Bei ekligem Schneeregen einen Familienausflug ins gemütliche Gloria machen? Klar, warum nicht! Das haben sich gestern offensichtlich viele gedacht, denn die Kölner Konzertlocation war gut gefüllt mit einem Publikum, das vom Kind bis zu den Großeltern alle vereinte. Kein Wunder, denn spätestens seit seiner erfolgreichen Teilnahme am Eurovision Song Contest im letzten Jahr ist Michael Schulte bei Jung und Alt beliebt.
Zunächst gehörte die Bühne jedoch einem anderen jungen Herrn namens Haller. Allein mit seiner Gitarre stellte er sich ins Scheinwerferlicht und begeisterte das Publikum mit minimalistischem Pop und feinen Texten. Was im ersten Moment noch herzliche Lacher hervorlockte („Doch was bringen mir coole Eltern, wenn ich keinen Gameboy haben darf?“), ließ eben diese im nächsten Moment in der Nachdenklichkeit verstummen („Und was bringt mir denn ein Gameboy, wenn Papa Mama nicht mehr mag?“). Abgerundet wurden seine sehr persönlichen Songs durch sympathische und selbstironische Ansagen. Schon hier konnte man merken, wie bemerkenswert aufmerksam und – im positiven Sinne – ruhig das Publikum an diesem Abend war, was gerade bei Supportauftritten leider keine Selbstverständlichkeit ist.
Damit war die beste Voraussetzung für einen schönen Konzertabend schon mal geschaffen und Michael Schulte selbst lieferte auch entsprechend ab. Meine leise Befürchtung, dass sich der Abend mit zu vielen zu ähnlich klingenden Popnummern vielleicht in die Länge ziehen könnte, wurde nicht erfüllt. In einem gut 1,5-stündigen Set bot der Singer-Songwriter genug Abwechslung, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Einen Großteil der Show performte er gemeinsam mit seiner vierköpfigen Band. Während er sich bei manchen Titeln rein aufs Singen konzentrierte, griff er an anderen Stellen auch selbst zur Gitarre, was für mich persönlich das stimmigere Gesamtbild abgab.
Einige Songs stachen an diesem Abend allerdings besonders hervor. So wurde das gefühlvolle „You Said You´d Grow Old With Me“ nur vom Keyboard begleitet und ließ sofort eine Gänsehaut über die Arme kriechen. Mitten im Set tauschte dann auch der Rest der Band für zwei Songs seine Instrumente gegen Akustikgitarre, Akkordeon, Cajon und Ukulele ein und zeigte, wie facettenreich akustische Musik sein kann: Nach dem fast schon besinnlich-ruhigen „Thoughts“ weckte „Take Me As I Am“ die Tanzgeister im Publikum, die schließlich bei „End of My Days“ nochmal richtig ausgelassen herumhüpfen konnten. Das war für mich zwar der Moment des Abends, der mir wirklich zu poppig wurde, doch der Großteil der Menge schien damit mehr als zufrieden zu sein.
Ein Song durfte an diesem Abend natürlich nicht fehlen: „You Let Me Walk Alone“, die Single, mit der Michael Schulte den für deutsche Verhältnisse hervorragenden vierten Platz beim ESC holte, fand ihren Ehrenplatz am Ende des regulären Sets. Und das war nicht das einzige ESC-Highlight: Ein sehr gelungenes Cover von Lenas „Satellite“ erinnerte vage daran, dass die öffentliche Musiklaufbahn des Sängers damals eigentlich mit Covervideos bei Youtube angefangen hat. Und trotz allem, was im letzten Jahr in seiner Karriere passiert ist, hat sich Michael Schulte offensichtlich seine anfängliche Bodenständigkeit beibehalten. Das Kölner Publikum erlebte auf der Bühne einen authentischen Sänger, der mit kleinen Anekdoten zu seinen Songs die Zuhörer ein Stück weit in sein Leben ließ und dabei so sympathisch rüberkam wie der junge Mann von nebenan. Eben ein Künstler für die ganze Familie.
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