Es gibt Lebenswelten, die wollen einfach nicht zueinander passen. Obwohl die Galaxien, in denen sich Against Me!-Frontfrau Laura Jane Grace und Ex-My Chemical Romance-Gitarrist Frank Iero musikalisch bewegen, gar nicht Lichtjahre entfernt sind, zeigt sich bei der Co-Headline-Tour der beiden Künstler*innen eine klaffende Lücke zwischen den Planeten, die deren Fankreise bewohnen. So kommt es, das man zum Ende des langen Abends das Gefühl hat auf zwei unterschiedlichen Konzerten gewesen zu sein.
Akt I
Eins nach dem anderen. Bevor Frank Iero mit seiner neuen Backingband „the future violents“ – für jedes Solo-Studioalbum sucht sich der 37-Jährige andere Mitmusiker*innen – übernimmt, warten seine vor allem jungen Fans dicht gedrängt vor der Bühne. Nicht wenige haben rote oder pinke Haare. Umso mehr man sich von den Musikern und ihren Instrumenten entfernt, umso höher steigt der Altersschnitt und umso gestreuter steht das Publikum dann auch. Wirklich voll wird der Mülheimer Club Volta heute nämlich zu keinem Zeitpunkt. Als erst die vier Bandmitglieder – der Schlagzeuger drummt auch bei Thursday, die Keyboarderin ist ebenfalls in der Live-Band von Dave Hause – und dann Iero die Bühne betreten, verfallen die vorderen Reihen in hysterisches Gekreische. Nach jeder Ansage und Danksagung wird die folgenden 55 Minuten ebenfalls ein schrilles Gebrüll gen Musiker schallen.
Frank Iero – ja, das ist der Typ, der sich bei My Chemical Romance häufig unter einer Kapuze versteckte – scheint sich mittlerweile in seiner Frontmann-Rolle wohl zu fühlen. Während er und die „future violents“ seine selten geradlinigen Punk-Rock-Songs darbieten, reißt der Anführer seine Gitarre in die Luft, lehnt sich theatralisch zurück und drischt im Ausfallschritt wie ein Wilder auf sein Instrument ein. Die Fans singen jedes Wort mit, bilden Moshpits – ganz zum Ärger eines Vaters, der mit verschränkten Armen durchgängig in der Hallenmitte verweilt – und ringen sich sogar zum vereinzelten Crowdsurfen durch. Nach Ende des Sets eilt Iero noch während seine Band Schlagzeugstöcke, Setlisten und Plektren in die Menge reicht mit über den Kopf gezogener Hoodie aus der Halle in Richtung Tourbus. In der dreißig-minütigen Umbaupause verlässt ebenfalls der Großteil seiner Fans den Club, um entweder vor dessen Bus auf ihr Idol zu warten – ob das sich nochmal sehen lässt? – oder den Heimweg anzugehen. Da ein Wiedereinlass im Club Volta nicht möglich ist, leert sich der Raum merklich.
Akt II
Als Laura Jane Grace dann gegen halb elf durch den Raum schreitet, um ihr Set zu beginnen, scheint das Publikum wie ausgewechselt. Der Altersdurchschnitt liegt jetzt nicht mehr bei etwa 18, sondern eher bei 25 Jahren. Seine Haare hat kaum jemand gefärbt. 50 Minuten lang leitet Grace mit ihrer Band „The Devouring Mothers“ durch ihr komplettes Albumdebüt, das im vergangenen November das Licht der Welt erblickte. Ihre schlichten Songs über das Tourleben in Hotels, die Verantwortung als Elternteil und ihren Hass gegenüber Chicago performt sie dabei ebenso einfach und bodenständig, wie die Songs ursprünglich arrangiert sind. Die Fans heben Fäuste oder Bier in die Luft, tanzen zurückhaltend, applaudieren zwischen den Songs aber ausgiebig.
Schon bei Against Me! beweist die Musikerin, das sie mit wenig Mitteln große Punk-Rock-Songs schaffen kann. Das gilt auch für ihr Solo-Material. So fällt die Akustik-Version des Against Me!-Songs „True Trans Soul Rebel“, die das Set beendet, nur dadurch auf, dass die Menge deutlich textsicherer ist. Beim Rest hätte es sich hier aber ebenfalls um einen Solo-Song handeln können. Danach ist dann Schluss. Und man ist sich nicht so ganz sicher, ob das, was man in den vergangenen Stunden erlebt hat, so ganz zusammenpasst. Schräge Sache.
Tickets für die anderen Shows der Tour gibt es hier.*
Und so hört sich das an:
Laura Jane Grace: Twitter / Instagram
Frank Iero: Website / Facebook / Twitter / Instagram
Laura Jane Grace & The Devouring Mothers und Frank Iero & The Future Violents live 2019:
05.09. – Hamburg, Knust
06.09. – Berlin, Lido
07.09. – Leipzig, Conne Island
08.09. – München, Backstage
Foto von Jonas Horn.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.