One Vision of Queen feat. Marc Martel, Rudolf Weber-ARENA Oberhausen, 09.10.2023

one vision of queen oberhausen

Eine weitere Show, die Queen huldigt. Hat es das wirklich gebraucht? Ja, hat es. Denn letztendlich zählt Klasse statt Masse. Schicken wir doch also bitte nun einfach alle mittelprächtigen oder unterdurchschnittlichen Tributes nach Hause – einschließlich des absolut scheußlichen Musicals “We Will Rock You” – und stellen entweder das Original mit Adam Lambert auf die Bühne oder die wirklich sehr gute Alternative One Vision of Queen feat. Marc Martel. Damit ist dann für das restliche Leben auch ausgesorgt.

Tributes. Das ist natürlich immer so eine Sache. Insbesondere, wenn es die Originalband bzw. -künstler*innen noch gibt, bleibt doch oft die Frage, was das nun eigentlich soll. Einige Acts, darunter eben auch das britische Rockmonument Queen, sind einfach weit über ihre Schaffensperiode wahre Goldgruben. Ihre Hits sterben nie, ihre Aura wird stattdessen sogar nur noch stärker. Freddie Mercury musste aufgrund seiner AIDS-Erkrankung viel zu früh gehen. Schon zu Lebzeiten ist er ein Weltstar mit unnachahmlichem Pathos, Talent und Stil. Er wird nur 45 Jahre jung. Über drei Jahrzehnte nach seinem Tod besitzt er weiterhin Legendenstatus, und das sogar generationsübergreifend. Bittet man Menschen darum, die zehn größten Musiker*innen aller Zeiten aufzuzählen, ist er wohl in nahezu jeder Auflistung vertreten.

Und damit steht und fällt die Schwierigkeit einer Queen-Tribute-Show. Dem großen Freddie Ehre zu erweisen, kann sehr, sehr schnell extrem peinlich werden. Doch dabei geht es selbstredend nicht nur um seine Person, sondern eben auch um das Schaffen. Keine Party ohne mindestens einen Queen-Song. Wer nicht locker bei acht, neun Songs die Refrains mitsingen kann, hat irgendwas falsch gemacht im Leben. Mit einer dementsprechenden Lust, aber auch Ehrfurcht und buchstäblicher Angst zieht das Publikum am Montagabend, dem 9.10., in die Rudolf Weber-ARENA in Oberhausen. Zu selten gibt es die Gelegenheit, die richtige Band zu sehen, die immer noch aus den Gründungsmitgliedern Brian May und Roger Taylor besteht, ergänzt durch den seit über zehn Jahren als Gastsänger auftretenden Adam Lambert. Sowieso diskutiert man darüber, ob Adam einem Freddie gerecht wird. An technischen Skills steht er ihm wohl kaum nach – ob einem die Interpretationen gefallen, ist Geschmacksache und schwer zu diskutieren.

Doch Marc Martel traut sich. Ihm ist absolut bewusst, dass an dem Abend Fans von Queen zusammen kommen und nicht Anhänger*innen von ihm. Er selbst sowie die vierköpfige Band One Vision of Queen bezeichnen sich alle als Fans. Gemeinsam möchte man singen und die Musik, die nie aus der Mode kommt, feiern. Fast auf die Minute pünktlich beginnt die erst 50, dann nach der Pause 60 Minuten dauernde Show. Am Ende gewinnt man auf zweierlei Ebene: Man hat bekommen, was man sich erhofft hat, indem man knapp zwei Stunden lang Queen Beifall gezollt hat – und man ist nun Fan von Marc Martel.

Der in Kanada geborene, aber in Nashville wohnhafte Sänger ist 46. In den 2000ern spielte er gut eine Dekade lang mit seiner eigenen Band Downhere, die aber international nie durchstartet. Trotzdem wird ihm schon früh gesagt, dass er wahnsinniges Talent hat und irgendwie ziemliche Ähnlichkeit mit Freddie Mercury besitzt – allerdings nur in der Stimme. Optisch sieht Martel eher aus, als ob er in einer Country-Band zocken würde. Anfang der 2010er gibt es einen Aufruf für eine Tribute-Band. Martel, der, wie er erzählt, nicht mit Queen-Songs aufgewachsen ist, entdeckt erst spät den Output der Briten, setzt sich zuhause ans Piano und nimmt Coverversionen auf. Roger Taylor ist gnadenlos begeistert und beschließt, seine eigene Tribute-Band zu formen und zu unterstützen. Gleich mehrere der Instrumentalist*innen, die durch ihn gecoacht wurden, stehen mit Martel auf der Bühne in Oberhausen.

Die Arena ist für den Abend geschrumpft. Der Oberrang bleibt zu, die Bühne steht mittig, sodass die hintere Hälfte als Backstage fungiert. Der Innenraum ist bestuhlt. Allerdings gibt es gleich 28 Shows in deutschsprachigen Ländern in gerade einmal sechs Wochen, davon vier in NRW. Interesse ist somit durchaus vorhanden. Und die Crowd, die in Oberhausen – Stopp 13 auf der Reise – zusammenkommt, hat Lust und ist laut. Bei sehr vielen Songs reißt es die Menge schon nach wenigen Takten von den Sitzen. Das ist wenig verwunderlich, sind die Titel einem eben bis ins Blut vertraut, andererseits ist aber auch der Sound von der ersten Sekunde an hervorragend abgemischt.

