Ashnikko – Weedkiller

Cover des Ashnikko-Albums "Weedkiller".

Eine Handvoll Bohnen, fein-gemahlen, druckvoll Wasser durchgepresst. Dazu etwas Hafermilch (altmodisch: Kuhmilch), vielleicht ein wenig aufgeschäumt. Eigentlich ein simples Unterfangen, kein Hexenwerk. Würde man meinen. Kaffee-Fanatiker*innen widersprechen. Es gibt viel zu beachten. Die Bohnen. Die Röstung. Der Wasserdruck. Die Wassertemperatur. Die Milch. Deren Temperatur. Auch Variationen gibt es viele. Mal mehr Milch, mal gar keine. Mal Aromen zugesetzt, meistens nicht. Oft schmeckt Kaffee, selten aber schmeckt er sehr gut.

Was aber hat das nun mit Ashnikko und ihrem neuen, ersten Album “Weedkiller” zu tun, mag man sich als Leser*in nun fragen. Immerhin hat Ashnikkos hibbeliger Soundmix wenig mit dem eher braven, bedächtigen Koffeinheißgetränk gemein. Entpuppt sich all das also als eine sinnlose Analogie? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ashnikko jedenfalls macht die vollen 33 Minuten eigentlich nichts anderes als sich vielfach erprobte und kopierte Rezepturen ihrer eigen zu machen. Hyperpop. 1990er-Dance-Remniszenz. The Prodigy-mäßiger Techno-Alternative. Wut-Rap. Und auch die Posen sind keinesfalls neu. Es soll höher, weiter, schneller gehen – Ashton Nicole Casey alias Ashnikko will alles. Dafür teilt sie aus – gegen Ex-Partner*innen, Feinde, das Patriarchat. So manches Mal wütend, andermal überheblich, manchmal lässig. Immer leidenschaftlich. All das schon vielfach eingenommen (wenn auch wichtig). Von Kolleginnen wie Doja Cat, Princess Nokia oder Rico Nasty. Gegenposen zum sonst männlich dominierten Game.

Ashnikko also hantiert mit vielen mehr oder minder angesagten Stilistiken. Ihre Gesamterscheinung ist das Produkt vieler kleiner, lange bekannter Teile. Das Resultat eines solchen Unterfangens zumeist ist lediglich ganz okay. So wie der meiste Kaffee, denn bekanntlich ist richtig guter Kaffee Kunst. Essentiell ist der sichere Umgang mit allen im Prozess eingebundenen Komponenten, vielleicht auch Leidenschaft. “Weedkiller” schlussendlich ist nicht nur ganz okay, sondern toll, stellt man überrascht fest. Die 27-Jährige nämlich greift stilsicher und mit der nötigen Konsequenz zu den richtigen Mitteln. Das Handwerk stimmt. Im Fall von “You Make Me Sick!” führt das zu einer zweiminütigen, bitterbösen Universal-Ansage an Feinde jeglicher Art (samt Schrei-Parts). “Miss Nectarine” ist Dance-Pop-Revival in bester Ausführung (anti sein missglückt). “Worms” ein (wenn auch melodisch nicht sonderlich einfältiger) sommerlicher Hit. “Dying Star” der melancholische Schlusspunkt, den ein solches Album braucht.

Dieses Stil-Bingo wiederum steht auf einem mehr als stabilen Unterbau. Die Produktion stellt sicher, dass Synthesizer, Gitarren und 808s unmissverständlich doll scheppern. Nur keine Fahrstuhlmusik sein, aber trotzdem leicht ins Ohr gehen: Gelungen. Und auch der konzeptuelle Hintergrund passt. “Weedkiller” lädt in eine Fantasiewelt, die von Feen bewohnt wird. Diese wiederum sehen sich Maschinen ausgesetzt, die alles Organische nach und nach durch Maschinelles (aka: sich selbst) ersetzen wollen. Es ist die typische Geschichte von Spaltung und Unterdrückung, von Gut gegen Böse, vom Kampf um die eigene Existenz. Letzteres kann übertragen werden auf den zunehmend durch-automatisierten Arbeitsmarkt oder eben auf die Verdrängung bedrohter Tierarten. An dieser Stelle zeigt sich jedoch die einzige offensichtliche Schwäche des Albums: Begleitet die Welt Ashnikko auch in Artworks und Musikvideos, so taucht sie in den meisten der 13 Songs nur oberflächlich auf. Oft schreibt Ashnikko dann doch primär darüber, was sie persönlich und politisch umtreibt.

Letzten Endes lässt sich darüber jedoch hinwegsehen. “Weedkiller” nämlich möchte vor allem eines sein: Gut gemachte Pop-Musik. Und das gelingt. Darauf erstmal einen Schluck Kaffee. Aber einen guten.

Hier kannst du dir das Album kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Ashnikko live 2023:

22.11. – Berlin, Huxleys (ausverkauft!)
25.11. – Köln, Carlswerk Victoria (ausverkauft!)

Die Rechte für das Albumcover liegen bei Parlophone Records.

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