The Murder Capital – When I Have Fears

Im straff getakteten und immens überladenen Social-Media-Dschungel verliert man schnell den Überblick. Hypes entstehen hier viel schneller als noch vor Jahren, jedoch gehen genau so viele Musiker*innen dank der stets präsenten Konkurrenz auch viel schneller wieder unter. Bei dem großen Online-Wettrüsten spielen The Murder Capital nicht mit. Das britische Quintett hüllt sich bewusst in Schweigen und erzeugt dank der wirklich beeindruckenden Musik etwas, das der modernen Musikindustrie sehr oft abhanden kommt: Magie, Spannung, etwas Geheimnisvolles. Auf ihrem Debüt „When I Have Fears“ lüften die Musiker ihre Masken ein Stück, doch darunter klafft eine bodenlose Finsternis. Post-Punk, wie er leibt und lebt.

Mit ihrem Cover empfehlen die Briten die körperliche Nähe als Antwort auf den Zustand der puren Angst, ihre Musik taugt aber eher als Soundtrack für melancholisches Aus-Dem-Fenster-Gucken und der Welt beim Untergehen zuschauen als für gemütliches Kuscheln. Wo einst Joy Division einschneidende Furchen gegraben haben, stürzt sich das Quintett hinein und gräbt noch etwas tiefer. Was sich im Opener „For Everything“ noch durch Schichten aus wilden Schlagzeug-Eskapaden und hämmernden Riffs, klirrendem Geschrammel und den zärtesten Tönen ankündigt, ist auch im anschließenden Verlauf von „When I Have Fears“ Programm. Immer wenn sich Frontmann James McGovern Mantra-artig seine Sorgen von der Seele murmelt, begraben ihn gigantische Schichten von Gitarrenwänden. Diese können sich wie in „Slowdance I“ auch mal durch quengelnde Riffings andeuten oder in „Don’t Cling To Life“ mit zorniger Entschlossenheit über die Arrangements hinweggaloppieren, doch eins ist stets gewiss: Ein Trost spendendes Licht ist in all der Finsternis nicht erkennbar. Diese Endgültigkeit manifestiert sich auch in den vertrackten Post-Rock-Teppichen des Instrumentals „Slowdance II“ und dem an die Post-Punk-Kollegen Shame erinnernden Stampfer „Feeling Fades“. In all dieser wabernden Trübseligkeit mimt McGovern in „How The Streets Adore Me Now“ dann auch noch Nick Cave, den dunklen Fürsten des Storytelling, und pinselt so eine weitere Facette der dystopischen Grundstimmung pechschwarz an.

Wenn „Don’t Cling To Life“ also den letzten Tanz vor dem endgültigen Tod vertont und trocken verkündet, dass da auf der anderen Seite nichts mehr wartet, erinnert das Grundgefühl ein weiteres Mal an die großen Joy Division. Im Plattenregal können es sich The Murder Capital auch zwischen diesen und jungen Kollege wie Fontaines D.C. gemütlich machen. All dem Personenkult zum Trotz ist „When I Have Fears“ nämlich Musik gewordene Finsternis. Und für diese braucht es keine gestellten Instagram-Posts.

„When I Have Fears“ kannst du hier kaufen. *

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=ddBjpD5kHVY

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The Murder Capital live 2019:

  • 12.11.2019 Molotow Hamburg
  • 13.11.2019 Musik & Frieden Berlin
  • 14.11.2019 Artheater Köln

Rechte am Albumcover liegen bei Human Season.

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