In diesem Sommer war es irgendwie gar nicht so einfach mit den Festivals – egal wo man hinreiste, die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass man von einem Regenschauer oder gar Gewitter überrascht wurde und auch im vergangenen Jahr waren zahlreiche Festivalauftritte bereits unverhofft ins Wasser gefallen. Umso schöner also, dass uns das San Hejmo Festival am Freitag, den 18. August 2023, mit einer ordentlichen Portion Sonnenschein begrüßte.
Auf dem Airport Gelände in Weeze (Nordrhein-Westfalen) hatte einen Monat zuvor noch das PAROOKAVILLE stattgefunden. Während sich dort vor allem Electro- und Technofans einfanden, lockten die gleichen Veranstalter*innen beim deutlich kleineren San Hejmo eine breitere Masse an Musikfans an. 2022 hatte das Festival in Weeze seine Premiere gefeiert (damals noch als Tagesfestival) und war mit rund 25.000 Besucher*innen komplett ausverkauft gewesen. In diesem Jahr wurde das Event um einen weiteren Tag erweitert, auch wenn das nun zweitägige Line-Up mit seinen Pop-, Hip-Hop- und Elektro Acts durchaus etwas random zusammengewürfelt wirkte.
San Hejmo – angelehnt an die Plansprache Esperanto – steht für “Heiliges Zuhause” und genau dort sollten die Festivalfans sich in Weeze in erster Linie fühlen. Das liebevoll gestaltete Gelände lockte daher nicht nur mit mehreren Bühnen, sondern vor allem auch mit einer beeindruckenden Kunstsammlung, die sich ins gemütliche Ambiente einfügte. Die Open Air Galerie beeindruckte mit den Werken von über dreißig Künstler*innen darunter u. a. Bordalo, Hera, Sasha Korban, ADULTREMIX und SWALT. Neben den faszinierenden Kunstwerken bezauberte das San Hejmo außerdem mit abwechslungsreichen Streetfood Ständen, einer Chillout Lounge, einem beleuchteten Riesenrad, einem weiteren Kirmes-Fahrgeschäft und einem gemütlichen Waldbereich, in dem man seiner eigenen Kreativität beim Bemalen bunter Holzschilder freien Lauf lassen konnte. Insgesamt bot sich uns ein wohliger Ort voller Musik und positiven Vibes, an dem sich das vielfältige Publikum wohlfühlen konnte.
Auch wir fühlten uns bei unserer Ankunft direkt Willkommen. Allerdings waren wir auf den ersten Blick auch etwas überfordert – uns verwirrte das große, verschachtelte Gelände mit seinem riesigen Angebot an Ständen und bunten Lichtern. Wir folgten daher zunächst einfach mal der Musik, in der Hoffnung, sie würde uns den Weg zur Main Stage zeigen. Das Besondere an der Sache: die Main Stage des San Hejmo war in zwei Bühnen unterteilt, die jeweils abwechselnd bespielt wurden, sodass es keine langatmigen Umbaupausen zwischen den einzelnen Auftritten gab.
Die beiden ersten Acts des Tages – Kaffkiez und die wunderbare Esther Graf – hatten wir leider verpasst. Auf der rechten der beiden Bühne spielte aber gerade Rapper Majan, der in den letzten zwei Jahren mit seinen selbstgeschriebenen Pop- und Rapsongs, Features und seinem eigenen Label in der deutschen Szene angekommen war. Gerade als wir die Bühne erreichten, widmete seine Crew ihm außerdem ein herzliches Ständchen zum 24. Geburtstag und überreichte ihm einen liebevoll verpackten Tretroller als Geschenk.
Als nächstes ging es rüber zur Bühne auf der linken Seite, wo gleich eines der absoluten Festivalhighlights auf uns wartete: 18 Jahre nach ihren Durchbruch war dies nämlich nun der erste Sommer, in dem Tokio Hotel auf den Bühnen der deutschen Festivals zu Gast waren. Lange Zeit hatte die vierköpfige Band aus Magdeburg trotz ihres internationalen Erfolges gegen die Vorurteile und Ablehnung der deutschen Musikszene behaupten müssen. Mit ihrer mittlerweile fast ausschließlich englischsprachigen Musik war die Band musikalisch gewachsen und dadurch mittlerweile auch für ein deutlich breiteres Publikum greifbar. Dennoch war es spannend zu sehen, wie ein Festivalpublikum Bill, Tom, Gustav und Georg wohl aufnehmen würde. Glücklicherweise zeigte sich die Menge beim San Hejmo Festival tolerant und während Tokio Hotel mit Pyrotechnik, Outfitwechseln und reichlich Nebel ihr aktuelles Konzertset in gekürzter Länge präsentierten, sah man im Publikum durchweg glückliche und strahlende Gesichter. Als dann auch noch der Kulthit “Durch den Monsun” als großes Finale gespielt wurde, sang die Menge – Alter und Geschlecht egal – textsicher mit. Ein wirklich gelungener Auftritt!
