Compilation: Wolf Biermann RE:IMAGINED – Lieder für jetzt!

Cover zu Wolf Biermann Re:Imagined - Lieder für jetzt!

Ein ziemlich ambitioniertes Projekt war es von Anfang an, das muss man schon sagen. Schließlich ist Wolf Biermann nicht nur ein hervorragender Songwriter, sondern auch eine wichtige Figur im historischen Kontext der deutsch-deutschen Geschichte. Seine Lieder behandeln Themen wie Freiheit, Unterdrückung und Menschlichkeit und machten ihn damit in der DDR zu einem Kritiker, der zum menschgewordenen Symbol des Widerstands wurde – mit allen Folgen: Auftrittsverbote bis hin zur Ausbürgerung. Aus der Zeit der Auftrittsverbote stammt auch ein Großteil der Stücke des vorliegenden Cover-Albums, das nicht nur ein Tribut ist, sondern durch den Titelbestandteil „Lieder für jetzt!“ auch den Fingerzeig setzt, dass die Stücke in die Gegenwart transponiert und neu interpretiert werden sollten.

In Zusammenarbeit von Clouds-Hill-Labelinhaber Johann Scheerer und Biermanns Frau Pamela wurde für das Album eine bunte Schar an Künstler:innen von Alligatoah bis hin zu Wolfgang Niedecken versammelt, die die Stücke nicht nur covert, sondern sie sich auch zu eigen macht. Das wird schon früh deutlich, wenn man Haiyti hört, die mit Beats, tanzbaren Rhythmen und sogar Autotune-Klängen zeigt, dass man „Am Alex an der Weltzeituhr“ auch in einer solchen musikalischen Verpackung gut performen kann. Oder wenig später auch Alligatoah, der mit seinem markanten Klang und einer Mischung aus einem ruhigen elektronischen Klangbett, Gitarre sowie Piano-Sounds zeigt, dass er auch Tiefgang beherrscht und somit eine gelungene Hommage an „Der Hugenottenfriedhof“ präsentiert.

Auch die rockigen Klänge stehen den Stücken Biermanns gut zu Gesicht. Van Holzen etwa stellt in „Wann ist denn endlich Frieden“ genau die Wut zur Schau, die es in Zeiten wie diesen braucht. Oder die schleifenden Synthieklänge von Bonaparte, die mit „Ermutigung“ irgendwo zwischen retro und punkig pendeln. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Facetten man im Schaffen Wolf Biermanns entdecken kann, wenn man sich näher mit seinen Stücken beschäftigt und sie in ein anderes Gewand transponiert. Davon kann man auf „Wolf Biermann RE:IMAGINED – Lieder für jetzt!“ immer wieder Zeuge werden.

Die große Vielfalt an Künstler:innen ist ein großes Plus. Der bereits erwähnte Wolfgang Niedecken beispielsweise repräsentiert eine ganz andere Welt als Acts wie Haiyti und Das Bierbeben. Gerade deswegen ist es ein Gewinn, seine raue Stimme über einem harmonischen Piano in „Als wir ans Ufer kamen“ zu hören. Oder auch Annett Louisan, die mit Fingerpicking auf der Gitarre in „So soll es sein – so wird es sein“ einen Hauch Country einfließen lässt.

Mit all diesen verschiedenen Künstlern und Spielweisen ist der Beweis erbracht, dass das eingangs erwähnte Ansinnen, die Stücke in die Gegenwart zu bringen, mit Bravour gelungen ist. Das ist einerseits schön, da es zeigt, wie vielseitig die Stücke Wolf Biermanns sind und wie vielfältig sie interpretiert werden können, ohne dass sie an Wirkung verlieren. Andererseits ist dieses zeitgenössische Gewand eine hervorragende Gelegenheit, sowohl die deutsch-deutsche Geschichte als auch die Person Wolf Biermann auf eine neue, ansprechende Weise ins kollektive Gedächtnis zu rufen. Eine historisch und musikalisch sehr hochwertige Veröffentlichung!

Tracklist:

01. Moritz Krämer – Fallen die Blätter der Rose
02. Mola – Enfant perdu
03. Haiyti – Am Alex an der Weltzeituhr
04. Jan Plewka & Die Schwarz-Rote Heilsarmee – Das kann doch nicht alles gewesen sein
05. Alligatoah – Der Hugenottenfriedhof
06. Balbina – Soldat, Soldat
07. Romano – Kunststück
08. Das Bierbeben – Vorfrühling
09. Peter Licht – Und wir hatten keine Höhle
10. Lina Maly – Das Barlach-Lied
11. Ina Müller – Bin mager nun und fühle mich
12. Albrecht Schrader & Charlotte Brandi – Pardon
13. Van Holzen – Wann ist denn endlich Frieden
14. OK KID – Warte nicht auf beßre Zeiten
15. Betterov – Lied vom donnernden Leben
16. Bonaparte – Ermutigung
17. Katharina Franck & Paul Eisenach – Ballade vom preußischen Ikarus
18. Maxim – Bilanzballade im dreißigsten Jahr
19. Torch – Von den Menschen
20. Annett Louisan – So soll es sein – so wird es sein
21. Wolfgang Niedecken – Und als wir ans Ufer kamen
22. Meret Becker – Stillepenn Schlufflied

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Und so hört sich das an:


Die Rechte am Albumcover liegen bei Clouds Hill.

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