20 Lieder stehen auf der Setlist. Fehlende Klassiker findet man nur vereinzelt. Womöglich wartet man auf ein “The Show Must Go On” oder “Hammer to Fall” vergebens. Ansonsten gibt es das Hit-auf-Hit-Feuerwerk, was es auch bei Queen und Adam Lambert zu hören gibt. “A Kind of Magic”, “Another one Bites the Dust”, “I Want It All”, “Fat Bottomed Girls”, “Killer Queen”, “Don’t Stop Me Now”, “Bohemian Rhapsody”, “Somebody To Love”, als Zugabe das unermüdliche Duo “We Will Rock You” und “We Are The Champions”, you name it. Viele Tribute-Shows probieren, eine 1:1-Kopie zu sein. Kostüm, Bewegung, Bühnenelemente, Ansprachen. One Vision of Queen ist genau das nicht. Schaltet man die Musik auf stumm, ist nicht erkennbar, was sie wohl gerade spielen bzw. darstellen wollen. Martel hat keinen Schnäuzer, trägt Kleidung nach seinem Geschmack, alle anderen ebenso. Trotzdem sind sie die wohl beste Tribute-Wahl, die man treffen kann.

Denn schaltet man die Musik wieder ein und macht die Augen zu, hört man Queen. So lebendig wie zuletzt in den 80ern. Die Arrangements der wirklich fantastisch spielenden Band sind detailgetreu den ursprünglichen Studio Versionen entnommen, sodass man vom ersten bis zum letzten Ton immer das bekommt, was man kennt und liebt. Doch der absolute Mindblow passiert, sobald Marc Martel singt. Wie ähnlich man nach Freddie Mercury klingen kann – das ist schon ein bisschen gruselig. Lustig wiederum ist, wenn man aber gar nicht probiert, wie Mercury zu klingen, sondern schlichtweg einfach so klingt. Genau das passiert nämlich bei Martel. Zwar besitzt er keinen britischen Akzent, sodass er einige Worte etwas anders betont, aber der Stimmsound ist irrsinnig ähnlich. Aus lustig und gruselig wird final aber höchstbeeindruckend, wenn man beachtet, wie technisch gut der Gesang aus den Boxen donnert.

Wie eingangs schon gesagt: Freddie Mercury zählt easy zu den technisch besten männlichen Sängern des letzten Jahrhunderts. Dass Martel da mithalten kann, ist eine Höchstleistung. Selten gibt es so saubere und einfach klingende Registerwechsel zu hören. Ob Brust-, im luftigen Mix oder in der Kopfstimme – fließend, treffsicher und stets so mittig im Ton. Wow. Mit der Performance katapultiert sich der dazu auch noch sympathische und sehr unterhaltsame Frontmann in die Weltliga. Überlegt man, wer auf ähnlichem Level abliefert, kommt man maximal auf zwei Hand voll. Maximal.

Das macht letztendlich aus einer guten Tribute-Show eine sehr gute. Nachmachen ist das eine – musikalisch aber wirklich richtig zu liefern, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Strenggenommen klingt somit One Vision of Queen feat. Marc Martel mehr nach Queen als Queen selbst. Ob man diesen Aspekt nun favorisiert oder eher ablehnt, ist jedem selbst überlassen. Zumindest kritisieren kann man dahingehend nichts, es ist wenn einfach eine Meinung, die man äußert. Möchte man trotzdem in mancher Hinsicht eine Veränderung, wäre die nur bei den Showelementen möglich. Die gibt es nämlich ausschließlich in Form von einer aufwändigen Lichtshow. Die ist auch stimmig und schick, allerdings ist es gerade bei Musik dieser epochalen Art auch keine schlechte Idee, ein wenig mehr aufzutrumpfen. Starke Visuals auf Leinwänden, vielleicht ein wenig Pyro, sodass man am Ende wie weggeblasen den Saal verlässt. Kein Muss, aber ein Vorschlag, um auch dem Auge das Besondere zu servieren.

Freddie Mercury kommt nicht mehr zurück. Deal with it. Aber wenn man nach einem Zweiten sucht, der zumindest dem Ganzen gesanglich gewachsen ist, kommt man an Marc Martel nicht vorbei. Der fühlt sich übrigens in Deutschland richtig wohl und weiß zu schätzen, dass wir Queen so abfeiern. Sowieso wirkt er sehr nah und dem Publikum zugewandt, hält authentische Ansprachen, tanzt sehr ausgelassen und eigenwillig über die Stage und baut ein paar witzige, deutsche Sätze ein. Im September und Oktober 2024 folgt die nächste Rutsche an Gigs. Ein besseres Geschenk kann man Queen-Fans wahrscheinlich zu Weihnachten nicht machen.

Und so hört sich das an:

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Foto von Christopher

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2 Kommentare zu „One Vision of Queen feat. Marc Martel, Rudolf Weber-ARENA Oberhausen, 09.10.2023“

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