Lange ist es noch nicht her, dass FJØRT mal als der Geheimtipp im deutschen Post-Hardcore galten. Inzwischen kommt man aber kaum noch an dem Aachener Trio vorbei, wenn man sich ernsthaft für dieses Genre interessiert. Eine Stadt durfte natürlich auch im Rooster der aktuellen Südwärts Tournee nicht fehlen – und das war natürlich die Heimatstadt der Musiker. Tourabschluss stand also auf dem Plan und es durfte nicht weniger als eine letzte, wunderbare Show vor ausverkauftem Haus im Aachener Musikbunker erwartet werden. Der Abend begann erst einmal mit den Briten We Never Learned To Live, die mit ihrem launigen Post-Hardcore sicherlich einige neugierige Zuhörer für sich und ihre Musik gewinnen konnten, mich zum Beispiel. We Never Learned To Live heizten dem Bunker-Publikum auf jeden Fall schonmal ordentlich ein und kehren im Mai, dann mit neuem Album im Gepäck, auch schon wieder nach Deutschland zurück.
Weitergehen sollte es dann nach kurzer Umbaupause mit der Hauptband. FJØRT können inzwischen bereits auf drei Longplayer zurückschauen und haben dementsprechend genug Repertoire für eine ordentliche Show, welche im Endeffekt auch mehr als 90 Minuten dauerte. Das Set bestand überwiegend aus Songs der letzten beiden Alben „Couleur“ und „Kontakt“, von ersterem wurden nämlich ganze acht Songs gespielt und auch Kontakt war mit beliebten Stücken wie „Lichterloh“ und „Paroli“ und vier weiteren Nummern intensiv vertreten. Aus dem Erstlingswerk „D’Accord“ schafften es nur noch zwei Songs in die Setlist. Wenn auch jeder Fan vermutlich einen klaren Albenfavoriten hat, so gibt es bei FJØRT Konzerten kaum Fans, die auf den einen Song warten. Dafür hat die Band einfach einen zu eigenen Stil, den man entweder gesamtheitlich super findet oder komplett ablehnt. So ist auch das Publikum ab Sekunde 1 lautstark dabei und genießt den Abend mit der Band sichtlich, ebenso wie die drei Musiker auf der Bühne. Es ist eine emotionale Show, der man anmerkt, dass hier Musiker am Werk sind, die sehr viel handwerkliches Geschick und Herzblut in ihre Musik legen und damit ein Publikum anziehen, was diese Leistung entsprechend würdigt.
An einem fehlt es dem Konzert an diesem Abend wahrlich nicht, und das ist Lautstärke. Viele Konzertgänger und Musiker vertreten ja die Auffassung, dass ein Konzert alles sein darf, aber auf keinen Fall zu leise. Ich finde es jedoch mindestens genauso schlimm, wenn ein Konzert durchgehend viel zu laut ist – und zwar so laut, dass man zwischenzeitlich die Ansagen nicht verstehen kann, weil das Mikrofon komplett übersteuert ist oder man trotz Hörschutz nach der Show erst einmal mit einem Rauschen auf den Ohren zu kämpfen hat. Das ist schade, denn auch die ruhigen Momente sind bei FJØRT außerordentlich schön und gerade die Abwechslung zwischen brüllender Lautstärke und ruhigen, nachdenklichen Momenten haben die Band bei vielen Fans so unverzichtbar gemacht. Wenn das Konzert auch in seiner Gesamtheit positiv in Erinnerung bleibt, geraten gerade die leisen Töne an diesem Abend etwas in Vergessenheit.
Das war es dann aber auch schon mit der Kritik an der Show der Kaiserstädter. Denn sonst gab es rein gar nichts negatives über dieses Konzert zu sagen. FJØRT sind live wie auf Platte eine Wucht und neben begabten Musikern auch grundsympathische Typen. In Zeiten in denen sich Künstler an Klickzahlen und Social Media Aufrufen messen lassen (müssen), darf die Bodenständigkeit von FJØRT nicht unerwähnt bleiben. So erzählt Bassist Kosslowski, dass sie auf der Fahrt aus Düsseldorf darüber nachgedacht hätten, warum ihnen so viel Glück zuteilkommt, ihre Musik so großen Anklang findet und sie mittlerweile immer häufiger vor ausverkauftem Haus spielen. Angefangen hat alles, so erzählt Kosslowski, vor wenigen Jahren zwei Etagen über der jetzigen Bühne. Dort im Proberaum trafen sich die Aachener, um „einfach mal Krach zu machen.“ Niemals hätten sie erwartet, dass sie jemals vor einem so großen und begeisterten Publikum spielen, aber die ersten Fans hätten es möglich gemacht, in ihren Kreisen von der Band erzählt und immer neue Musikbegeisterte angesteckt. Neben der sichtbaren Ergriffenheit und Dankbarkeit der Band nutzt David Kosslowski die Möglichkeit auch, um einen deutlichen Appell ans Publikum zu senden: „Schenkt den anderen 100 Bands, die hier oben in diesen ganzen Proberäumen spielen auch diese Offenheit, die ihr uns geschenkt habt. Nutzt weiter die Kulturangebote und sorgt dafür, dass bestehende Angebote erhalten bleiben.“ Schließlich bezieht er sein Statement dann auch auf den Musikbunker Aachen, der sich, wie so viele Veranstaltungsräume und Konzertlocations, gegen wütende Anwohner und gierige Investoren verteidigen muss. Als er schließlich prophezeit „Niemand wird jemals schaffen diese Kulturstädte dicht zu machen!“ unterstützt ihn das Publikum mit begeistertem Jubel. Und in diesem Moment glaubt im ganzen Raum auch niemand daran, dass der Musikbunker Aachen jemals wird schließen müssen. Weil es einfach nicht passieren darf.
Nach ihrem 13 Songs langen Hauptset verlassen FJØRT die Bühne nur kurz um für drei Zugaben nochmal zurückzukehren. Die Menge verausgabt sich noch einmal und holt die letzten Energiereserven raus, bis die Band schließlich final die Stage verlässt.
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