Jubiläums-Tourneen sind kein wirklich neues Ding. Es liegt ja auch nahe, einige Konzerte mit Blick auf die Vergangenheit zu spielen, wenn ein Künstler gerade keine neue Musik in der Pipeline hat. Die Hannoveraner Band The Hirsch Effekt gibt es bereits zehn Jahre. Sich immer in der Musik-Nerd-Sparte herumtreibend, gewann das Trio in dieser speziellen Bubble immer weiter an Popularität. Vier chaotische, dadurch aber nicht minder geniale Alben hat die Gruppe mit den sonderbaren Song- und Albumtiteln in dieser Zeitspanne bereits veröffentlicht. Nun ging es eben auf eine solche deutschlandweite Jubiläums-Tour, um die vergangenen Jahre Revue passieren zu lassen.
Der erste Stopp dieser Hirsch-Effekt-Reise ging Anfang September im ordentlich gefüllten Kölner Gebäude 9 auf der Schäl Sick über die Bühne. Nach dem instrumentalen Math-Metal-Gemisch von Second Horizon aus Köln und einem sphärischen Auftritt des Post-Rock-Vierers Lake Cisco, luden die drei Jungs von The Hirsch Effekt ihr Publikum auf einen angenehm krachigen Metal-Abend ein. Dabei hangelten sich die drei Virtuosen chronologisch an allen ihren Alben entlang, sodass die Zuhörer und Zuschauer die Entwicklung ihrer Band hin zu immer härterer und vertrackterer Musik mitverfolgen konnten.
Wurde die Band, deren Saitenbezwinger, wenn sie nicht gerade in ihre Mikrofone sangen, auf Verstärker kletterten, über die Bühne huschten und sich auf eine Stagebox in der Mitte der Bühne positionierten um dort ihre verrückten Fingerverrenkungen gut für alle erkennbar zu vollführen, vor allem von hinten von sehr grellem Licht angestrahlt, sodass man oft nur schemenhafte Schatten erahnen konnte, so sorgte auch das Publikum für heimelige Atmosphäre – immer dann, wenn sich die deutschen Texte der Gruppe aus hunderten Kehlen auf den Weg Richtung Hallendecke begaben. Diese einfühlsamere Seite zeigte das Trio vor allem in der Zugabe während des nur mit Cello und Akustikgitarre gespielten „Datorie“. Dass The Hirsch Effekt jedoch durchaus auch für Party-Stimmung sorgen können, zeigte der wilde Pogo im vorderen Bereich der länglichen Halle. Soweit kein Taktwechsel da ein Strich durch die Rechnung machte, durfte ganz vorne zwischenzeitlich sogar mal freudig gehüpft werden.
Natürlich liefern die drei Musiker hinter The Hirsch Effekt, denen man stets ansieht, wie viel Spaß ihnen ihre Konzerte bereiten, nicht nur im Studio vollends ab – dass die drei eine energetische, gleichzeitig technisch einwandfreie Live-Band bilden, beweist nicht erst diese Jubiläumstour. Hier sitzt jeder fingertötende Jazzakkord, jeder kranke Rhythmuswechsel, jedes verzwirbelte Gitarrensolo. Eine derart chaotische Band könnten Laien schnell als Krach abwinken, jeder, der Ahnung von Musik hat, muss schlussendlich aber einsehen, dass hier drei völlig unterbewertete Musiker auf der Bühne stehen, die dem Publikum immer wieder das bestmögliche Gesamtpaket aus Show und Musik bieten wollen. Der Auftakt der Jubiläums-Tour konnte das durchaus wieder aufzeigen. Wenn eine Sparten-Band ohne große Aussicht auf Kommerzialisierung so lange zu überleben und dabei weiterhin immer auf einem solch hohen Niveau abliefern kann, darf diese ihre Bandhistorie auch mal gebürtig feiern!
Und so hört sich das an:
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The Hirsch Effekt live 2018:
14.09. – Hannover, Indigo Glockensee
15.09. – Bremen, Kulturzentrum Lagerhaus
20.09. – Berlin, Nuke Club
21.09. – Dresden, Scheune
28.09. – Jena, F-Haus
29.09. – Leipzig, Naumanns
29.10. – München, Backstage Club
30.10. – Augsburg, SoHo Stage
08.12. – Hamburg, Indra
Foto von Jonas Horn.
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