Es gibt Konzertabende, da lässt man seine Jugend wieder aufleben. Und es gibt Konzertabende, da schaut man dabei zu, wie andere ihre Jugend wieder aufleben lassen, weil man zur Hochphase des Künstlers noch zu jung war. So war der Autor dieses Textes im Jahr 2001 als „Drive“ von Incubus erschien, gerade einmal vier Jahre alt. Auch als die Band knappe sieben Jahre später mit „Love Hurts“ das Radio erneut eroberte, sah das ähnlich aus. Mittlerweile ist das Quintett natürlich wohlbekannt, also ging es zu einem der vier Deutschland-Konzerte der Gruppe, die momentan ihre achte Platte betourt, in das sehr gut gefüllte Kölner Palladium.
Nostalgie gibt es vor Ort jedoch erstmal nicht. Ecca Vandal aus Australien präsentiert dem eher minder begeisterten Pubikum gemeinsam mit ihrer Band ihre Mischung aus kreischenden Rock-Gitarren, poppigen Synthie-Beats und eingängigen Refrains. Dieser Rock-Pop-Soundbrei – ja, der Sound ist nicht sonderlich gut – klingt dabei gar nicht so einfallslos, wie die sehr platten Ansagen der Musikerin es vielleicht vermuten lassen würden. Tatsächlich klingen deren Stücke, oder zumindest das, was man aus diesen erahnen kann, durchaus interessant.
Als kurze Zeit später ohne großes Tamtam die fünf Mitglieder von Incubus die Bühne betreten, gibt es für die Menge sehr schnell kein Halten mehr. Die Amerikaner präsentieren der nach Jugendhits lüsternden Menge genau das, was sie fordert: Der Fokus der Setlist liegt fast ausschließlich auf der weit zurückliegenden Vergangenheit. So schaffen es gerade einmal zwei Stücke des aktuellsten Albums der Band in das Set. Während ihres 105-minütigen Auftrittes kommuniziert die Gruppe kaum mit ihren Fans. Vielmehr lässt man komplett die Musik für sich sprechen. Diese hat es aber auch in sich: Ob krachige Nu-Metal-Stücke, wie „Privilege“, ausufernde Instrumental-Soli, wie in „Sick Sad Little World“, oder Gänsehaut-Momente, wie die Mitsing-Passagen im bereits genannten „Love Hurts“, musikalisch sitzt hier jeder Ton. Sänger Brandon Boyd kann ebenfalls stimmlich auf voller Länge überzeugen, auch wenn der Tontechniker ihn zu Beginn etwas zu leise in den Gesamtsound mischt. Nach einigen Songs pendelt sich dies aber ein und der Sound ist glasklar.
Die Show der Band wird vor allem von einer aufs letzte durchgetakteten Lichtuntermalung gestützt. Außerdem befinden sich hinter den Musikern drei große LED-Leinwände, über die im Laufe des Konzertes immer wieder passende Videoeinspieler laufen, die zwischenzeitlich auch mal live mitgefilmt werden. Eine solch aufwändige Produktion kennt man aus einer nicht so riesigen Location, wie dem Palladium, gar nicht! Wem das und die Musik alleine nicht unterhält und der Pogo zu hart ist, der kann ansonsten auch einfach den sehr bald oberkörperfreien Boyd beobachten. Dieser führt einen fast zweistündigen Ausdruckstanz auf, trommelt auf Bongos herum, lässt seine Haare schwingen.
Die Menge – der Altersschnitt hat sich in den letzten 20 Jahren wohl auch mit dem der Musiker nach oben bewegt – feiert vor allem die alten Stücke. So gibt es passend der Zielgruppe Cover zweier 80’s-Klassiker: Chris Isaaks „Wicked Game“ und „Need You Tonight“ von INXS. Etwas später schafft es ebenfalls ein Snippet von Pink Floyds „Wish You Were Here“ (nach welchem Song wohl?) in das Set. Die Stimmung ist ausgelassen. Das doch etwas kühle Auftreten der Band scheint niemanden zu stören. Warum auch? Incubus liefern ansonsten gänzlich ab. Die meisten fühlen sich wohl voll und ganz in ihre Jugend zurückversetzt. Das tut der ausgelassenen Stimmung gut. Incubus gehören zu den Künstlern, denen man trotz 25-jähriger Historie keinesfalls Altersschwäche anmerkt. Im Jahr 2018 fühlen sich die Hits der Gruppe noch immer frisch und modern an. Da schaut man gerne mal zu, wie andere auf ihre Vergangenheit zurückblicken.
Und so hört sich das an:
Incubus live 2018:
01.09. – München, Tonhalle (ausverkauft!)
Foto von Jonas Horn.
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