Plague Vendor, Blue Shell Köln, 20.08.2019

Irgendwo zwischen schlafen und feiern, Sternenhimmel und Stroboskoplicht, langen Gesprächen und freien Köpfen: In der Nacht gelten einfach andere Regeln. Wie wohl sich der groovende Garage Rock von Plague Vendor in dieser Welt fühlt, konnte der Auftritt im Kölner Blue Shell unter Beweis stellen – nur folgerichtig also, dass das aktuelle Album „By Night“ getauft wurde.

„Ich war vorher noch nie in Paris, es ist so schön hier!“, versichert Frontmann Brandon Blaine dem schwitzenden Publikum mitten im Set. Sein Bandkollege Michael Perez stupst ihn unwillkürlich an „Hey das hier ist doch Köln!“ Einen derartigen Ausrutscher verzeiht man dem drahtigen Sänger aber ohne weiteres, viel zu viel Energie hatte er bereits verteilt, viel zu viel authentische Liebe ausgestrahlt. Unter den fordernden Rhythmen seiner – irgendwie folgt sie ja seinem Befehl – Band zuckt Baine in teils irren Bewegungsfolgen, erinnert gleichermaßen an einen jungen Iggy Pop und den rastlosen Dennis Lyxzén, kreischt seine Lyrics aus voller Inbrunst ins Mikrofon, stranguliert sich mit dem Mikrofonkabel, greift immer wieder nach der Discokugel – und fordert sein Publikum heraus. Wenn er die Mauer zwischen Fans und Band durchbricht, kann ihm ohnehin niemand mehr widerstehen, weder der Mann, der sich selbstbewusst dem Klatschen entzogen hatte, noch die Frau, der er das Mikro für den letzten Refrain unter die Nase hält. Unter all der Verausgabung tropft der Schweiß schon nach dem dritten Soung aus allen Poren, doch trotz dieser bemerkenswerten Bühnenpräsenz ist das Konzert bei weitem keine One-Man-Show. Auch Blaines Mitstreiter lehnen sich in die Riffs, erbeben unter den wuchtigen Rhythmen und singen die Songs Wort für Wort mit.

Bei der gigantischen Hitdichte verwundert der hiesige Underdog-Status doch sehr, denn Songs wie das groovende „I Only Speak In Friction“ oder das irre kreisende „Black Sap Scriptures“ stehen Garage-Größen wie Royal Blood oder Pulled Apart By Horses in nichts nach. Aber sei’s drum – es ist ja nun mal auch die erste Europa-Tour der Band, obwohl „By Night“ schon das dritte Album ist! Großartig aufwärmen muss sich das Quartett aber scheinbar nicht, auch wenn die sympathischen Kicker Dibs mit ihrem zwischen Tonbandgerät und Rogers pendelndem Deutschrock sich redlich Mühe gegeben hatten. Wo ihre Songs aber aus naiven Teeniedramen und glücklichen Oh-Oh-Momenten den Tag loben, preisen die lasziven, androgynen Bewegungen von Blaine und die düsteren Arrangements die verruchte Welt der Nacht. So ganz ohne Jugendschutz geht das hier nicht über die Bühne.

Ob nun also Paris oder Köln – die Stadt der Liebe ist da, wo Plague Vendor gerade in einem düsteren Club die Leiber zum Schwitzen bringen. „Solche Ausrutscher verzeiht man seinen Freunden doch, oder?“, fragt der Sänger die erste Reihe kokett und erntet natürlich nur tosenden Beifall.

Kaum vorstellbar, wie sich Plague Vendor im grellen Tageslicht und vor ahnungslosem Festivalpublikum machen würden, auch wenn die Vorstellung durchaus amüsant ist. Doch für verheißungsvolle Nächte liefert der US-Garage-Export den Soundtrack, der den Schweiß auch ganz ohne Sonne garantiert.

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=Rti4NxhEj9w

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Beitragsbild von Julia.

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