Balbina – Punkt.

Der nächste logische Schritt. Leicht verträglich war die Musik von Balbina noch nie. Jetzt will sie’s aber wissen und kommt zum Punkt.

Mit dem vierten Longplayer löst sich Balbina noch ein weiteres Stück von Konventionen. Die 36-jährige Berlinerin, die in Warschau geboren ist, hat vor wenigen Wochen durch das Rolling Stone-Magazin äußerst viel Aufmerksamkeit bekommen. Diese nahm die Form von über 400.000 YouTube-Aufrufen an. Von „dem besten Rammstein-Cover des Jahres“ war die Rede – das sahen viele anders. Ein Shitstorm sondergleichen ging los und zerriss die aneckende „Sonne“-Interpretation in der Luft.

Und genau da sind wir auch schon beim Kern: Balbina macht absolut keine Musik für „mal fix reinhören“. Keine Musik, die nach Charts klingt. Keine Musik, die jedem gefallen wird und beim ersten Durchgang auf Granit stößt. Pop ist ihr zwar nicht fremd, aber der Kern ist doch im Indie, Alternative, Avantgarde, Chanson, Jazz oder Hip-Hop verankert. Wer denkt, er liest grade nicht richtig, denkt falsch. Denn all diese Musikrichtungen schließen sich bei Balbina keinesfalls aus.

Mit „Seife“ gelang ihr im Mai 2014 der bis dato größte Hit, der – wie gesagt, Konventionen adé – einfach mal nicht auf das erste Album „Über das Grübeln“ (2015) gepackt wurde. Ein Deutsch-Pop-Ohrwurm mit unvergleichlicher Metaphorik. Das Album wiederum bewies, dass das, wozu „Seife“ den Grundstein legte, noch viel mehr zu bieten hat und lieferte Wortmalereien und -spiele, die gerne auch erst nach vier oder fünf Durchläufen verstanden werden – andere hingegen sind so komplex, dass sie bis heute nicht zu entschlüsseln waren.

Mit dem Nachfolger „Fragen über Fragen“ (2017) wurde das Prinzip „Konzeptalbum“ verfeinert und 16 vertonte Erzählungen an den Käufer gebracht, wovon 13 aus einem Artikel und einem Nomen im Namen bestehen. Wenn Balbina eins kann, dann ist es Konsequenz. Ratet doch mal, welches Konzept hinter dem Albumtitel Punkt. wohl steht…

14 Songs inklusive vier durchnummerierten „Zwischenspielen“. Alle enden im Titel auf einem Punkt. Dabei wird sich musikalisch ein wenig neu erfunden: weg vom Pop oder Chanson, hin zu derberen Beats. Wer Balbina besonders für ihre Sprachvielfältigkeit liebte, muss sich nun leider damit zufriedengeben, dass mit kreativen Wortneuschöpfungen und Lines, die sich für das Lieblingszitat des Jahres eignen, etwas gespart wird. Dafür ist die Produktion umso fetter.

Die eigenwillige Sängerin ergänzt ihre Lieder durch englische Phrasen und hat sich hier und da einen höchst speziellen Akzent angewöhnt. Das wirkt zunächst ein wenig befremdlich, passt aber schließlich zur Atmosphäre. Die brilliert durch träumerische Klanglandschaften, bei denen sich große Streicher an Bässe und Drums anschmiegen und umgekehrt. Dazwischen singt Balbina mal klassisch angehaucht, schreit emotional los und geht mit ihrer Stimme bis in die Tiefen.

Ein ständiges Wechselbad zwischen Überforderung, Herausforderung und Faszination. Punkt. sollte mehrmals gehört werden, am besten hintereinander. Ein Album, aus dem man nur schwer einzelne Teile heraustrennen kann. Sucht man zwangsläufig nach Anspieltipps, ist „Weit Weg.“ mit Ebow ein kleiner, aber feiner Ohrwurm mit Black-Electro-Beats, der sich ständig aufbaut, dann doch nicht auf das volle Gas tritt und dadurch so brillant anders ist. „Machen.“ mit Herbert Grönemeyer (!) hat fast schon Clubtauglichkeit. Pure Catchyness mit Arschwackelgarantie und dem oftmals nötigen Motivationskick kostenlos dazu. Die beiden Protagonisten harmonieren hervorragend. „Sonne.“ hat nicht umsonst solche Klickzahlen erreicht. Es bricht, es verschreckt, es macht Angst, es rüttelt an einem. Wirklich ein gutes Cover. Mit „Blue Note.“ gelingt eine smoothe R’n’B-Nummer, die mit Kopfhörern zum Relaxen einlädt. An „Langeweile.“ lässt sich erkennen, wie kongenial die Übergänge zwischen instrumentalem Outro und „Zwischenspiel Eins.“ funktionieren.

Sie klingt absolut nicht so und doch erinnert Balbina mit ihrem neusten Werk an Björk. Die Kombination spricht für sich: ästhetische Bildebene mit Songs, die schön und schräg sind und bei denen alles zusammen eindeutig mehr Kunst als Musik gleicht. Balbina wird mit Punkt. zwar nicht viele, aber dennoch einige Fans dazu gewinnen und wechselt von einer Nische in die nächste. Mut zum Anderssein, der belohnt werden sollte und in Deutschland auf dem Niveau nahezu konkurrenzlos ist.

Das Album „Punkt.“ kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Die Rechte fürs Cover liegen bei BMG.

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