Irgendwie scheint es Ollie Judge komisch zu finden, dass sein Mikrofon gerade jetzt tut, was es will. Das Gerät fiebst laut und dreht sich unbändig in der Halterung. Judge selbst sitzt ihm halb zugewandt unter olivgrüner Lakers-Kappe an seinem Schlagzeug und konstruiert lässig einen minimalistischen Beat. Er hat also eigentlich keine Hand frei. Ein breites Lächeln zieht sich über sein Gesicht, dann zieht er das Mikrofon geschickt zurück an den Mund. Problem beseitigt, nett lächeln, weiter gehts.
“Peel St.” heißt der Song, der da gerade läuft. Squid die fünfköpfige Band, die ihn und andere aus Synthesizer, Percussion-Blöcken, Streicher, Trompete und den üblichen Bandinstrumenten beisammen konstruiert. Aus dem Südlondoner Pub The Windmill in die weite Welt hinaus. Ein bisschen musikalische Anarchie für kapitalistische Welten. Zehn Songs zwischen Post-Punk, Electronica, Jazz und Avantgarde hat die Band in das gut gefüllte Gebäude 9 mitgebracht. Sechs vom gerade mal acht Nummern umfassenden “O Monolith”, vier vom Vorgänger “Bright Green Field”. Dazwischen gibt lichtdurchflutete Drohnen und Videospielkram (letzteres tauft die Band “Leccy Jam”), sodass manchmal gar nicht wirklich klar ist, was nun Song und was Überleitung ist.
Wild wechseln Judges Kollegen von Tasten- zu Saiteninstrumenten hin zum Boden, auf dem so manch andere Spielerei wartet. Unterbrochen nur vom gelegentlich wiederkehrenden Brummen eines Wackelkontakts. Verlegenes, nach Verständnis ersuchendes Lächeln. Es sei der erste Tag der Tour. Und weiter. An anderer Stelle heißt es man sei Shrek-Fan und habe deshalb passendes Merch dabei. Später stellt Judge die Frage in den Raum, wer vor zwei Jahren an selber Stelle die Show seiner Band besucht habe. Nur wenige Arme schnellen nach oben. Wohl nicht, weil es nur auf eine Handvoll Menschen zutrifft, sondern weil die Frage im Endlärm des Vorgängerstückes untergeht. Das damalige Konzert nämlich: Eines, das in Erinnerung blieb. So auch der Auftritt von Smile, die spontan für den eigentlichen Toursupport einspringen und zwischen weitläufigen Hallgitarren viel Raum für Sängerin Rubee True Fegan und deren Wutkanalisationen lassen.
Generell: Die Stimmung ist ausgelassen, die Menschen jedoch etwas zurückhaltender als damals zu Pandemiezeiten. Zurückzuführen ist das vielleicht auf die Hitze, die im Raum steht. Beim Eintreten waren es draußen immerhin noch 28 Grad. Drinnen ist es wohl heißer. So richtig entgleiten Squid ihre Songs außerdem lediglich wenige Male. Auf dem Weg nach oben biegt die Band sonst einfach abrupt ab, setzt kurze Pausen und dann wieder neu an. Als die fünf jungen Männer nach 70 Minuten den Raum verlassen, ist der Abschlussapplaus dennoch ohrenbetäubend – auch wenn das minutenlange Fordern einer Zugabe unbeantwortet bleibt. Verlegenes Lächeln. Ab nach Hause.
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Squid live 2023:
09.09 – KNUST, Hamburg,
13.09 – Festsaal Kreuzberg, Berlin
15.09 – UT Connewitz, Leipzig
16.09 – Mascotte, Zürich (CH)
Foto von Jonas Horn.
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