis dann noch einmal alles: erst rannte der Sänger für einen Song quer durch den Stehplatz-Bereich, dann gab es eine spaßige Coverversion des Goo Goo Dolls Hits „Iris“, ehe „How Do I Say Goodbye“ die Menge noch einmal zu Tränen rührte, als bei dem für seinen Vater geschriebenen Song diverse Tribute-Fotos auf der Leinwand zu sehen waren. Zu guter Letzt fiel Dean Lewis dann beim Schlussapplaus noch von der Bühne – ja ernsthaft! Auf Instagram schrieb der Sänger später, dass er von Glück sprechen konnte, dass ein random Seil neben der Bühne hing, an dem er sich festhalten konnte, um Schlimmeres zu vermeiden. Mit „Be Alright“ – in dem Fall doppeldeutig – entließ Dean Lewis seine Fans dann zurück in den Regen.
Insgesamt lieferte der australische Sänger eine runde (Trauer-)Feier und bewies, dass er es durchaus von den kleinen Clubs in die großen Hallen schaffen kann. Doch irgendwie war es dennoch der schwächste und am wenigsten eindrucksvollste Auftritt, den wir von Dean Lewis bislang sahen. Stimmlich zeigte er sich etwas angeschlagen, sprach manchmal einfach mitten in den Songs, um schwierigen Tönen auszuweichen und wirkte insgesamt – besonders bei seinen Klavierballaden – super nervös und unruhig. Immer wieder stand er kurz von seinem Hocker auf, warf Herz-Finger in die Menge, setzte sich dann wieder und brachte damit ständig emotionale Höhepunkte ins Wanken. Zu all dem kam noch hinzu, dass ausgerechnet kurz vor dem Konzert (bislang unbestätigte!) Gerüchte zu seinem Umgang mit jungen Fans im Internet die Runde machten, was dem Konzert für uns eine etwas unruhige Grundstimmung gab.
Doch auch wenn die Show vielleicht nicht die beste Dean Lewis Show war, die wir bisher erleben durften – seine Songs und Bühnenpräsenz bleiben dennoch ein konstantes emotionales Highlight für alle gebrochenen Herzen und depressive Fans.. wie uns.
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