“Love is the Fing” ist der Slogan des aktuellen Idles-Albums “TANGK” und überhaupt drehe sich ja alles um Liebe. Umso enttäuschender, dass in einer Spielzeit von knapp 125 Minuten zwar mehrfach Platz für “Viva la Palestine”-Rufe war (so angemessen die Aufmerksamkeit auf die Leiden der palästinensischen Bevölkerung auch ist!), israelische Geiseln oder global eskalierender Antisemitismus aber draußen bleiben. Nicht nur dadurch wird ein eigentlich sehr guter Konzertabend in seiner Gesamtnote beeinträchtigt.
Ein Anfang mit viel Atmosphäre
Im Kontrast zur aktuellen Idles-Ära, die geprägt von farbenfrohen Visuals und Positivität ist, färbt aber zunächst der Support Ditz die Industriewände in kühle Schwarz-Weiß-Töne. Der kantige Noise-Rock des Quintetts aus Brighton zieht live genau wie auf dem Debüt “The Great Regression” jeglichen Boden unter den Füßen weg. 45 Minuten voll mit schönem Geschepper, nihilistischem Dröhnen und einigen Besuchen der Bandmitglieder in den Pits. Das Publikum ist nicht ekstatisch, aber zufrieden.
Um 21 Uhr übernimmt ganz nach Plan der Headliner des Abends das Zepter und setzt mit “Idea 01” und “Colossus” zunächst auf Stimmungsaufbau. Das funktioniert: Ab Track 3 “Gift Horse” vom aktuellen Album “TANGK” stehen alle Zeichen auf Abriss, Moshpits, nach vorne treiben. Dass hier eine der absoluten Vorzeige-Bands des Genres auf der Bühne steht, merkt man vor allem der absurden Hit-Dichte der 25 Song starken Setlist an. Material genug für Headliner-Shows liegt also im Tourbus. Trotzdem: All Killer, No Filler war dann doch nicht das Motto.
Die Schattenseite der neuen Ära
Alle fünf Idles-Alben sind an diesem Abend vertreten, am wenigsten das 2020er “Ultra Mono” mit nur einem Track (“Mr. Motivator”). Ansonsten kommen vom noch sehr reduzierten und abgründigen Debüt “Brutalism” bis zum elektronisch-zappelnden “TANGK” alle Alben mehrfach auf die Bühne. So divers das auf Platte klingen mag, so monochrom geraten die Sounds im Live-Erlebnis. Gerade der Mittelteil des Konzerts von Track 10 (“When The Lights Come On”) bis zu Song 17 (“Samaritans”) nimmt bei Band und Publikum dann auch noch deutlich Druck und Spannung raus. Fazit: Weniger wäre da doch mehr gewesen.
Überhaupt hinken die Idles ihrem Ruf als überragende Live-Band an diesem Abend etwas hinterher. Klar, die Stimmung entsteht bei solchen Songs quasi automatisch und die Tanzeinlagen von Joe Talbot stiften zum Mitmachen an. Und doch leidet die Show an dem “Plötzlich-Headliner”-Status: Weder enge Publikumsinteraktion noch herausragende Momente setzen in diesem Set Zäsuren. Wie es besser gehen könnte, zeigt das abgründige “Gotho 1049”, dessen Finsternis auch die Band zu zerreißen scheint. Von solcher Intensität gerne mehr. Und auch das Bühnenbild zeigt mit einfachem Banner und okayen Lichteffekten, wie viel wohler sich dieses Konzert im kleineren Rahmen gefühlt hätte.
Fazit: Da wäre mehr gegangen
Gerade noch dem großen Finale aus “Danny Nedelko” und “Rottweiler” muss man den Idles aber natürlich anerkennen: Dieser stilprägende Sound funktioniert auch live, die Stimmung spricht ebenfalls für sich. Ein bisschen mehr Fokus auf Dramaturgie und Fokus wäre für die nächste Tour aber doch wünschenswert. Die Hallengrößen werden dann vielleicht noch größer sein. Und doch: Oberste Prio hat der Wunsch nach weniger einseitigen Parolen.
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Bild von Julia.
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