Harakiri-For-The-Sky-Frontmann J.J. hatte einst beschlossen mit seiner Solo-Unternehmung Karg keine Konzerte mehr zu spielen, sondern die Band nur noch als Studio-Projekt weiter zu führen. Jetzt spielen Karg wieder Live-Shows. Ebenfalls veröffentlicht das seit 2006 existierende Post-Black-Metal-Projekt mit „Traktat“ sein bereits siebtes Album, welches gleichzeitig das dritte in fünf Jahren ist. Recht beeindruckend dafür, dass es sich eigentlich nur um J.J.s Ventil zum Erblicken menschlicher Abgründe handelt. Mit „Traktat“ rückt Karg zielstrebig in Richtung einer endgültigen Symbiose von Post Rock und Black Metal. Wobei Genre-Bezeichnungen im Jahr 2020 sowieso immer mehr ins Belanglose driften.
Introspektiv mit Blick nach Außen
Kargs wohl beständigstes Merkmal, die vehement-ruppigen Kreisch-Einlagen von J.J., sorgen auch auf Traktat oftmals für Gänsehaut. Dennoch hat das österreichische Projekt nicht verlernt, konstant an sich selbst zu wachsen. Die auf „Apathie“ oder „Malstrom“ vorherrschende Lo-fi-Produktion ist gänzlich verschwunden. Ebenfalls wird die Musik nicht mehr von bedrückendem Black Metal dominiert. In erster Linie zeichnet sich „Traktat“ durch eine melancholische, vereinzelt durchaus depressive Atmosphäre aus. Eine leichte Hardcore-Schlagseite, wie man sie von „Weltenasche“ und „Dornenvögel“ kennt, ist noch vorhanden. Die Übergänge von tristem Post Rock und depressivem Black Metal verschwinden zunehmend, dabei wird die Musik ständig von einem betrübten Bleimantel umgeben.
Besonders interessant wird es, wenn in „Stolperkenotaphe“ Streicher zum Einsatz kommen. Wobei das auch keine allzu große Überraschung darstellt, da J.J. mit Karg schon immer gerne in andere Genres geblickt hat. Wie gewohnt harmonieren auch auf Kargs siebter Platte schneidende Gitarren mit Texten, die allesamt in österreichischer Mundart gehalten sind. Das Album hält die Balance zwischen brachialen Blastbeats und gebrechlichen Riffs durchweg aufrecht. Moderne Elemente treffen auf einen gewissen rustikalen Charme und ergänzen sich nahtlos.
Innovation durch Querverweise
Stellenweise kommt die Platte nah an das, was auf Harakiri For The Skys aktuellem Album „Arson“ zu hören ist. Jedoch liegen die Akzente bei Karg an anderen Stellen. Vor allem ist es die schon beschriebene triste Atmosphäre, welche sich durch die komplette Diskografie des österreichischen Projekts zieht, die die Musik auszeichnet. Gleichermaßen scheinen immer wieder Bands wie This Will Destroy You und God Is An Astronaut oder Wolves In The Throne Room durch.
Genre-Beschreibungen werden schnell überflüssig. Wobei hier erwähnt werden muss, dass die Vorsilbe Post hilft zu Beschreiben, was passiert. Dabei ist es eher nebensächlich, ob es sich nun um Post-Rock oder Black-Metal handelt. Ohnehin wird schnell klar, dass so viel mehr Stilrichtungen ihre Spuren in der DNA der Platte hinterlassen haben, als die just genannten Genres. Zudem wird beim Hören schnell klar, dass nicht zuletzt die persönliche Ebene der Musik und die Leidenschaft, welche sich hinter eben dieser Kunst verbirgt, maßgeblich dazu beitragen, dass hier so verschiedenes miteinander harmoniert. „Traktat“ – ein zeitgemäßer und zugleich bedrückter Entwurf für alles, was Post-Musik im neuen Jahrzehnt sein kann.
Das Album ist hier erhältlich.*
Und so hört sich das an:
Karg live 2020:
- 07.02. Helvete, Oberhausen
- 08.02. From Hell, Erfurt
- 09.02. Bambi Galore, Hamburg
- 10.02. Nuke Club, Berlin
- 11.02. Golden Nugget Club, Nürnberg
Die Rechte am Albumcover liegen bei AOP.
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