Es war ein ganz normaler Spätsommerabend im vergangenen Jahr, der sich von anderen Spätsommerabenden nur dadurch abheben sollte, dass er kurzfristig einige Menschen auf dem Jamel rockt den Förster Festival im Nordwesten von Mecklenburg-Vorpommern und langfristig Fans von Muff Potter in ganz Deutschland begeisterte. Denn auf der Bühne des antifaschistischen Festivals spielte die Punkband aus dem Münsterland ihre erste Show in Vollbesetzung seit 2009. Schnell erreichte die frohe Kunde der Reunion Fans in ganz Deutschland, die schon zwei Tage später mit der Bekanntgabe einer Tournee in 2019 beglückt wurden. Am 24. Januar war es dann soweit und die erste Muff Potter Tour nach zehn Jahren startete in der Kölner Live Music Hall – zum Ärger einiger Fans, die sich über die Hochverlegung vom Gloria in die Ehrenfelder Location echauffierten. “Hochverlegt und ausverkauft” waren sowieso die Schlagworte, die auf Homepages und in Emails notiert werden konnten. Alle sieben angekündigten Konzerte sind restlos ausverkauft, neben Köln wurden auch die Gigs in Berlin und München in größere Locations verlegt. Die Folge? Wieder ausverkauft. Ob sich Muff Potter selbst bewusst waren, wie viele Fans dort draußen schon so lange auf ein Lebenszeichen warteten?
Anzunehmen ist das, wenn Frontmann Thorsten Nagelschmidt in der Live Music Hall in die Menge schaut und den Zwischenruf „Ihr habt euch aber Zeit gelassen“ eines Zuschauers verschmitzt lächelnd wiederholt. Launige Kommentare lassen sich Nagel und seine Bandkollegen sowieso nicht nehmen. Statt großer emotionaler Reden, wird der Saal mit einem saloppen „Hallo Köln, wir sinds!“ schmissig begrüßt, danach konzentrieren sich die vier Musiker überwiegend aufs Musik machen. Schließlich haben sie sich viel vorgenommen und mit einem Repertoire von 7 (8 falls man “Colorado” mitzählt) Alben die Qual der Wahl. Musikalisch stolpert die Band aus Westfalen jedoch ein wenig in ihr Set hinein, das Auftreten der Musiker wirkt überhastet und so richtig wohl scheinen sich Nagel, Dennis, Shredder und Brami noch nicht zu fühlen. Das ist nach so langer Pause nachvollziehbar und es braucht nicht lange, bis sich die Musiker ganz ihrer Kunst hingeben können. Das Set wird immer besser und auch die Band spielt von Song zu Song befreiter auf. Was übrigens nicht heißt, dass alles fehlerfrei funktioniert – Muff Potter spielen immer noch Punkrock. Und was wird bei Punkrock gemacht, wenn die Band den Song gleich zu Beginn verkackt? Richtig, einfach nochmal neu angefangen. Wirklich schlimm ist das nicht, denn der lockere Umgang der Münsterländer wirkt sympathisch. Einige Verspieler und auch die kratzige Stimme von Nagel zum Ende des Konzertes werden sich wohl im Laufe der Tour erübrigen – die fehlende Spielpraxis wird schon bald mehr Sicherheit weichen.
Nicht alle Songs funktionieren live so gut, wie auf Platte, besonders „Von Wegen (Aus Gründen)“ kann nicht die gleiche emotionale Wirkung entfalten. Andere Stücke wie „Fotoautomat“ oder „Das seh ich erst wenn ich’s glaube“, welche bereits auf CD absolute Ohrwürmer sind, funktionieren live noch besser, weil der ganze Saal mitsingen kann. Insgesamt ist das Publikum jedoch überraschend ruhig. Bei allen Liedern hundertprozentig textsicher sind erstaunlich wenige im Raum, viel mehr ist andächtiges Lauschen und Schwelgen in der Erinnerung an die Zeit, als man Muff Potter besonders viel hörte, zu beobachten. Auch vor dem Konzert ist die Stimmung eher zurückhaltend. Das war nach dem schnellen Ausverkauf der Tournee nicht unbedingt erwartbar, doch Muff Potter ziehen durch ihren hohen Bekanntheitsgrad vor 10-14 Jahren auch ein generell älteres und nicht so aufgedrehtes Publikum an, wie so mancher Hype-Act der aktuellen Zeit. Am Ende bleibt das Konzert, vor allem was die Euphorie vor Ort angeht, etwas hinter den Erwartungen zurück. Eine solide – und mit fast zwei Stunden auch relativ lange – Show bleibt es trotzdem sowie die Möglichkeit für Hunderte, Muff Potter endlich nochmal oder endlich einmal gesehen zu haben.
So hört sich das an:
Beitragsbild von Jonas Horn.
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