Musik gewordene Finsternis, bedrückende Melancholie, von tiefen Bässen getragener Klagegesag. Was The Murder Capital auf ihrem Debütalbum “When I Have Fears” an atmosphärischer Dichte erzeugen, sorgte selbst in der überbordernden Post-Punk-Welle der Stunde für Aufsehen. Live müssen sich die Briten aber zumindest in Deutschland noch mit den kleinen Clubs, was irgendwie nicht so recht zusammen passen will. Diese gigantischen Soundwänden, diese bodenlose Tiefe eingesperrt im kleinen Gleis 22?
Schwierige Umstände, bestmöglicher Output
Die Skepsis gewinnt noch an Gewicht, als sich der Club zunächst von seiner unangenehmen Seite zeigt. Anstelle der online gestellten Stage Time von 21 Uhr, fängt der Support-Act Junior Brother schon um 20:30 an. Was die meisten Anwesenden aber auch nicht wirklich zu interessieren scheint, vermutlich dem sehr unglücklichen Aufbau der Venue geschuldet. Abgesehen von den ersten vier Reihen sieht das Publikum bekanntermaßen – nichts. Dass Junior Brother mit seinem extrem verkorksten Singer-Songwriter-Programm zugegeben nicht vielen Leuten gefallen wird, sei einmal dahingestellt. Aber die überlauten Unterhaltungen sind dennoch respektlos und unangenehm. Glücklicherweise verhalten sich die Fans schon bei den ersten Tönen des heutigen Openers “Green & Blue” wie ausgewechselt, was gar nicht so selbstverständlich ist. Live schwelen die ohnehin schon vielschichtigen Brocken noch einmal gehörig an, die Iren lassen ihren Arrangements viel Raum zur Entfaltung. Das Gleis 22 atmet förmlich die Luft Dublins.
Atmosphärisches Erlebnis in Etappen
Gerade während des sehr post-punkigen Einstiegs, graben sich die repititiven Texte mantra-artig in die Haut. Sätze wie “Don’t cling to life, there’s nothing on the other side” oder “For everything, for nothing” werden von James McGovern immer und immer wieder über die dichten Gitarrenwände gesprochen, erst das dramatische “On Twisted Ground” bricht mit dem bedrängenden Strudel. Reduziert auf zarte Akkorde, steht McGoverns tiefes Timbre ausnahmsweise extrem zentral im Mix des Songs, den er vorher als Freundschaftslied ankündigt. Nach diesem klaren Highlight nimmt der Atmosphären-Klimax gehörig an Fahrt auf: “Love, Love, Love” rennt verkopft nach vorne, damit “More Is Less” endlich das Pitversprechen einlöst, das schon den ganzen Abend in der Luft lag. Als sich dann für das große Finale “Feeling Fades” zunächst alle auf den Boden hocken sollen, will das eigentlich so gar nicht zum doch sehr ernsten Sound des Quintetts passen. Aber als die düsteren Bässen einstimmen und McGovern dem Publikum anschließend den Startschuss zum Springen gibt, ergibt es auf eine sehr bizarre Weise doch irgendwie Sinn. Der Frontmann schwingt sich in den Moshpit, lässt sich durch den Raum tragen, schreit sich alles von der Seele. Auf diesem absoluten Intensitätshöhepunkt endet der Auftritt nach 50 Minuten purer Energie.
Selbst diesen doch eher mäßigen Räumlichkeiten entlocken The Murder Capital ein großes Stück Erhabenheit. In welche Sphären sich das erst mit entsprechendem Sound- und Lichtmöglichkeiten entwickeln könnte, wird in der Dynamik der heutigen Setlist angedeutet. In der Post-Punk-Liga vertrauen The Murder Capital jedenfalls auf Atmosphäre – und punkten damit ordentlich.
Und so hört sich das an:
Website / Facebook / Instagram / Twitter
Beitragsbild von Julia.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.