Albencover in Zeiten von Corona. Bei der intimen Pose der drei Frauen kommen einem unweigerlich dumme Witze bezüglich Mindestabstand in den Sinn – man kennt das Spiel mittlerweile. Wie viele Menschen, insbesondere solche mit psychischer Instabilität, sich gerade jetzt nach körperlicher und emotionaler Nähe sehnen, kann man sich kaum vorstellen. Deswegen trifft die Wahl des Artworks für das zweite Album des Duos Diet Cig ungewollt perfekt die größten Sehnsüchte der Zeit seiner Veröffentlichung (über diese Ausnahmesituation haben wir mit dem Duo übrigens in unserem Corona-Special geredet). Wenn die New Yorker*innen die Arme auf “Do You Wonder About Me?” öffnen, kann man mit ihnen wahlweise ausgelassen lostanzen oder sich behutsam in den Schlaf wiegen. Beides mit der Extraschippe Charme.
Abschalten und Tee trinken
Alex Lucianos Stimme ist sehr hoch, beinahe piepsig. Ein Grund, aus dem man vielleicht zuckrigen Indie-Pop erwartet, aber ähnlich wie bei den Art verwandten Orchards und Charly Bliss knirschen unter der funkelnden Oberfläche die Reißzähne. Das wird im Hand-Clap-Hit “Who Are You” mit seiner lässigen Haltung deutlich, aber auch im sphärischen “Night Terrors”, dessen “Promise not to kill you in my sleep” zumindest einmal infrage gestellt werden darf. Dieser gewollte Zwiespalt zwischen luftigem Sound und bissigen Texten sorgt in der sehr kurzen Spielzeit für das ordentliche Maß an Unterhaltung. Wie schon auf ihrem Debüt “Swear I’m Good At This” hatte sich diese Tugend als eine der Schlüsselmomente für den Erfolg des Duos erwiesen, auf “Do You Wonder About Me?” wirken die Arrangements jedoch noch pointierter, auf das richtige Maß zugeschnitten. An Tiefgang wird trotz der meist zwei bis dreiminütigen Songs aber nicht gespart, im satten “Broken Body” stellt sich der verzweifelte Unterton den eigenen Depressionen, “Worth The Wait” sucht mit Hilfe sachter Synth-Samples nach dem eigenen Platz in der Gesellschaft. Es sind die kleinen Annekdoten, dank derer sich Diet Cig schnell anfühlen wie enge Freund*innen, die ihre Geheimnisse ins Ohr flüstern. “Do you ever think that you could be someone who’s at the party not worried about what other people might be thinking of you?” Ein Dialog, eine Umarmung, eine Annäherung. Zum gemeinsamen Frust Austanzen gibt es mit “Flash Flood” zappelnden 00er-Skatepunk auf die Ohren, bevor man sich zu der zittrigen, elektronischen Reprise von “Night Terrors” angekuschelt ins Bett legt. Gerade jetzt ist dieser Balsam für die Riot-Grrl-Seele mehr als willkommen. Und ein bisschen fühlt sich dieses Album sogar auch an wie die auf dem Artwork versprochene Umarmung.
Das Album “Who Are You Now?” kannst du hier kaufen. *
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Rechte am Albumcover liegen bei Frenchkiss Records.
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