Während auf der Main Stage als nächstes Wanda spielten, die musikalisch leider nicht ganz unserem Geschmack entsprachen, wanderten wir ein wenig über das verwinkelte Festivalgelände und genehmigten uns mit unseren bargeldlosen Festival Token ein kühles Getränk sowie eine Pause am Crêpe Stand.
Gestärkt ging es zum nächsten Auftritt: Provinz enterten die Bühne. Die vierköpfige Indie-Pop Band aus Ravensburg hatte seit 2020 eine schier unendliche Menge an Konzerten gespielt und war seither von den deutschen Bühnen nicht mehr wegzudenken. Mit der unverkennbaren Stimme von Sänger Vincent und den gefühlvollen Songs ihrer zwei Alben überzeugten Provinz auch beim San Hejmo Festival. Die absoluten Highlights waren hierbei die aktuelle Single “Blaue Stunde”, während im Hintergrund langsam die Sonne unterging, sowie ein unglaublich lauter Fan-Chor zum Hit “Was uns high macht”. Gänsehaut pur!
Als nächstes war es an der Zeit für einen deutschen Rapper, der nach den Ereignissen der vergangenen Monate unserer Meinung nach auf der Main Stage des Festivals nichts zu suchen hatte. Wir nutzten die Zeit also, um das Festivalgelände weiter zu erkunden. Auf der Electronic Stage, die auf der anderen Seite des Riesenrads in einer Art Flugzeugbunker stand, und der Party Stage spielten an diesem Tag einige fantastische Acts und DJs, wie zum Beispiel VICE, Alle Farben, 257ers, Die Atzen und Ferris MC. Keine Ahnung, wer bei unserem Besuch gerade auflegte, doch uns erwartete eine unterhaltsame Mischung aus 80’s Hits und den Backstreet Boys – die perfekte Partyatmosphäre!
Außerdem nutzen wir die musikalische Pause um uns die Streetart Galerie und den Rest des gemütlichen Geländes genauer anzusehen, ehe es schließlich zurück zur Main Stage ging, wo Rapper Cro als nächstes die Bühne betrat. Mit einer fulminanten Liveband und großartigen Backgroundsängerinnen spielte er sämtliche Hits seiner ausgedehnten Rap- und Pop-Diskografie. Radiohits wie “Du” und “Easy” durften dabei natürlich nicht fehlen. Außerdem gab es einen noch unveröffentlichten Song, sowie ein gefühlvolles Duett mit Geburtstagskind Majan. Mein Highlight des Sets war ganz klar der Ohrwurm “Meine Gang (BANG BANG)”, der ausgeschrieben gerade ziemlich Banane klingt, aber wunderbare Festivalerinnerungen vergangener Jahre weckte und neue schuf.
Nach dem Rapper mit der Pandamaske war es nach Mitternacht schließlich Zeit für den Rapper im Trenchcoat: Alligatoah trat als letzter Act des Tages auf die Main Stage und überzeugte wie immer nicht nur musikalisch, sondern vor allem auch mit einer überaus unterhaltsamen Bühnenshow. Als Bauarbeiter verkleidet imitierten seine Band und Backup Rapper BattleBoi Basti einen stressigen Arbeitsalltag, während Alligatoah über ein fahrendes Fließband lief, sich auf dem Boden räkelte und trotz Akrobatik konstant eine großartige Performance ablegte. Neben altbewährten Hits wie dem “Trauerfeier Lied” oder “Willst Du” gab es auch einige neuere Tracks, die ich noch gar nicht kannte. Skeptisch lauschten wir hierbei dem etwas platten Deutsch-Englischen Text von “Fuck Rock n Roll” – und verließen das Festival schließlich mit einem Ohrwurm von genau diesem Song.
Am meisten in Erinnerung bleibt uns das San Hejmo aber als positives Gesamtpaket. Dem zusammengewürfelten Line Up standen wir erst skeptisch gegenüber, doch im Endeffekt hat uns das Festival durch sein zwangloses Zusammenspiel aus Musik, Kreativität und Vielfalt überzeugt. Obwohl das San Hejmo flächenmäßig zu den größeren Festivals des Landes zählt, fühlte es sich dennoch gemütlich an und war bis ins kleinste Detail durchweg liebevoll gestaltet. Wir sind froh, dass auch das Wetter mitgespielt hat und somit der einzige Monsun des Tages von Tokio Hotel kam.
Im nächsten Jahr findet das San Hejmo vom 16.-.17. August 2024 statt. Vergünstigte 2-Day Tickets inkl. Camping gibt es ab sofort für 169€ zzgl. Müllpfand im Vorverkauf.
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Die Bildrechte liegen bei Robin Böttcher / Moments Fotography.
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