Gerade einmal anderthalb Jahre hat es gedauert, bis ein neues Casper-Album erscheint. Ungewöhnlich kurz für den nun schon 41-Jährigen Rapper. Immerhin lagen bislang im Durchschnitt 3.5 Jahre zwischen seinen Solo-Alben. „Nur Liebe, Immer“, wie Caspers sechstes Studioalbum heißt, jedenfalls hat Mixtape-Charakter. Eine Falle voller falscher Versprechungen?
Der Titel und das Cover – ein Foto, das den damals elfjährigen Benjamin aka Casper in seiner Heimat, den USA, zeigt – versprechen implizit Konzept. Er selbst hat “Nur Liebe, Immer” als eine Kombination aus “Hin Zur Sonne” und “Hinterland” umschrieben. Wirklich zutreffend ist das nicht. “Hin Zur Sonne” war zwar eher zerstückelt, eine Sammlung verschiedener stilistischer und inhaltlicher Schlagschatten. Das teilen sich beide Werke. Prägte sein Debüt aber eine jugendliche Dringlichkeit im Jetzt, blickt Casper nun zumeist aus weiter Distanz auf lange Zurückliegendes. “Immer noch nervös” etwa erinnert sich an eine Beziehung zum Beginn der Karriere. Und “Falsche Zeit, falscher Ort” schmeckt nach Bleigeschmack im Mund als Resultat langer Sprints vor der Polizei und nach Schlägereien – wohl ein Rückblick auf die Jugend im Extertal. “Hinterland” wiederum war spinnennetzartig von Aufbruchphantasien durchzogen. Auch die misst man nun. Stattdessen gibt es einige Anspielungen in Sound und Instrumentation. Die jedoch beschränken sich auf gerade einmal zwei Songs, die verträumte “Umbrella”-Huldigung “Emma” und die Bielefeld-Hymne “Verliebt in der Stadt die es nicht gibt” (beide Songs sind übrigens durchaus gelungen).
Ansonsten muss sich Casper nicht vorhalten lassen, sich zu wiederholen. Er singt so viel und gefühlig wie noch nie, versucht sich an House-Rap (“Falsche Zeit, falscher Ort”) und bissigen Hooks (“Wimpernschlag”). Besonders eindringlich funktioniert das, wenn er direkte Bezüge in die Gegenwart webt. Das bereits erwähnte “Wimpernschlag” und auch “Luft holen” behandelt Struggles mit dem eigenen Fame. “Erst waren wir Freunde, dann wurd ich Chef / Es ging um Träume, dann um Geld”, heißt es in ersterem eventuell in Bezug auf seine ehemaligen Bandkollegen, die lange an Caspers Seite standen. Bis auf Markus Ganter nämlich hat sich seine Live-Band seit der Pandemie komplett umgekrempelt. “Echt von unten / Zoé Freestyle” wiederum ist erst Rückbesinnung auf die Wurzeln, dann knallharte Status Quo-Aufnahme. Und “Sommer” ist die Hymne für die bitterwarme Jahreszeit in der Jahresmitte, die Casper bislang nie zu schreiben wusste.
So richtig daneben greifen Casper und Team derweil nie. Und es gibt durchaus Momente, die funktionieren. An ein Casper-Album jedoch stellen Medien und Fans andere Erwartungen. Da reicht auch nicht ein (wenn auch gut umgesetzter) rahmender Blechbläser Ein- und Ausklang. Es hätte “Nur Liebe, Immer” also gut getan ein Mixtape zu bleiben, statt “im Prozess zum Album geworden” zu sein. So ist es nun ein gerade mal mittelmäßiges Casper-Album, das Hoffnungen nicht erfüllt. Es hätte stattdessen ein gutes Mixtape werden können.
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