Männer, das (zahlenmäßig) doch immer noch die Rock-Musik dominierende Geschlecht, werden von der Gesellschaft häufig dazu getrimmt, so wenig verletzliche Emotionen wie möglich zu zeigen. Trauer lässt sich dann oft in Frust und Wut aus. In den letzten Jahren tauchen im Rock immer mehr Künstler auf, die zeigen, dass Verletzlichkeit und Emotion im Jahr 2018 eigentlich kein Tabu-Thema sein müssen: Die Amerikaner All Get Out gehören zu dieser Riege. „No Bouquet“ heißt das dritte Album der Band, die stets emotionsgetränkte Gitarren-Musik mit eingängigen Melodien paart.
„No Bouquet“ beginnt ganz seicht. Die reduzierte Instrumentalisierung aus Gitarre und Gesang verliert sich später komplett in unangenehm lauten Soundflächen. Diese Stimmungswechsel durchziehen alle zehn Lieder der Platte. So vermählt das Duo im Verlauf der knapp vierzigminütigen Reise auf magische Weise immer wieder seichte Töne mit ängstlich anmutenden Ausbrüchen. „Namesake“ entpuppt sich als geeigneter Repräsentant dieser von Laut-Leise-Kontrasten durchzogenen Stücken. Auch die häufig mal dissonanten Riffs – man achte auf den Refrain von „God Damn“ – oder die vielen verfrickelten Melodien wie in der Bridge von „However Long“ stellen Konstanten im energetischen Soundbild von All Get Out dar.
Ebenfalls die mit sich selbst oder menschlichen Beziehungen abrechnenden Texte, bilden einen Standpfeiler der All Get Out-Formel. Dabei stellt sich Sänger, Gitarrist und Frontmann Nathan Hussey immer wieder seiner eigenen Gefühlswelt. Wenn er im unbequemen Chorus von „Survive“ immer wieder fast euphorisch „I’m pretty sure that I’m dying“ skandiert, drehen sich einem langsam die Eingeweide um. Später singt Hussey vom Vermissen („However Long“), spricht in „Self Repair“ mit brechender Stimme davon, es sei okay, dass man ihn beim weinen ertappt habe und sucht in einer Beziehung die friedliche Konfrontation, indem er dazu auffordert, sich frei vom eigenen Hass zu machen („First Contact“). Der Frontmann zeigt dem Hörer dabei immer wieder auf, dass es eben keine Schande ist, als Mann über eine verletzliche Seite zu verfügen.
Darüber, ob dieses einfühlsame Statement, das genauso zart endet wie es zuvor begann, etwas bewegen kann, kann nun unendlich lange diskutiert werden. Dass ein solcher Rollenwandel sich durch die Gesellschaft vollziehen muss und auf längere Frist unabdingbar ist, lässt sich jedoch nur schwer von der Hand weisen. Dazu können All Get Out ihren (wenn auch kleinen) Teil beitragen. Selbst wenn nicht, bleibt „No Bouquet“ eine zwar nicht allzu verkorkste, dafür aber unterhaltsame Rock-Platte.
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Und so hört sich das an:
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Die Rechte für das Albumcover liegen bei Rude Records.
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