Wenn sich zwei der beliebtesten deutschen Rapper zusammentun und eine Collabo-Platte herausbringen, dann nehmen deren Fans für schwitzige Clubgigs mit Handkuss auch mal einige hundert Kilometer Anreise auf sich. Wenn es dann sogar noch ins Ausland geht, lässt sich ein solcher Trip angenehmerweise mit etwas Sightseeing und Kulturschau verbinden. Marteria und Casper widmeten sich dieses Jahr endlich dem, was die Anhänger beider Künstler seit Jahren forderten: einem gemeinsamen Album. Bevor es im Sommer des nächsten Jahres mit „1982“, wie die Platte heißt, auf riesige Festival- und Open-Air-Bühnen geht, beschlossen die zwei Deutschrapvorreiter eine siebentägige Europa-Tournee zu spielen, auf der man unter anderem in London, Amsterdam und Prag Halt machte. Auch das Luxemburger Den Atelier unweit des Hauptbahnhofs der Hauptstadt des kleinen Landes zwischen Belgien, Frankreich und Deutschland stand auf dem Reiseplan der zwei – da waren die etwa 800 Tickets für das Konzert natürlich fix vergriffen, vermutlich gerade wegen der Nähe zur deutschen Grenze.
Den Auftrag als Einheizer für diese sechs Show-Hetzjagd in sieben Tagen kommt Blvth zu, der trotz eines unterhaltsamen Auftritts nur mittelmäßig vom Luxemburger Publikum – ein Großteil scheint wirklich aus den benachbarten deutschen Städten angereist zu sein – angenommen wird. Der autotunegetränkte Trap-Pop des Berliners ist vielleicht zu sperrig und verkopft für die wartende Menge. Blvth lässt sich davon nicht beirren, spricht seinen Gastgebern Marteria und Casper Dank aus und greift immer wieder auch zur E-Gitarre. Selbst die unnötigen Soundschwierigkeiten zu Beginn seines Sets bringen ihn nicht aus der Ruhe.
Von Ruhe und Zurückhaltung bleibt nach der halbstündigen Umbaupause nicht wirklich viel über. Genau drei Songs – das zurückgelehnte Intro „1982 (Als ob’s gestern war)“, das vor 90’s-Vibes strotzende „Champion Sound“ und das zurückgelehnte „Omega“ – geben die Rapper der Menge, um sich auf den Abriss vorzubereiten, der dann folgen wird. Bereits als die ersten Töne von „Adrenalin“ ertönen, entsteht ein großes Loch vor der Bühne. Sekunden später winden sich unzählige Körper durch das undurchsichtige Meer aus Menschen, während aus den Boxen knallige Bässe knarzen. Immer wieder werden die eigenen Stücke im Verlauf des Konzertes als electronicalastige Remixe performt. Als letzte Zugabe spielt das Zweigespann den Song – „Adrenalin“ – ein zweites Mal mit abgewandeltem, noch brachialerem Beat.
Vorher übt sich Casper jedoch in Publikumsanimation – gibt den Dirigenten, flirtet mit dem Publikum und preist „Graf DJ Illvibe“. Der macht seine Sache aber auch äußerst gut und baut immer wieder klassische Hip-Hop-Elemente in die häufig sehr new-schooligen Stücke ein. Neben den neuen Collabo-Songs – Marteria und Casper spielen alle zehn Stück – streut man auch immer wieder Solo-Material ein. Da wären Marterias „Endboss“, „Bengalische Tiger“ und „Kids (2 Finger an den Kopf)“ und Caspers „Im Ascheregen“, „Auf Und Davon“ und „Sirenen“ inklusive Post-Hardcore-Breakdown aus Refused’s „New Noise“. Der Moshpit tobt.
Gegen Endes des 75-minütigen Hauptsets geben Marteria und Casper der Menge für einen kurzen Moment Zeit zum Verschnaufen. Das gemeinsame „Denk an dich“ – im Original eigentlich mit Kat Frankie, mit der man sich heute als Playback vom Band beglücken muss – mobilisiert alle Stimmbänder, bevor im drei Songs starken Zugabenblock wieder die letzten Kraftreserven gefordert werden. Neben dem bereits erwähnten adrenalingetränkten Closer, verirren sich da eine Remix-Version von „So Perfekt“ auf dem „Original Don“-Instrumental von Major Lazer und das kneipenchorige „Absturz“, in der Studioversion mit Monchi von Feine Sahne Fischfilet, ins Set. Spätestens nach letzterem dröhnen die ersten „Saarland Asozial“-Chöre durch den Raum, die Entertainer Casper gleich aufgreift.
Die Menge befindet sich zu jedem Zeitpunkt fest im Griff der Rapper. Sei das der Balkon, der Pogo oder die ersten Reihen, die die Musiker immer wieder mit Wasser versorgen. Gerade diese Gesten und die Interaktion mit dem Publikum lassen den Auftritt nahbar wirken. Ob es den beiden gelingen wird, diese greifbare Intimität auch auf den großen, zum größten Teil ausverkauften Show im Sommer beizubehalten, wird die Zeit zeigen. Ob dann auch bereits neue gemeinsame Musik erhältlich sein wird – den zweiten Teil von „Alles Verboten“ hatten die beiden während der Shows schon für das nächste Jahr angekündigt – bleibt zunächst ebenfalls offen. Dass sich so ein feuchtfröhlicher Städtetrip in jedem Fall lohnt, kann jedoch als Fakt abgestempelt werden. Wohin geht es dann als nächstes?
Tickets für die Shows im nächsten Jahr (Tourdaten weiter unten) gibt es hier.*
Das Album “1982” kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
Marteria: Website / Facebook / Twitter / Instagram
Casper: Homepage / Facebook / Twitter / Instagram
Marteria und Casper live 2019:
31.05. – Hannover, Expo Plaza
20.07. – Dresden, Filmnächte am Elbufer (ausverkauft!)
03.08. – Berlin, Waldbühne (ausverkauft!)
09.08. – Hamburg, Trabrennbahn Bahrenfeld (ausverkauft!)
31.08. – Essen, Seaside Beach Baldeney
Foto von Jonas Horn.
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