Deaf Havana – Rituals

Laut dem Duden beschreiben Rituale die „Gesamtheit der festgelegten Bräuche und Zeremonien eines religiösen Kultes“ und „regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Schon ein Blick auf die Tracklist des neuesten Studioalbums der Indie-Band Deaf Havana zeigt, dass der Titel nicht ohne Zusammenhang zum Rest der Platte gewählt wurde. Jeder Titel besteht aus einem Wort, die allesamt dem religiösen Kontext angehören: „Sinner“, „Ritual“, „Heaven“ oder „Worship“. Das schreit auf den ersten Blick nach Konzeptalbum – und ein gewisser Rahmen ist dem Werk auch nicht abzusprechen, aber…

Schon der Opener „Wake“ überrascht, denn hier werden Chöre eingesetzt, die als Leitmotiv des Albums fungieren. Logisch, Chöre sind natürlich ein fester Bestandteil vieler religiöser Riten. Doch schon der erste „richtige“ Track „Sinner“ lässt eine*n unweigerlich stutzen: das sind Deaf Havana? Wo sind die Gitarren? Das Schlagzeug? Und was macht dieser nach Boyband schreiende elektronische Beat hier? Nach dem ersten Schock und den nächsten Songs muss man schnell feststellen: das war kein Ausrutscher, das ist genau so gewollt. Wo Deaf Havana mit ihrem bisherigen Sound mit Bands wie The Blackout oder Young Guns verglichen wurden, haben sie sich nun mit einem gewaltigen Satz von diesen entfernt. Akzeptiert, doch wie genau wird dieser neue Sound aufgefahren? Schon in „Sinner“ entdeckt man die Chöre wieder, dieses Mal mit einigen Handclaps, was unweigerlich an Gospel erinnert. Deaf Havana waren noch nie eine sonderlich sommerliche Party-Band, dieses Album will nun aber die düsteren Texte in ein Pop-Gewand kleiden. So werden in „Hell“ industrielle, kühle Klänge gewählt, in „Saint“ wird die Stimme von James Veck-Gilodi durch einen Computer-Effekt verzerrt. Auch textlich bleibt es über Albumlänge extrem düster und introspektiv: ob nun Schuldeingeständnis wie „I’ve hurt you in a way I could never forgive myself“ (Evil), der Kampf mit den eigenen Dämonen wie „If this is heaven, then hell comes from within“ (Heaven) oder die Thematisierung des Älterwerdens in „Saint“. Thematisch und musikalisch wird also definitiv ein Rahmen geboten, der auf dieser Albumlänge funktioniert. Schade ist nur, dass wirkliche Ohrwürmer und große Songs ausbleiben. Deaf Havana haben sich für den Pop entschieden, doch für wirklich eingängigen Pop braucht es dann nun mal auch die großen Melodien. Sänger James gesteht selbst ein, dass dieses Album vermutlich einige Fans vor den Kopf stoßen wird. Diese These kann man wohl unweigerlich unterschreiben. Dennoch, „Rituals“ ist kein schlechtes Werk, es kann in dem selbst geschaffenen Rahmen durchaus Atmosphäre erzeugen und unterhalten. Es bleibt also abzuwarten, wie die Reaktion auf dieses Album ausfallen wird.

Das Album „Rituals“ kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=jpeJAPl1iZk

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Rechte am Albumcover liegen bei So Recordings.

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