“Can I scream?” fragt Dennis Lyxzén und wartet gar nicht erst eine Antwort ab ab, sondern schreit diese schon direkt heraus. Nur wenige Songs haben einen derart ikonischen Einstieg wie “New Noise”, dieser legendäre Song, der Teil des nicht weniger legendären Albums “The Shape Of Punk To Come” ist. Ein Album, das die gesamte Punkwelt gehörig durchschütteln sollte. Mit einem Frontmann, der sich vor rasenden Hardcore-Takten seine Wut über die gesellschaftlichen Missstände besonders erfrischend von der Seele brüllte. Aber eben auch eine Band, die zwischen diesem Meisterwerk und dem Nachfolger “Freedom” knapp 18 Jahre verstreichen ließ. Aber auch dieses Comeback-Album zeigte eine beeindruckende Durchschlagkraft und führte Refused endlich wieder auf die Bühnen der Welt – keinen Deut weniger wütend, dafür mit einem noch breiteren Soundgewand. 2019 ist das Jahr des nächsten Comebacks, das neueste Album schon voll im Kasten. In Münster spielen die Schweden nun eine exklusive Europa-Clubshow vor der Festivalsaison, um die Fans nochmal richtig heiß zu machen.
Passend zu der grundlegenden Haltung der Band wurde auch der Support-Act gewählt. Das weibliche Garage-Duo Pearl Harts unterstützte schon Frank Carter und seine Rattlesnakes bei diversen Shows, also den Frontmann, der noch am ehesten an Lyxzéns Erbe herankommt. Mit ihren stampfenden Garage-Rock schafft es das Duo auch an diesem Abend, das Publikum nach anfänglichen Schwierigkeiten um den Finger zu wickeln. Kein Wunder – die Songs schaffen den Spagat zwischen kantigen Riffings und mitreißenden Melodien mit links.
Als dann vier Herrschaften in stilsischeren Anzügen die Bühne betreten, könnte man eigentlich eher elegischen Indie der Marke The National erwarten. Aber dass Optik kein Hinweis auf die Genre-Zugehörigkeit sein sollte, beweisen schon die ersten Takte des fulminanten “Rather Be Dead”. Kurzerhand begibt sich Lyxzén in den Zuschauerraum, um sich im bebenden Moshpit zu verauszugaben. In den kommenden 60 Minuten sorgen Songs aus den Erfolgsalben des Quartetts für einen enorm hohen Energiepegel. Ob bei “Elektra” vom noch aktuellen “Freedom” oder dem Titelsong des legendären “The Shape Of Punk To Come” – zu keiner Zeit ebbt die Euphorie ab, wenn die Songs live jedoch einiges an Melodik verlieren und vielmehr auf durchgehenden Krach setzen. Mitten im Getöse thronen die beiden neuen Songs “Blood Red” und “Economy Of Death”, die nicht weniger durchkloppen und sich nur durch die logischerweise nicht vorhandenen Mitsing-Chöre vom Rest des Sets hervorheben – wie das Ganze dann auf Platte klingt, bleibt also gespannt abzuwarten.
In der Hälfte des Sets nutzt der Frontmann eine kleine Verschnaufpause für eine bewegende Ansprache gegen Kapitalismus und für Gleichberechtigung der Geschlechter. Er meint es ernst, das Publikum hat seine Doktrin längst geschluckt und lebt diese Haltung nach.
“Can I scream?” schreien an diesem Abend schließlich die Hunderte Kehlen im Skater’s Palace mit nicht weniger Inbrunst als Lyxzén vor all den Jahren. Refused und “New Noise” – das sind auch 20 Jahre später noch Epigonen der Szene, an denen sich viele junge Bands eine Scheibe abschneiden können.
Tickets für die anstehende Tour mit Thrice gibt es hier.*
Und so hört sich das an:
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Refused live 2019:
- 04.11.2019 Carlswerk Victoria Köln
- 05.11.2019 Große Freiheit 36 Hamburg
- 11.11.2019 Tonhalle München
- 12.11.2019 Huxley’s Neue Welt Berlin
Beitragsbild von Julia
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