Brutus – Nest

Brutus - Nest

Musiker entwickeln sowohl ihre Persönlichkeit, als auch ihre Fertigkeiten – beides beeinflusst das für den Konsumenten gefertigte Endprodukt, die Musik, in großem Maße – stets weiter. Davon bekommt das letzte Glied der Konsumkette, die Fans, zumeist wenig mit. Sprechen Künstler und Künstlerinnen in Interviews davon, sie hätten ihren Sound auf ihrem neuesten Werk deutlich versierter gestaltet und in allen Belangen dazugelernt, hört man den einzelnen Stücken diese Entwicklungen in den seltensten Fällen an. Anders sieht das bei den Belgiern Brutus aus. „Nest“ heißt das zweite Studioalbum des Trios und sieht die Band vor allem gesangstechnisch merklich vielseitiger und durchdachter handeln.

Eine wichtige Rolle in diesem Selbstbewusstsein generierenden Reifeprozess spielt Schlagzeugerin und Sängerin Stefanie Mannaerts, die die Doppelrolle als Frau an den Drums und am Mikrofon zunächst eher aus Not als aus Glück übernahm. Die damit verbundene Unsicherheit hörte man dem Debüt „Burst“ noch deutlich an: Gesungen wurde dort vor allem während der Ausbrüche, die ruhigen Passagen mussten zumeist mit post-rockigen Gitarrenwänden auskommen. Auf „Nest“ begegnet man einer selbstsicheren Mannaerts, die sich in ihrer Haut merkbar wohler fühlt. Mit „Space“ gibt es sogar einen Song, der komplett auf kraftvolles Schlagzeugspiel verzichtet und nur auf Bass-Drum und Hi-Hat baut – gesungen wird hier trotzdem. Ein Großteil der Gesangsparts klingt außerdem deutlich sauberer und kunstvoller, die Vocals schweben häufig über oder in der Musik. Die Songs schielen dadurch nicht selten auch mal in Richtung Rock und treiben sich weniger im ausufernden Post-Hardcore-Gefilde herum.

Musikalisch wird diese Offenheit gegenüber dem eigenen Stimmorgan von Brutus-typischen Bass-, Gitarre- und Schlagzeugparts flankiert. Der Opener „Fire“ wirft mit gewohnt atmosphärischen Gitarrenmelodien und punkigen Drums um sich, „Cemetery“ schwankt zwischen Shoegaze und Kreisch-Ausbrüchen und das bereits genannte „Space“ baut seine Soundteppiche immer wieder auf, während Mannaerts eingängige „Uh-Oh“-Chöre anstimmt, zieht sich im letzten Moment jedoch immer wieder zurück und räumt der Ruhe Platz ein. Seinen eigenen Sound scheint das Trio also bereits gefunden zu haben. Was nun jedoch deutlich besser funktioniert, sind die Übergänge von Laut zu Leise und umgekehrt. „Techno“ demonstriert das eindrucksvoll mit seinem ruhigen Mittelteil, bloß um sich dann urplötzlich für sein krachiges Finale ein erneutes Mal aufzubäumen. Auch die Vorabsingle „War“ stellt zunächst nur die Gitarren und den himmlischen Gesang Mannaerts in das Spotlight, bevor die Band den Song angeführt vom hektischen Schlagzeug in den düsteren Riffstrudel zieht, der dann wiederum schimmernden Post-Rock-Gitarren weicht. Wie bereits auf „Burst“ wandeln Brutus innerhalb einzelner Songs von Licht ins Dunkel, überschreiten und ignorieren dabei Genre-Grenzen und wirken trotz der hinter den Kulissen herrschenden Unsicherheit stets dem eigenen Sound-Mischmasch erhaben.

Trotz all der Blast-Beats, Punk-Momente und Riff-Ausbrüche ist „Nest“ keine anstrengende oder unangenehme Platte. Vor allem der Gesang der schüchternen Frontfrau, die laut eigener Aussage während Konzerten niemals gen Publikum blickt, trägt im Vergleich zu den häufig hektischen Grooves und Gitarren eine gewisse Ruhe in die elf Stücke. Die vielen kleinen Wiederholungen in den Vocals sorgen dafür, dass sich einige Songs in das Gedächtnis fressen und einen auch in stillen Momenten nicht gehen lassen wollen und dadurch zugänglicher wirken, als sie auf dem Papier zunächst erscheinen. „Nest“ sieht vor allem die Frau an den Schlagzeugstöcken und dem Mikrofon deutliche Schritte nach vorne machen und kann sich dadurch breiter aufstellen als sein Vorgänger. Diesen Fortschritt kann man kaum überhören.

Das Album „Nest“ kannst du dir hier kaufen.*

Im April / Mai gehen Brutus auf Tour. Tickets für die Shows gibt es hier.*

Und so hört sich das an:

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Brutus live 2019:

28.04.2019 – Münster, Sputnik Cafe
13.05.2019 – Köln, MTC
14.05.2019 – Hamburg, Hafenklang
16.05.2019 – Berlin, Maze
18.05.2019 – Dresden, Scheune
20.05.2019 – Munich, Storm
22.05.2019 – Frankfurt, Nachtleben

Die Rechte für das Albumcover liegen bei Hassle Records.

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