Mit 71 Jahren noch 135 Minuten auf der Bühne zu stehen und dabei eine richtig gute Figur zu machen, können wohl nur die Wenigsten von sich behaupten. Carlos Santana gehört aber zweifellos dazu.
Am 15.8.2018, ein Mittwoch, lädt der Sparkassenpark in Mönchengladbach zu Latin Rock unter freiem Himmel. Das erste der vier Deutschlandkonzerte scheint wettertechnisch voll ins Schwarze zu treffen. Angenehme und trockene 25 Grad sind es beim Einlass – beim Ende des Konzerts immer noch 20. Das Publikum bei einer Gitarristenlegende wie Santana ist natürlich selbst schon etwas in die Jahre gekommen. Das Durchschnittsalter liegt geschätzt bei 50, aber einer sehr motivierten, gut gelaunten und tanzwütigen 50. Trotzdem ist der gesamte Innenraum bestuhlt, um ab und an eine Pause einlegen zu können.
Organisatorisch scheint das Hockeygelände es besonders gut zu meinen: um 17:30 ist bereits Einlass. Zum Glück gibt es genügend Stände mit Essen und Trinken, sodass die doch recht lange Zeit bis zum Auftritt überbrückt werden kann. Bis 19:15 sind die Plätze größtenteils noch leer, was sich aber dann innerhalb weniger Minuten ändert. Um 19:20 beginnt ein Video auf der Leinwand, das sämtliche Musikergrößen der 60er und 70er präsentiert und ein nostalgisches Feeling verbreitet. Eine Vorband scheint für diesen Abend also nicht vonnöten – stattdessen läuft das Video 20 Minuten lang und dann geht es endlich los.
Um 19:40 – und somit mit nur zehn Minuten Verspätung laut Eintrittskarte – stehen alle Musiker bereit und Santana betritt die Bühne. Ohne Tamtam, ohne irgendwelche übertriebenen Gesten kommt er einfach von der Seite mit seiner Gitarre rein und legt direkt los. Generell glänzt die „Divination“-Tour durch Essenz statt Extras: neben Santana gibt es acht Musiker an unzähligen Instrumenten, darunter auch zwei Sänger und eine Sängerin. Des Weiteren sehen wir Videoeinspieler auf drei Leinwänden, viele Leuchtelemente und das war’s. Mehr Showelemente werden aber auch wirklich nicht benötigt.
Anstatt mit Pyros, unnötigen Konfettibomben, Outfitwechseln oder Tänzern abzulenken, konzentrieren sich Santana und seine Crew über zwei Stunden lang aufs Wesentliche und präsentieren absolut perfekte Musik, die zu 70% ohne Gesang auskommt. Der Hauptbestandteil ist selbstverständlich Latin Rock – der wird aber geschickt erweitert mit Calypso, Reggae, Classic Rock, Salsa, Merengue und Free Jazz. Die Setlist, die mehr als dreihandvoll Songs bereithält, wechselt gekonnt zwischen diversen Genres und fährt musikalisch voll auf. Der Großteil der Musiker auf der Bühne ist ebenfalls jenseits der 50, versteht aber was von Live. Gleich drei Leute spielen Schlaginstrumente und sorgen für einen kräftigen Klangteppich. Wer hier eigentlich am besten ist, kann kaum gesagt werden, da man merkt, dass jeder seit Jahrzehnten an seinem Instrument glänzt.
Die Crowd groovt bereits ab den ersten Songs mit. Der südamerikanische Sound lässt einfach niemanden stillsitzen und bewegt schnell den einen oder anderen zum Aufstehen. Bei den großen Hits „Oye Como Va“, „Black Magic Woman“, „Maria Maria“ (seht einen Ausschnitt auf unserem Instagram-Channel genau HIER), „Smooth“ oder „Corazón Espinado“ steht selbst die gesamte Tribüne und alle wackeln kräftig mit der Hüfte. Das macht verdammt viel Spaß, obwohl Deutsche für gewöhnlich gar kein Gefühl für diese Form von Musik haben – egal! Das angenehme Wetter, der Sonnenuntergang und die Leidenschaft der Bühnenleute harmonieren perfekt und bringen Urlaubsgefühle nach NRW.
Überraschenderweise fehlt ein bekannter Klassiker: „Samba Pa Ti“ lässt auf sich warten und ist nicht auf der Setlist zu finden. Mit dem John Lennon-Cover „Imagine“ darf die Drummerin ans Mikro und steht somit für den einzigen weiblich gesungenen Part – dabei handelt es sich um Santanas Frau Cindy Blackman. Allerdings wirkt der Gesang als einziges Element der ganzen Show nicht live. Da der Sound makellos gepegelt wird und die beiden Sänger Andy Vargas und Ray Greene wirklich guten Gesang präsentieren, ist der Kontrast zur sehr mechanischen Stimme der Sängerin etwas zu groß und wirkt eben unecht. Ansonsten gibt’s bei der Show aber nichts zu meckern und spätestens bei ihrem fünfminütigen Drumsolo zum Finale sind alle Bedenken wieder weg. Ach ja: selbst der zweite Gitarrist singt einen Ausschnitt aus dem Police-Evergreen „Roxanne“ und sorgt damit für einen Wow-Effekt. Ordentliche Stimme.
Santana redet nicht viel, dafür aber äußerst sympathisch und persönlich. Trotz seines Rentenalters wirkt der Mexikaner weiterhin als Vorbild und kommt super bodenständig herüber. Hier scheint jemand noch richtig Spaß an seinem Job zu haben – sein Talent tut das Übrige. Ein wirklich gelungenes Konzert mit guter Stimmung, einer beachtlichen Länge und perfekten Instrumentalisten. Fans handfester Musik sollten schleunigst probieren, den Herrn noch live zu sehen. Es lohnt.
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Foto von Christopher.
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