Das Gebäude 9 fühlt sich zu klein für Holly Humberstone an. Diese Frau jedenfalls gehört nicht vor hunderte, sondern vor tausende von Menschen. In ihrer Heimat, dem Vereinigten Königreich, steht sie bereits in Hallen dieser Größe. Sehr bald, das wird an diesem grauen Wintertag während ihres ersten eigenen Konzertes in der Domstadt deutlich, wird sie es auch hierzulande tun.
Dabei steht Humberstone vor keiner leichten Aufgabe. Vor zwei Tagen ist sie ohne Stimme aufgewacht. Bei 13 Konzerten in 17 Tagen kann das mal passieren. Sie gibt dennoch ihr bestes. Es ist zwar merklich hörbar, dass sie angeschlagen ist. Trotzdem sitzt jeder Ton. Nur minimal klingt die sonst so glasklaren Stimmfarbe Humberstone nach Whiskey-Abend.
Humberstone außerdem ist keine eklektische Performerin. Vielmehr eine mit ruhigem Gemüt. Die Gitarre lässig vor dem Oberkörper baumelnd, den Körper behutsam im Takt windend, zu den passenden Stellen die Arme in Richtung Zuschauende richtend. Alles unter Kontrolle. Während der Songs, aber auch zwischen diesen. Lässig dirigiert sie Menge und Band, berichtet von den Hintergründen zu Liedern und ihrem ersten Mal in Köln als Support von Lewis Capaldi kurz vor dem drastischen Pandemie-Einschnitt im Frühjahr 2020. Sie ist außerdem sichtlich angetan und dankbar, kommt zum Schluss gar nicht mehr aus den Lobhudeleien heraus.
Begleitet wird Holly Humberstone von einer dreiköpfigen Band, mit deren Hilfe sie ihre Songs in leicht rockigere Versionen ihrer selbst verwandelt ohne dabei deren Bedroom-Pop-Charakter anzugreifen. So changiert das gut 70-minütige Set zwischen Ballade, elektronischem Indie-Pop und Rock. Besonders das gemeinsam mit Einheizer Medium Build gespielte Duett “Cocoon”, aber auch die brodelnde Indie-Ballade “Falling Asleep At The Wheel” sowie das elektrisierende “Flatlining” stechen währenddessen heraus.
All das klingt fantastisch und füllt das randvolle Gebäude 9 mit einer wohligen Wärme und Vertrautheit. Entsprechend laut sind die Jubelstürme zwischen den Liedern, auch wenn ansonsten eher Zurückhaltung angesagt ist. Zu viel Aufmerksamkeit fressen Liedmaterial und Performance. Schlussendlich bleibt dennoch das Gefühl, dass eine größere Menge Humberstone euphorischer gegenüber getreten wäre. Zugestanden hätte ihr es allemal.
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Foto von Jonas Horn.
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