Alice Phoebe Lou ist eine Independent-Künstlerin durch und durch. Damit sind nicht nur organisatorische Facetten ihres Schaffens gemeint, sondern auch die Musik als solche. Wie sehr ihre Haltung die gesamte Karriere bestimmt, zeigte auch ihre Ablehnung eines Support-Slots für Coldplays Europa-Tour. Alice Phoebe Lou wurde in Südafrika geboren, siedelte jedoch nach einem Auslandsjahr in Europa nach Berlin um. Seitdem erspielte sich die DIY-Musikerin mit Straßenmusik eine kleine Fanbase, veröffentlichte EPs und ein Album. Mit “Paper Castles” wird nun alles noch einen Ticken professioneller, ohne dabei am Charme des selbst Gemachten zu verlieren.
Auch dieses zweite Album widerspricht den Konventionen des Streaming-Zeitalters und setzt zunächst bewusst auf Entschleunigung. Während also im Opener “Little Spark” eine dicke Schicht Hall auf Lous Stimme liegt und die Instrumente nur sanft zur Oberfläche wabern, gleicht “Nostalgia” dem Namen entsprechend einem Soundtrack eines Schwarz-Weiß-Films. Besonders weitläufig und atmosphärisch wird es schließlich in “Galaxies”, in denen sich Synthesizer zu den organischen Instrumenten gesellen und in außerirdische Sphären driften. Auch Lou selbst begibt sich stimmlich in ungewöhnliche Gefilde. Während man sich also während dieser ersten Albumhälfte zwischen Lounge, Jazz, Dream Pop und Indie gedanklich langsam in eine verworrene, aber gemütliche Zwischenwelt begibt, verpasst “Something Holy” der wonnigen Atmosphäre schließlich noch einen sexuellen Anstrich. Gerade da hier Körper als etwas Ehrwürdiges betrachtet werden, bricht das folgende “Skin Crawl” gleich doppelt mit dem bisherigen Gefühl des Albums. Mit klaren Worten verurteilt Alice Phoebe Lou das Patriarchat, Misogynie und Aggressionen gegenüber Frauen – stattdessen wird klar für Empowerment gekämpft. Auch musikalisch greift Lou zu schnelleren, bestimmteren Klängen – vom verträumten Unterton zum unheilvollen. Dass das Album nicht direkt in eine Punk-Richtung abdriftet, untermalt Lous DIY-Attitüde noch ein mal und wirkt sehr authentisch. Auch das Video zu “Skin Crawl” kann an dieser Stelle noch einmal mit Nachdruck empfohlen werden, stellt es die Objektifizierung von Körpern einmal mit einem Augenzwinkern auf den Kopf. Mit diesem Schwung nimmt das Album im letzten Drittel noch einmal extra Fahrt auf und bietet mit “My Outside” und “New Song” gleich zwei der eingängigsten und aussagekräftigsten Songs. Während das erstere die starke Oberflächlichkeit gegenüber Frauen kritisiert und mit Hand Claps arbeitet, ermutigt der zweite zum auf sich selbst achten. Als dann das abschließende “Ocean” mit sanften, wellenartigen Melodien von einem Ort der Zuflucht in traurigen Momenten spricht, wird das Songwriting-Talent der Künstlerin noch einmal eindrucksvoll bewiesen.
“Paper Castles” geht wahrlich nicht immer den einfachen Weg und biegt manchmal ganz anders ab, als man es erwartet. Alice Phoebe Lou beweist sich auch auf ihrem zweiten Album als eigenständige Künstlerin, die sich in keine einfach zu verdauende Form pressen lassen kann – und kann gerade damit ein starkes Profil herausbilden.
Das Album “Paper Castles” kannst du hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
https://www.youtube.com/watch?v=nDxHWFInYFo
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Alice Phoebe Lou live 2019
- 10.04.2019 UT Connewitz Leipzig
- 13.04.2019 Faust Hannover
- 23.04.2019 Musikbunker Aachen
- 29.04.2019 E-Werk Erlangen
- 01.05.2019 Jazzhaus Freiburg
- 02.05.2019 Ampere/Muffatwerk München
- 04.05.2019 Im Wizemann Stutgart
- 06.05.2019 Kulturkirche Köln
- 07.05.2019 KUZ Mainz
- 08.05.2019 Die Pumpe Kiel
- 11.05.2019 Columbiahalle Berlin
Rechte am Albumcover liegen bei Alice Phoebe Lou.
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