Katie Melua & Gori Women’s Choir, Historische Stadthalle Wuppertal, 15.11.2018

Katie Melua Wuppertal

Einen unverkennbaren Stil vorweisen zu können, ist mit das höchste Privileg, das ein Künstler besitzen kann. Katie Melua ist eben eine dieser Künstlerinnen, denen es gelingt, zu klingen, wie es sonst niemand tut. Die in Georgien geborene Musikerin hat so viele Menschen erreicht, dass jeder ihrer sieben bisher veröffentlichten Tonträger in ihrer Wahlheimat Großbritannien mit mindestens einer Goldschallplatte ausgezeichnet wurde und auch in Deutschland jede Veröffentlichung die Top 10 entern konnte. Irgendwas muss also dran sein an der sehr zurückhaltenden, introvertierten 34jährigen Sängerin. minutenmusik war gespannt und hat schnell bemerkt, was es genau ist:

Die aktuelle Tour führt das Talent unter anderem in eine Location, die eher selten für Konzerte kommerzieller Musik zur Verfügung steht: Die Historische Stadthalle in Wuppertal macht von außen wie von innen eine unglaubliche Figur und beeindruckt mit prunkvollem Neorenaissance-Stil. Bereits das bloße Betreten hat ein erschlagendes Gefühl und ist nicht weniger als die perfekte Ortschaft für ein Konzert dieser Art. Dementsprechend ist auch das Publikum etwas reifer, schick angezogen und liegt im Durchschnitt schätzungsweise bei 40. Die gut 1500 Menschen füllen den Raum bis auf den letzten Platz – allerdings nicht ganz rechtzeitig. Zwar ist das Konzert erst für 20h angekündigt, aber bereits um 19:45 steht der Supportact Keeva auf der Bühne. Die Londoner Sängerin mit E-Gitarre in der Hand hat nicht nur optisch ein merkwürdiges Auftreten – ihre Musik könnte kaum mehr Fahrstuhlhintergrundbeschallung darstellen und bleibt deswegen auch weitestgehend unbeachtet. Während ihrer Vorstellung suchen die Leute noch ihre Plätze und reden wohlgesonnen weiter. Um 20:10 ist auch schon Schluss mit der Lala ohne Tiefgang.

Tatsächlich benötigt es nur zehn Minuten, um dann Katie Melua auf die Bühne treten zu lassen. Um 20:20 betritt also der Hauptact die Bretter – ganz allein mit einer Gitarre in der Hand. Eine richtige Klimax ist bis zum sechsten Song erkennbar, so tritt nach ihrem Solo bei Song zwei ihr Bruder hinzu, anschließend ihre aus insgesamt vier Musikern bestehende Band (Gitarren, Kontra-/E-Bass, Klavier/Keyboards, Drums) und bei Nr. 6 schließlich das Highlight des Abends ausgenommen Katie: der Gori Women’s Choir, bestehend aus 16 Frauen und einer sehr ambitionierten und mit viel Gestik und Mimik agierenden Dirigentin. Der georgische Chor ist nicht weniger als sensationell und macht das Konzert zu einem beeindruckenden Spektakel für Ohr und Herz.

Zugegebenermaßen startet das Konzert ein wenig zu monoton. Zwar werden die Lieder Stück für Stück mit mehr Instrumenten befüllt, geben aber bis zum ersten breit bekannten Song „Nine Million Bicycles“ ein wenig zu viel Ruhe in die Halle. Der Sound ist zunächst sehr leise und braucht bestimmt 20 Minuten, um seine volle Breite zu entfachen, auch wenn die Akustik selbst gut ist. Spätestens aber in dem Moment, in dem der Chor das erste Mal einsetzt, verschwindet die Gegenwart um einen herum und man befindet sich irgendwo in einer Parallelwelt. Katie Melua, deren Stimme 1:1 klingt wie von Platte und anscheinend im Studio kaum bis gar nicht bearbeitet wird, die Band und der Chor entwickeln eine Symbiose, die so viel Leichtigkeit, Intimität und Emotionalität versprühen, das während des gesamten Konzerts kaum gesprochen wird. Selbst ein Blitzlicht von einem Handy stört gewaltig. Jeder scheint für eine Konzertlänge ganz bei sich zu sein, in sich zu schauen und zwischen traurigen, zufriedenen und wohltuenden Gefühlen hin- und herzuwechseln. So sind einige Tränen im Zuschauerraum zu erkennen, was keinesfalls verwundert.

Neben den Künstlern auf der Bühne runden zwei weitere Elemente das Geschehen ab: das ruhige Licht, das sonnige Farben wie gelb und orange mit winterlichen Kompositionen in blau und weiß abwechselt, kommt stets auf dem Punkt genau. Um auch das Auge zu unterhalten, befindet sich hinter den Musikern eine riesige Leinwand, auf der Animationsvideos gezeigt werden, die zuckersüßer kaum sein könnten. Schnee- und Unterwasserlandschaften, Blumenfelder, Tiere – ein ebenfalls berührendes Spektakel. Mal was anderes und damit genau richtig.

Eine Pause von ca. 20 Minuten unterbricht das rund 20 Songs umfassende Set. Zweimal 50 Minuten lang bekommt jeder Künstler genug Raum – der Chor darf sogar ein Solo singen. Neben ihren großen eigenen Hits wie „The Closest Thing To Crazy“ und „Piece By Piece“, liefert Melua auch mit ihren stimmigen Coverversionen „Fields Of Gold“, „What A Wonderful World“ oder „Wonderful Life“ komplett ab – außerdem spielt sie bereits zwei weihnachtliche Titel, präsentiert dabei mit „O Holy Night“ eine eigene und doch gelungene Interpretation und geht für einige Titel ins Georgische über.

Katie Melua in Wuppertal ist eins dieser selten gewordenen Konzerte, bei denen man bereits nach wenigen Songs traurig ist, weil man weiß, dass es irgendwann vorbei sein wird. Ihr Jazz-Folk-Singer/Songwriter-Pop-Mix ist in dieser lauten Welt wahrscheinlich für viele zu leise und unaufgeregt – lässt man sich aber einmal drauf ein, erhält man einen Abend, der einem Zauber gleicht und einen mit einem lächelnden und weinenden Auge nach Hause schickt. Womöglich das absolute Konzerthighlight dieser Wintersaison.

Und so hört sich das an:

Website / Facebook / Instagram / Twitter

Foto von Christopher.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.