Eine junge Sängerin schüttet ihren ergebenen Anhängern Wein in den Mund, nur um kurz darauf zu verkünden “Ab jetzt seid ihr alle Teil der Church of Black Wash!”. Im Hintergrund flackert ein umgedrehter, angezündeter Kruzifix. Ein neuer Kult könnte hier geboren worden sein.
Vor diesem denkwürdigen Moment werden jedoch erstmal Kolari aus Hamburg dem bisher recht überschaubaren Publikum einheizen. Dabei gibt sich die Band wirklich redlich Mühe, insbesondere Sänger Stefan nutzt die Tanzfläche, um die Leute zum Springen und Pogen zu animieren. Zu diesem Zeitpunkt ist das Publikum aber noch so ziemlich das Sinnbild eines Sonntagabends: Bis auf Mitnicken ist da nicht viel drin. Musikalisch liefert die Band jedoch einen ziemlich netten Post-Hardcore-Brocken und könnte trotz der heute eher spärlich ausfallenden Rückmeldung vielen Leuten gefallen!
Um 21 Uhr beginnt schließlich das Ritual. Vier junge Australier betreten die Bühne und verwandeln das MTC in den nächsten knapp 45 Minuten in einen Hexenkessel. Wer sich bereits mit Pagans Debüt “Black Wash” auseinandergesetzt hat, konnte schon ahnen, was einem hier bevorsteht, einige im Publikum schienen jedoch völlig unvoreingenommen in den Abend gegangen zu sein – und werden völlig überrumpelt. Der Album-Tracklist folgend startet der Abend nach dem Opener “Il Malocchio Si Apre” direkt mit dem bisher größten Hit “Death Before Disco”. Brumen screamt-growlt sich einer überirdischen Figur gleich durch die Setlist, das dem Publikum nur so die Münder offen stehen können. Wer eigentlich keinen Hang für Black Metal hat, sollte Pagans Musik aber dennoch etwas abgewinnen können, denn die Gitarrenriffs und Songwriting-Elemente sind dem Rock viel näher als härteren Metal-Spielarten. Dadurch bleiben die Songs trotz einiger sehr wilder Eskapaden stets ohrwurmtauglich und spaßig. Wenn Brumen gerade nicht den ganzen Laden zusammenschreit, tanzt und springt sie voller Hingabe zu den Riff-Brettern ihrer Kollegen und pflegt immer wieder engen Publikumskontakt. Eins ist klar, so wie Pagan klingt momentan keine andere Band. Die Songs sind modern und irgendwie würden sie auch als Radio-Songs funktionieren, wäre da nicht der Black Metal-Sound. “Imitate Me” gibt sich im Refrain der kompletten Verzweiflung hin, nur um dann in den wildesten Growl-Passagen überzugehen, in “Year Of The Dog” und “Flourescent Snakes” übernehmen Brumens Kollegen den Refrain mit aufwühlenden Shouts. Pagan wählen eben keinen Eskapismus-Pop, sondern knallharten Metal. Live eskaliert die Musik völlig, die Riffs knallen noch mehr, Brumen wirkt, als würde sie gerade einen Exorzismus durchleben – diese Darbietung geht unter die Haut und wirkt wie der Anfang von etwas ganz Großem.
Vor ihrem Song “Holy Water” bringt Brumen eine Weinflasche in die vordere Reihe und kippt sie einem Fan in den Mund. Die Church of Black Wash ist geöffnet und sucht weltweit nach neuen Mitgliedern. Mit solchen beeindruckenden Messen werden die Australier nicht lange warten müssen, bis sich die Kirchsäle vergrößern werden. Ein umgedrehter, angezündeter Kruzifix flackert ein letztes Mal auf. Der Kult wird weitergehen.
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Beitragsbild von Julia Köhler.
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